29: Jagende Ängste und bludbefleckte Hoffnung

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Ich erschauderte, als die kühle Abendluft meine Haut streifte. Neben mir ließen die Jäger ihre Crossbikes aufheulen, als wollten sie allem und jedem hier beweisen, dass sie heute morden würden. Ich schüttelte mich und wusste nicht so recht, was sie nun von mir erwarteten. Sollte ich nun auch für sie töten? Meine eigene Spezies ausrotten?

Meine Meinung hatte sich jedenfalls nicht geändert. Dieser irre Werwolf, wie sie ihn nannten und den wir verfolgen würden, konnte nur Dante sein. Kein anderer Werwolf war in der Lage, sich Schusswunden und Narkosepfeilen zu widersetzen. Außerdem gab es hier keine anderen Werwölfe, also wer sollte es sonst sein? So irre er auch auf sie wirken mochte, so würde Dante mir sicherlich helfen können.

Mein Blick wanderte zu Sam, der sich etwas wacklig auf sein Crossbike schwang. Sein Bein schien noch immer nicht vollkommen verheilt zu sein und trotzdem zwangen sie ihn auf eine Jagd. Eines musste ich ihm jedoch lassen, er fragte mich nicht zu dem unbekannten Werwolf aus, obwohl ich befürchtete, dass er wusste, wer dieser Werwolf war. Sam hatte Dante bereits einmal in menschlicher Gestalt und mit all seinen miesen Charaktereigenschaften kennengelernt und Sam war nicht dumm. Ich hatte ihm Dante als einen Freund der Familie vorgestellt, also würde er eins und eins zusammenzählen können. Die Frage war nur, wieso er sein Wissen mit niemandem geteilt hatte.

So oder so freute ich mich innerlich, dass wenigstens Dante hatte fliehen können. Es beruhigte mich, dass er frei war und uns vielleicht sogar helfen wollte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie er das anstellen könnte. Oder wie ich ihn finden und über unsere Situation informieren konnte, ohne dass auch er Gefahr lief, gefangen zu werden. Denn ich würde mindestens zwei Jäger in meinem Nacken sitzen haben, solange ich hier draußen herumlief.

„Sam!", brummte Reece und fuhr an seinen Bruder, der endlich halbwegs sicher auf seinem Bike saß, heran. Der Blick des Älteren verharrte allerdings auf mir. „Befehl deinem Werwolf, sich zu verwandeln."

Ich zuckte zusammen und schmeckte mein eigenes Blut im Mund. Das konnte Reece doch nicht ernst meinen. Ich würde mich sicher nicht vor all diesen Jägern verwandeln, obwohl ich genau aus diesem Grunde hier stand. Weil ich ein Werwolf war.

„Mina", hörte ich Sams Stimme, die sogar die Motorengeräusche übertönte. „Die Zeit drängt, also-", er brach mitten im Satz ab. Daraufhin schaute ich auf und zu ihm, erschrak jedoch, weil er auf einmal neben mir stand. „Du kannst deine Kleidung zerreißen, wenn du dich verwandelst. Ich achte darauf, dass du dich erst wieder zurückverwandelst, wenn du nicht von tausenden Augen angestarrt wirst."

Ich errötete und nickte, ehe ich versuchte, mich zu konzentrieren. In diesem Meer aus störenden Geräuschen – Brummende Motoren, grölende Jäger – und brennenden Gerüchen konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen. Außerdem wollte ich mich gar nicht konzentrieren und das machen, was die Jäger von mir verlangten. Andererseits gab mir das auch die Chance, sie auf eine falsche Fährte und bestenfalls weit weg von Dante zu führen.

Zuerst entspannte ich meine Hände, die ich zu Fäusten geballt an meine Seiten gedrückt hatte. Dann atmete ich bewusst regelmäßig, ehe ich meinem eigenen Herzschlag lauschte. Das war das Einzige, was mich in dieser Situation ein bisschen beruhigte. Atmen, befahl ich mir selbst, weil ich es hin und wieder vergaß. Ich spürte ihre bohrenden Blicke auf mir, wie sie warteten, dass etwas passierte. Mein Herz schlug schneller und schneller, mein Puls rauschte in meinen Ohren. Plötzlich erfassten mich die altbekannte Wärme und das Licht, das mit der Verwandlung einherging. Es schmerzte jedes Mal, wenn mein Körper sich veränderte und wuchs, doch mir entkam kein Mucks.

Nach wenigen Sekunden stand ich als Werwolf vor den Jägern, die auf einmal verstummt waren. Manche starrten mich voller Ehrfurcht an, andere schauten weg. Reece war einer von denen, die starrten, aber auf seinem Gesicht spiegelte sich auch eine Ekel erregende Vorfreude, die ich ihm am liebsten ausgetrieben hätte. Ich schüttelte mich und roch das Benzin ihrer Maschinen noch mehr als zuvor.

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