34: Lohnender Diebstahl und feige Entscheidungen

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Meine Pfoten brannten. Wie lange rannte ich schon ziellos durch diesen Wald? Mein Verstand musste tagelang ausgesetzt und meinem Instinkt die Kontrolle über meinen Körper überlassen haben. Alles schmerzte. Die Wunden, meine Lungen und mein Kopf. Mein Blut rauschte und das Adrenalin spürte ich schon gar nicht mehr, so alltäglich schien es für mich geworden zu sein.

Mein Herz raste und ich roch plötzlich den Gestank von Menschen. Keinen sonderlich intelligenten Menschen, wie ich feststellte, als ich ihre toten Körper in einem Meer aus Farnen entdeckte. Ich näherte mich ihren Körpern, die von großen Kiefern aufgerissen worden sein mussten, und rümpfte die Nase. Ein anderer Geruch stieg mir in die Nase. Ein bekannter Geruch, der mich gleichsam erschaudern ließ. Sie war in der Nähe. War, denn ihre, denn Minas Fährte war beinahe verschwunden.

Bedacht, keine Spuren zu verwischen, schlich ich weiter durch die Farne, passierte einen weiteren Leichnam und zerstörte Bikes. Die Jäger mussten hier vollkommen auseinander genommen worden sein, aber wer war zu so etwas in der Lage? Minas Rudel ließ die Menschen Mensch sein und sich im Zweifelsfall anscheinend auch mal einschüchtern. Wer auch immer hier seine Wut an den Jägern ausgelassen hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Niemand war ihnen lebend entkommen.

Ich sah mir die fast verblichenen Spuren an, die um eine der Blutlachen verliefen. Minas Geruch wurde deutlicher. Sie hatte hier eine ganze Weile verbracht. Zusammen mit den Jägern, was mein Blut zum Kochen brachte. Diese verdammten Menschen hatten sie also geschnappt. Dass sie ihnen folgte, statt zu fliehen, musste bedeuten, dass sie ihre Familie ebenfalls hatten. Ich fletschte die Zähne und wollte diese Jäger auf der Stelle in Stücke reißen.

Doch der Wind wehte einen fremden Geruch in meine Nase. Einen Geruch, der noch viel feiner und damit weit entfernt war, aber dank der Senke, in der ich mich befand, trug der Wind ihn bis hierher. Ich roch Motoröl und Qualm. Jäger.

Wie vom Blitz getroffen, stürmte ich los. Ich ignorierte die Schmerzen, die bei jedem Schritt meinen Körper durchzuckten und jede Faser in Flammen steckten. Ich musste einen Jäger lebend erwischen und ihn dazu zwingen, Minas Rudel auszuhändigen. Abrupt blieb ich stehen. Nein, das würde so nicht funktionieren. Sie würden mir kein ganzes Rudel überlassen, ganz egal, was ich einem von ihnen antat.

Langsamer folgte ich dem Motorengeruch und lauschte dem Krach der Crossbikes in der Ferne. Wenn Mina sich den Jägern ergeben hatte, musste da mehr hinter stecken. Selbst sie würde ihre Familie befreien, wenn sich ihr die Gelegenheit dazu ergab. Was hielt sie davon ab? Wieso lief sie so bereitwillig mit den Jäger mit, führte sie zu so einem Schauplatz des menschlichen Grauens und wagte es nicht einmal, zu fliehen? Wen oder was hatte die Jäger gegen sie in der Hand?

Abermals stoppte ich, als ich realisierte, dass sich unter den Geruch der Bikes auch der eines mehrerer Werwölfe mischte. Ich atmete regelmäßiger und tiefer ein, um die Gerüche zuzuordnen und Freude stieg in mir auf, als ich Minas Geruch erkannte. Sie war hier. Sie war draußen und beinahe frei!

Ich ermahnte mich, nichts zu überstürzen. Dieses Mal durfte nichts schief gehen. Ich musste ihr helfen und sobald ich sie aus den Fängen dieser Menschen befreit hatte, würden wir ihre Familie retten. Vielleicht sogar mithilfe der fremden Werwölfe. Dieses Mal würde ich niemanden zurücklassen.

Ich schluckte trocken und unterdrückte die Vorfreude, die sich mir bei dem Gedanken, in die Jägergruppe zu stürzen und sie zu überfallen, aufdrängte. Doch eine vermeintlich unbegründete Angst schwang in mir mit. Was, wenn die Jäger Mina mit dem Fluch kontrollierten, der auch meine Schwester verändert und Grund für den Tod meines gesamten Rudels war? Mein Körper bebte und ich konnte nicht mehr sagen, warum. Meine Beine standen fest, meine Füße waren wie angewurzelt und in meinem Kopf erklang ein Dröhnen. Was, wenn sie Mina kontrollierten und sie deswegen draußen herumlaufen ließen? Was, wenn ich Mina und ihr Rudel gar nicht mehr retten konnte?

between FangsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt