Kurzgeschichte: Warme Herzen

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Mein Beitrag für den FederAward von -Schreibfeder, Dezember 2018

Still und leise schwebte die Schneeflocke vom Himmel herab und landete auf dem weichen, schneebedeckten Feld ganz in der Nähe eines kleinen Dorfes.

Eine Tür schlug zu und ein kleines Mädchen stolperte auf den Weg, der aus der Siedlung hinaus führte. Es war jung, vielleicht neun Jahre, in einen dicken braunen Mantel gegen die Kälte gehüllt, mit einer gleichfarbigen Fellmütze auf den schwarzen Haaren, einem gelben Schal um den dünnen Hals und Fäustlingen an den Händen. Es war anstrengend so zu laufen, aber es fror nicht und darüber war es sehr glücklich.

Die Straßen des Dorfes waren einsam und verlassen, der Schnee war in hohen Bergen am Bordsteinrand aufgetürmt und alles war in das kränkliche Licht der gelben Straßenlaternen getaucht. Das kleine Mädchen hüpfte die Straße entlang und hinterließ mit seinen Stiefeln tiefe Spuren im unberührten Schnee des Gehwegs. Zögerlich tat es seine ersten Schritte, blickte zurück zu den erleuchteten Scheiben seines Zuhauses und den gedämpften aber verärgerten Stimmen, die an seine kleinen Ohren drangen. Dann wurde immer schneller und ausgelassener, vergessen alle Sorgen und Ängste.

Es waren nur einige Schritte, dann stand das kleine Mädchen auf dem Feldweg. Seine Bäckchen und das kleine Näschen waren rot von der Kälte des Windes, der jetzt hinter den Häusern sauste, die Schneeflocken mit sich fliegen ließ und verspielt an des kleinen Mädchens Haarspitzen zupfte, die keck unter der Mütze hervorlugte. Am Himmel jagten sich graue Wolken gegenseitig, alle auf dem Weg in Richtung Norden. Bewundernd stand das kleine Mädchen da, den Kopf in den Nacken gelegt, und lauschte dem Wind, der mit den Wolken und Schneeflocken Fangen spielte. Es wollte unbedingt mitspielen. Sie sahen so frei aus, ohne Sorgen, die sie zurückhielten. Also lief es los, in die gleiche Richtung, in die auch die Wolken zogen, ein Lächeln im Gesicht und den Blick auf eine ganz bestimmte Schneeflocke geheftet. Es verließ währenddessen den Feldweg, nahm seine kurzen Beine aber nicht hoch genug - und stolperte auf das Feld. Es versank im Schnee, bis es seine Hände nicht mehr sehen konnte. Die Kälte drang durch seine Hosenbeine, deren Knie jetzt nass waren. Ein Glück hatte es sich abfangen können.

❄️

Als es aufblickte, hatte der Wind sich gelegt und das Licht sich verändert. Alles war heller geworden und irgendwie blauer. Als das kleine Mädchen nach den Wolken sehen wollte, musste es feststellen, dass über seinem Kopf eine blaue Decke voller Eiszapfen hing. Auch die Wände waren blau und seltsam glasig, aber undurchsichtig. Keine Umrisse konnte sie dahinter ausmachen. Unsicher sah es sich um. Es kniete in einem langen Gang, der sich endlos in die Ferne zu strecken schien. Er war absolut regelmäßig, alle Seiten gleichlang, sodass sich ein langgestrecktes Hexagon bildete, auf dessen Boden es nun saß. Nur in einiger Entfernung konnte sie einen dunkleren Punkt ausmachen, der nicht recht in die gleichförmige und starre Umgebung passen wollte.

Unbehaglich erhob es sich. Wie war es hierhergekommen? Und wo war hier überhaupt?
Das kleine Mädchen machte ein paar unsichere Schritte, blieb wieder stehen. Wenigstens war es hier etwas wärmer als zuvor durch den fehlenden Wind. Und schön still, so konnte es ungestört nachdenken. Und was es wusste, war, dass nichts passieren würde, wenn es hier stehen blieb, also konnte es ja auch weiterlaufen. Nickend setzte es einen Fuß vor den anderen, immer nach vorne.

Schon nach wenigen Schritten wurde ihm langweilig, weil alles gleich aussah, also begann es eine Schrittabfolge zu singen, während es diese ausführte:
"Einen Schritt nach vorne, und einen nach links.
Fünf Schritte nach vorne, und einen nach hinten.
Dann eine Drehung, einmal rundherum.
Einen Schritt nach vorne, denn so geht Zeit um."

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