Kapitel 5

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-Rylin-

Wütend schrie Rylin Jack an:"Es gab nur ein Rettungsboot?! Wie konntest du das nur verantworten?!" Eigentlich waren die anderen ihr egal, aber sie wollte nicht sterben. Noch nicht.

"Es ist nicht meine Schuld. Als ich kurz vor der Reise nachgeschaut hatte, waren noch genug Boote da",antwortete er ruhiger, aber wirkte verzweifelter.
"Ach, lass mich doch in Ruhe", meinte sie und verließ den Raum, in dem sich alle versammelt hatten und in dem sich eigentlich die Rettungsboote befinden sollten. Stattdessen betrat sie den benachbarten Raum, in dem sich die Flammen schon mehr ausgebreitet hatten. Wenn sie schon sterben sollte dann möglichst schnell und allein. Der Rauch versperrte ihr die Sicht und füllte ihre Lungen. Kraftlos sank sie zu Boden. Sie hoffte, dass sie bewusstlos werden würde, ehe sie brennen würde. Eine Träne rollte über ihre Wange. Nicht weil sie gleich sterben würde, sondern weil es niemanden interessieren würde. Vielleicht würde ihre Mutter einige Tränen vergießen, aber dann würde sie wahrscheinlich vergessen, dass sie jemals eine Tochter hatte. Ihre Existenz wäre völlig unnötig in ihren Augen gewesen. Scheinbar würde sie ironischerweise im Feuer sterben.
Jack betrat nun auch den Raum. Schnell Rylin wischte sie die Träne weg. "Lass mich allein",zischte sie und konzentrierte sich darauf, jetzt noch schneller das Bewusstsein zu verlieren. Mann, warum funktionierte sowas nie, wenn man versuchte, es zu erzwingen?

Er schaute einige Sekunden auf sie, doch wendete dann seinen Blick wieder ab. Irgendwie machte sie das noch trauriger. Noch nicht einmal dieser Junge wollte ihr in ihren letzten Minuten Beachtung schenken. Stattdessen blickte er in die Leere, in den Rauch. Sie wusste nicht, wieso, aber sie wollte wissen, was im Moment mehr Aufmerksamkeit als sie erhielt und folgte seinem Blick.

Eigentlich erwartete sie nicht dort etwas zu finden, aber sie konnte die Umrisse erkennen von einem... "Ein Boot!",riefen Rylin und Jack gleichzeitig. Sofort schaltete sich wieder ihr Überlebensinstinkt ein. "Der, der die anderen Boote verschwinden lassen hat, muss dieses scheinbar ver-" Er fing an heftig zu husten. "Worauf warten wir dann noch?",fragte sie und stieg in das bereits leicht brennend Boot ein. Zögerlich kam er auch hinein. Als sein Hustenanfall vorbei war, gab er zu bedenken:"Wollen wir die anderen wirklich einfach so zurücklassen?" Eine Spur von schlechtem Gewissen überfuhr sie. Doch sie schob sie beiseite. "Jeder kämpft für sich selbst",meinte sie und schnitt kurzerhand die Seile mit ihrem Taschenmesser durch.

Sogleich fiel das Boot auf die Wasseroberfläche und die Flammen darauf erlöschen und verwandelten sich in Wasserdampf. Die Traurigkeit von Rylin verwandelte sich plötzlich in Fröhlichkeit. Sie hatte überlebt! Aber dann fiel ihr Blick auf Jack. Ihre Laune senkte sich wieder. Klar, ohne ihn wäre sie jetzt tot, aber wenn es etwas mehr hasste, als zu sterben, dann war es in jemandens Schuld zu stehen. Trotzdem hatte sie ihn vielleicht falsch eingeschätzt. Vielleicht war er ja gar nicht wie die anderen, sondern war wirklich um sie besorgt gewesen...

Doch in dem Moment, in dem sie das dachte, wurde sie eines besseren belehrt. Denn sobald sie einige Meter vom brennendem Schiff weggetrieben waren, hörte sie ein explosionsartiges Geräusch aus dieser Richtung kommen, ähnlich wie das undefinierbare Geräusch von voher.
Wenige Sekunden später erlosch das eben noch so große Feuer. Das Kreuzfahrtschiff wurde zwar erheblich beschädigt, funktionierte aber noch einwandfrei. Sogleich  betraten alle, die sich noch dort befanden, das Deck und waren - so weit das Rylin von der Entfernung beurteilen konnte - weitgehend unverletzt. Sie zählte durch. Keiner war umgekommen. Alle lebten noch.
Abgesehen davon, dass die auf den Rettungsbooten kein Wasser und auch kein Essen hatten.

"Vielen Dank auch, jetzt werden wir sterben, nur weil du dieses Rettungsboot gefunden hast. Oder hast du irgendeine Idee, wie wir wieder da hoch kommen sollen?",meckerte sie. "Entschuldigung?",räumte Jack beleidigt ein. "Es war deine Idee gewesen, ohne auf die anderen zu warten, einfach die Seile durchzuschneiden. Ohne mich wärst du sicher schon an einer Rauchvergiftung gestorben."
"Dann würde ich jetzt wenigstens nicht mit dir hier feststecken." Rylin verschränkte ihre Arme und drehte ihm den Rücken zu. "Ich hätte nicht gedacht, dass ein Mädchen, das mich vor wenigen Minuten noch so romantisch geküsst hat, so gemein sein könnte."

Das war zu viel für sie und sie drehte sich wieder um. "Wie kannst du nur so eingebildet sein, zu glauben, dass der Kuss dir galt? Ich wollte nur-" "Naja, du hast deine Lippen auf meine gepresst, ich dachte, das war ziemlich eindeutig",fiel er ihr ins Wort. "Lass mich audreden! Ich wollte es nur diesem A-Mädchen zeigen! Eigentlich hasse ich dich und deine reichen Freunde!",schrie sie an. Er machte noch eine schnippige Bemerkung über den Ausdruck 'A-Mädchen', aber sie hatte sich wieder abgewendet und ignorierte ihn.

Dann überdachte sie ihre Antwort. Sie war nicht die Klügste, wenn man bedachte, dass sie wahrscheinlich den Rest ihres Lebens mit diesem Jungen verbringen würde. Anderseits hatte er sie ja auch provoziert. Wenn es nach ihr ginge, konnte sie den Rest ihres Lebens auch in Stille verbringen.
Ihr Blick fiel wieder auf den Nachthimmel. Doch die Sternen waren verschwunden und Wolken verdeckten sie nun. Schlagartig fielen die ersten Regentropfen auf ihre Haut. Konnte es überhaupt noch schlimmer werden?

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