Kapitel 2

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-Rylin-

Rylin starrte in den wolkenlosen Sternenhimmel. Es war eine kühle Nacht, aber sie schien die Kälte gar nicht wahrzunehmen. Sie war inzwischen abgehärtet.

Schließlich war das Leben schon so oft kalt zu ihr gewesen. Ihre Eltern vernachlässigten sie immer mehr, seit sie zwei kleine Brüder bekommen hatte. Die beiden Zwillinge interessierten sich auch nur für einander, obwohl das gar nicht so schlimm war, denn sie fand kleine Kinder schon immer besonders anstrengend.

In ihrer alten Schule lief es auch nicht gerade gut für sie. Eines Tages steckten Rylin und ihre Freunde gemeinsam die Schule in Brand. Sie hatten genug von den Lehrern und den Arbeiten, deswegen hatte ihre ehemalige beste Freundin Cloe diesen Vorschlag gemacht. Also machten sie sich mitten in der Nacht auf.
"Hey, Rylin, wie wär's, wenn du's machst?",schlug Cloe vor. "Du behauptest doch immer so mutig zu sein, oder?"
Rylin wollte ablehnen, aber schon wurde das Feuerzeug und der Brandbeschleuniger in die Hände gedrückt. "Oder hast du etwa Angst?",hakte Cloe nach.
"Natürlich nicht",erwiderte Rylin, obwohl das nicht die Wahrheit war. Ihre Hände zitterten, als sie den Brandbeschleuniger verteilte und sie deswegen kaum ein Feuer mit dem Feuerzeug zustande gebracht hatte. Doch dann wurde es entzündet und wuchs rasant. Berauscht von dem Adrenalinschub und stolz auf ihre geleistete Arbeit, hörte kaum die Sirenen. Irgendwie schaffte es das Feuer ihre ganze Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es zeigte ihr, dass alles, das noch so aufwendig vielleicht über Jahre hinweg errichtet wurde, sich in wenigen Sekunden zu Rauch und Staub verwandeln konnte.
Aber scheinbar kann das genauso einfach mit der Freundschaft passieren.
Denn als sie von dem Feuer wegsah, entdeckte sie weder ihre Freunde, noch deren Auto und stattdessen ein Feuerwehrauto und einen Streifenwagen.
Keiner wollte ihr glauben, als sie sagte, dass es nicht ihre Schuld gewesen war. Ihre Freunde hatten sie einfach alleine gelassen. Sie hatten sich auch in Rauch aufgelöst und waren nicht wieder zu erkennen gewesen. Sie musste die alleinige Schuld tragen. Ihre Eltern mussten den ganzen Schaden bezahlen und sie wurde von der Schule suspendiert.
Letzteres war aber nicht schlimm für sie, weil sie gar nicht mehr auf dieser Schule sein wollte.

Da hatte sie für sich gelernt, dass sie niemandem trauen konnte und auch die besten Freunde ihr den Rücken fallen konnten. Seitdem ließ sie niemanden zu nah an sich ran, um nicht wieder enttäuscht zu werden. Oder um nicht wieder nur von Rauch und Staub umgeben zu sein.

"Hey, wie geht's dir so?",sprach sie plötzlich jemand an. Jack. Was wollte bitte dieses klassische Rich Kid von ihr? Als sie in seine Augen schaute, wurde sie wieder an ihre Vergangenheit erinnert. Seine strahlend kastanienbraunen Augen sahen fast genauso aus wie Gales. Sie hasste es an ihre Vergangenheit erinnert zu werden.

"Mir geht's super, danke der Nachfrage",sagte sie ironischer als sie es wollte. Schnell wendete sie den Blick wieder zum Sternenhimmel ab. Das mit Gale war schon lange vorbei. Dank Jack hatte sie wieder viel zu viele Gedanken an Gale verschwendet.

Außerdem war Jack nicht der Aufmerksamkeit wert. Er war wie fast alle anderen auf dem Schiff: viel zu reich, eingebildet und verwöhnt vom Leben. Rylin hasste diese Menschen am meisten.

"Ähm... ich hab' mich gefragt, ob..." Bevor er ausgesprochen hatte, wusste Rylin schon in welche Richtung dieses Gespräch gehen würde. Sie hoffte sehr, dass sie falsch lag. Aber das tat sie für gewöhnlich nicht. "Meine Güte, hast du noch nie mit einem Mädchen geflirtet? Versuch's beim nächsten Mal wenigstens ohne Stottern", unterbrach sie ihn  und entfernte sich von ihm, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. 'Hoffentlich lag ich falsch und habe ihm gezeigt, dass ich wirklich so komisch bin, wie er dachte',wünschte sie sich. 'Oder er würde wenigstens realisieren, dass er keine Chance bei mir hatte und zurück zu seiner blöden Party gehen.'

Aber weder noch. Er ging wieder näher auf sie zu und flüsterte ihren Namen. Für ein paar Sekunden starrte sie wieder in seine kastanienbraunen Augen und Erinnerungen überfluteten sie. Ihr kam es fast vor, als würde sie in ihren Erinnerungen ertrinken, als plötzlich ein lautes Geräusch ertönte. Sie hatte sie so etwas noch nie gehört. Deswegen brach sie den Augenkontakt ab und ihr Blick fiel hinter sie. Doch statt dem Auslöser des Geräusches entdeckte sie eines dieser A-Mädchen - Rylin konnte sie noch nie auseinander halten, da alle Namen dieser Mädchen mit A anfingen und sie für Rylin alle gleich zu sein schienen. Eifersüchtig starrte das A-Mädchen Rylin an. Für einen kurzen Moment war sie verwirrt. Dann fügten sich die Teile aber von selber zusammen: Sie wollte eindeutig etwas von dem Jungen, dessen Flirtkünste wirklich miserabel waren. Diese Erkenntnis zauberte Rylin ein schiefes Grinsen ins Gesicht. Vielleicht könnte das ja doch noch ganz lustig werden.
Also drückte sie ihre Lippen plötzlich auf Jacks. Das war nicht ihr erster Kuss, denn den hatte sie nämlich mit... nein, sie wollte nicht schon wieder einen Gedanken an ihn verschwenden.

Der Kuss war lang und romantisch, so wirkte er jedenfalls von außen. Denn Rylin ging es nur darum, dem A-Mädchen zu zeigen, dass ihre Welt wohl doch nicht so perfekt war, wie sie es gerne hätte. Je früher sie das lernte, desto besser.

Aber als sie sich aus dem Kuss gelöst hatten, war das A-Mädchen schon weg. Zu schade, sie hätte gerne noch den Ausdruck auf ihrem Gesicht genossen. Doch als ihr Blick weiter nach hinten fiel, konnte sie sie verstehen, dass sie nicht mehr hier war.

"Wow",murmelte Jack und fuhr sich mit seinen Fingern über die Lippen. Dann jedoch bemerkte er es auch. "Oh nein, wie konnte das denn passieren?",fragte er panisch. Doch Rylin konnte sich das auch nicht erklären.

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