Kapitel 9

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-Camberlynne-

 Am frühen Morgen weckte sie Luke. Alle anderen schliefen noch. Eigentlich hätte die Erkenntnis, dass das alles kein Traum gewesen ist, sie beunruhigen sollen, aber das tat sie nicht. Im Gegenteil. Sie freute sich irgendwie auf das Abenteuer.

"Wie hast du geschlafen?",fragte Luke, während Camberlynne sich streckte. "Naja, gemütlich war es nicht, aber du kennst mich ja. Wenn ich mich nur irgendwo hinlegen kann, schalf ich wie ein Stein. Du?" "Geht so",antwortete er knapp und flüsternd, womit er ihr zu verstehen gab, dass sie leiser sein sollten, um die anderen nicht zu wecken.

Camberlynnes Magen knurrte. "Gerade würde ich echt für einen Burger töten",meinte sie und beobachtete, wie Luke reagierte. Er verzog nur leicht die Mundwinkel nach oben, doch starrte ins Leere. Sie wusste, dass er wohl gerade an Charlie dachte und an das, was gestern passiert war. Eigentlich wollte sie noch mit ihm darüber sprechen, wie er gestern beinahe die Kontrolle verloren hatte, aber es schien nicht der richtige Moment dafür zu sein. "Hey, das mit Charlie ist nicht deine Schuld",versuchte sie ihn zu trösten. "Und er hat es bestimmt irgendwie geschafft",fügte sie schnell noch hinzu. Jetzt schaute er sie an, wirkte aber immernoch nicht wirklich überzeugt.

Doch dadurch, dass Camberlynne in normaler Lautstärke gesprochen hatte, statt zu flüstern, wachte Alex auf. "Morgen",murmelte dieser. Er schaute von Camberlynne zu Luke und zurück. "Störe ich?" Als sie mit einem Kopfschütteln anwortete, meinte er provozierend: "Gut, schließlich möchte ich nicht wieder wegen einer Kleinigkeit vom Boot gedrängt werden." Luke ging fast darauf ein und wollte sich schon erheben, deswegen legte Camberlynne ihre Hand auf seine und gab ihm mit einem Blick zu verstehen:"Er ist es nicht wert."

Daraufhin setzte sich Luke wieder und ignorierte Alex. Camberlynne merkte, dass sie seine Hand länger gehalten hatte, als nötig und zog sie schnell weg. Sie waren nur Freunde und so sollte es auch bleiben.
Sobald sich eine für Alex unerträgliche Stille ausgebreitet hatte, atmete er hörbar aus und rief dann laut:"Aufwachen!"

Sofort schreckten alle gerade noch schlafenden auf. "Na herzlichen Dank auch, Alex",sagte Abigail schlaftrunken und legte sich wieder hin. "Warum hast du uns geweckt? Lauert irgendwo eine Gefahr?",fragte Alessia ängstlich und rückte näher an Alex heran. "Nur die Gefahr der überwältigen Langeweile",antwortete er knapp und küsste Alessia leidenschaftlich.

Camberlynne glaubte, ihr würde der Alkohol von gestern hochkommen. Sie hasste, sich küssende Paare zu sehen, besonders wenn sie überhaupt nicht zusammenpassen.

"Hey Leute, hört auf damit. Wir haben wichtige Fragen zu klären",mischte sich Ashton ein. Gerade als sie Camberlynne darüber wunderte, dass der Drogenäbhangige  mal ihre Meinung teilte und etwas Sinnvolles sagte, fügte dieser noch hinzu:"Wie zum Beispiel, woher ich neuen Stoff kriege, wenn er leer ist." So viel dazu. "Bis er dir ausgeht, sind wir eh schon alle verdurstet",erwiderte Aves und verschränkte die Arme.

"Nicht wenn ich ihn mit dir teile." Ashton quetschte sich an den anderen vorbei, um zur anderen Seite des Bootes zu gelangen, an der sich Aves befand. "Vielleicht würden wir dann auch so rummachen wie die da." Er deutete mit dem Kopf auf Alessia und Alex, denen die Bemerkung ganz egal gewesen war. Ashton lehnte sich vor und kam Aves' Lippen immer näher. Um ihm auszuweichen legte sich Aves immer mehr hin. Doch als sie sich ganz hingelegt hatte, lag er auch auf ihr. Jetzt konnte sie ihm nicht mehr ausweichen. "Hey, ich will das nicht, helft mir doch",flehte Aves und versuchte irgendwie mehr Abstand zwischen sich und Ashton zu bekommen.

Aber keiner half ihr. Entweder man fühlte sich nicht angesprochen, oder man wollte sich nicht mit Ashton anlegen, oder man war, wie Camberlynne, viel zu fasziniert von der Situation. In ihren Augen hatte es Aves nicht besser verdient, weil sie sich dieses Leben ausgesucht hatte. Sie wollte ja umbedingt mit den "coolen" Leuten abhängen. Das hatte sie nun davon. Sollte er sie doch vergewaltigen, sie würde nicht eingreifen. Sie war selber schockiert über ihre so klare Haltung gegen Aves.

"Na dann lass uns mal herausfinden, was Jack sich entgehen lassen hat",flüsterte Ashton, bevor er sie küssen wollte. Aber daraus wurde auch nichts. Denn Aves nahm ihre ganze Kraft zusammen um ihn wegzustoßen. Jedoch hatte sie nicht bedacht, dass sie sich bereits am Ende des Bootes waren. Und so konnte sich Ashton nicht mehr halten und fiel über Bord.

Kurz wirkte Aves erleichtert, aber sie bemerkte dann, was sie eigentlich getan hatte. Denn er kam nicht wieder hoch. "Ich hab nicht... ich wollte nur...",versuchte sie sich zu rechtfertigen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.

Im Moment erinnerte sie Camberlynne viel mehr an die alte, unsichere Aves als an die neue, aufgesetzt fröhliche, scheinbar selbstsichere Aves. Die alte Aves war ihre beste Freundin mit der man Pferde stehlen konnte. Die neue Aves gehörte zu der Clique mit den übertrieben teuren Markenklamotten und die allgemein schlechter Umgang war. Der Wechsel muss wohl kurz nach dem Tod von Aves' Mutter passiert sein. Obwohl Camberlynne Aves eine so gute Freundin auch in diesen schweren Zeiten gewesen war, versuchte Aves verzweifelt die Leere in ihrem Herzen mit etwas anderem als ihrer Freundschaft zu füllen. Statt mit Camberlynne abzuhängen, ging Aves lieber auf Partys mit den Leuten, die sie davor abstoßend fand.

Ebenfalls gingen ihre Noten den Bach runter, denn sie lebte seitdem nur noch für den Moment. Also konnte sie mit ihrem mittelmäßigen Abschluss ihr Medizinstudium vergessen, was für eine Spitzenschüler, wie sie es gewesen war, kein Problem gewesen wäre.

Und das hatte sie nun davon: Sie hatte es geschafft, ihre alte Freundin und ihre neuen Freunde gegen sich aufzubringen. Inzwischen schaute Aves auf die Stelle, an der Ashton ins Wasser gefallen war. Dann richtete sie einen verzweifelten Blick an Camberlynne, der zu fragen schien:"Was soll ich jetzt machen?"

Die Sprache der Blicke hatte Camberlynne ihr übrigens auch beigebracht. Also antwortete sie ihr in derselben Sprache:"Keine Ahnung und es ist mir auch völlig egal."

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