Kapitel 7

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Das erste was ich hörte, bevor ich wach wurde, war das schnelle unermüdliche Sirren von Flügeln, beinahe wie bei einem Kolibri. Was für mich jedoch wichtiger war, die vertrauten Konturen eines kleinen Alptraumpferdes an meiner Seite, den Kopf auf meine Brust gelegt.
Dann erst kam der dumpfe Schmerz aus meinem Fuß. Und die Gewissheit, dass ich in einem weichen Bett lag.
Ich hatte nicht geträumt, das bewies mir mein Nervensystem, aber das würde auch heißen, dass ich nicht in meinem Bett, sonder in einem Bett des...
Langsam, um meine Augen mit der plötzlichen Helligkeit nicht zu überfordern, öffnete ich ebendiese und starrte an eine braune Holzdecke.
„Sandy, sie ist wieder wach!", hörte ich eine aufgeregte Frauenstimme rechts von mir und wandte langsam den Kopf, meine Hände hatten währenddessen schon automatisch angefangen Shadow zu kraulen.
Was ich da jedoch sah, ließ mich mehrmals erstaunt blinzeln.
Neben dem Bett schwebte eine eindeutig weibliche Gestalt, über und über bedeckt mit blauen Federn, die Richtung Hals zuerst Grün und dann gelb wurden. Ihr Gesicht wurde bis knapp über die Augen und hinunter auf die Nase ebenfalls von solchen Federn verziert, die sich sogar zu einem Kopfschmuck formten – eine einzelne gelbe Feder in der Mitte als Highlight. Sie hatte auch wie ein Vogel einen Schwanz, der wie ein Rock auf Höhe der Hüfte begann und von dort bis zum Ende ihrer Füße reichte. Diese Federn waren ebenfalls blau, wurden jedoch nach unten hin beinahe violett. Ihre großen Flügel – die denen einer Libelle glichen - schlugen sekundenschnell auf und ab, der Verdacht mit dem Kolibri am Anfang war gar nicht so falsch gewesen...
Sie lächelte mich mit einem erleichterten Gesicht an und dabei strahlten ihre violetten Augen mit den langen Wimpern nur so vor Freude.
Aber wer war sie?
„Schön, dass du wieder wach geworden bist, du hast so lange geschlafen...Aber darf ich mal ganz kurz....", begann sie mit unglaublicher Geschwindigkeit zu sprechen und steckte mir im nächsten Moment die Finger in den Mund und betrachtete doch tatsächlich meine Zähne.
„Oh, du pflegst sie aber wirklich gut. Zahnseide würde aber ab und zu nicht schaden...du hattest ja eine Zahnspange!"
Hilfe, die Zahnfee will sich mit meinem Zahnarzt zusammen tun!
'Lass ihr doch kurz ihren Spaß, immerhin hat sie mit Sandy zusammen die ganze Zeit auf dich aufgepasst...'
Wie lange war ich den weg?
'Drei Tage lang. Ich bin nur froh, dass du endlich wieder wach geworden bist, mein kleiner Dunkelstern.'
Ich freu mich auch, seufzte ich in Gedanken und endlich bekam ich meinen Mund wieder zurück.
„Ich bin übrigens die Zahnfee, einige nennen mich Fee und andere Toothiana", meinte sie und ich lächelte sie jetzt leicht an.
So war sie mir gleich sympathischer.
„Andreja, oder Dreja", entgegnete ich und sie nickte lächelnd.
„Das hat uns Jack schon erzählt. Aber sag mal, stimmt es was Sandy gesagt hat – du hast ihn mit deinem Angriff kampfunfähig gemacht?"
Mein Blick glitt kurz noch etwas weiter nach hinten, wo Sandy mit einem unschuldigen Grinsen an die Decke starrte und Däumchen drehte.
Ich musste ebenfalls grinsen und nickte.
„Wir werden zwar keine Freunde mehr, aber das hat sich gelohnt", meinte ich und ich sah ihr an, dass sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie jetzt ebenfalls lachen oder bestürzt sein sollte. Ich kannte diesen Blick von anderen...
„Wenn er dein Freund ist, dann werde ich mich zurück halten ihn noch einmal so zu demütigen", lächelte ich ehrlich und jetzt begann sie doch noch zu lachen.
„Ist schon gut...Jack ist so ein guter Hüter und Freund, aber manchmal benötigt er so etwas um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Ich bin nur froh, dass ich es nicht machen musste", kicherte sie und ich versuchte mich Aufzurichten, stütze mich dabei mit den Ellenbogen ab.
Leider wurde mir durch das lange Liegen schwindelig und ich kniff die Augen zusammen. Im nächsten Moment lag jedoch eine Hand auf meinem Rücken und half mir – Toothiana.
Und natürlich Shadow, die sekundenschnell auf ihre Originale Größe gewachsen war und mir mit ihrem Schädel den nötigen Schwung gab.
„Danke ihr zwei", murmelte ich und war gleichzeitig sauer darauf, dass ich auf Hilfe angewiesen war.
'Das mindeste was wir tun können. Immerhin hab ich meine Aufgabe auf dich aufzupassen vernachlässigt', seufzte Shadow und ich streichelte sie sanft.
„Du hast nichts falsch gemacht, wie oft soll ich das noch sagen?", schnaubte ich und nun kam auch Sandy zu uns, nickte dem Alptraumpferd zu.
Verwundert sah ihn von einem zum anderen.
„Ihr redet miteinander?"
Beide sahen sich kurz an und dann zur Seite.
Ich musste lachen, richtig lachen.
„So viel also zum Thema du hast solche Panik vor den Hütern! Da bin ich mal drei Tage lang nicht bei Bewusstsein und schon bist du mit deinem angeblich größten Feind befreundet!"
Das Pferd schnaubte, trat unruhig von einem Fuß zum andern.
'Es ist einfach so passiert, immerhin hat er mich als erster nicht mehr angegriffen, hat sich für uns eingesetzt....'
Ich bekam mich wieder in den Griff, streichelte meine älteste Freundin und lächelte Sandy zu.
„Ich kann dich aber sehr gut verstehen...Die beiden muss man einfach mögen", flüsterte ich ihr zu, doch Sandy schien mich dennoch verstanden zu haben, denn er wurde plötzlich leicht rot und sah zur Seite.
Shadow lachte leise, nickte zustimmend.
Unsicher kam Toothie – so würde ich sie nennen, war etwas kürzer als Toothiana – auf uns zu und betrachtete Shadow.
„Ich hatte noch nie mit so einem Alptraum zu tun...wäre es vielleicht möglich wenn ich..."
Sie warf zuerst Sandy einen fragenden Blick zu und danach mir.
Der Sandmann ließ einige Symbole erscheinen, die vermutlich so viel sagten, wie das keine Gefahr bestehen würde und ich hob die Hände.
„Das muss sie selbst entscheiden", wehrte ich ab und die Fee nickte, erwiderte unsicher den Blick des Alptraumes.
„Dürfte ich dich..."
Weiter kam sie nicht, denn Shadow trat einfach einen Schritt nach vorne und drückte ihre Schnauze gegen die leicht ausgestreckte Hand. Wir beide hatten die Augen kurzzeitig geschlossen, hofften, dass nichts geschehen würde.
Zu unserem Glück behielt Sandy recht und Shadow blieb so wie sie war.
Ungläubig fuhr die Zahnfee durch den weichen Sand und lächelte uns dann an.
„Wie ist so etwas nur möglich?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah mich dann in dem Raum etwas genauer um. Er war groß, beinhaltete neben dem Bett noch einen großen Schrank und eine gewaltige Fensterfront von der aus man in eine unwirkliche Schneelandschaft blicken konnte.
Alles war mit warmen Holz ausgekleidet und leicht weihnachtlich dekoriert – wie man es sich vom Wohnort des Weihnachtsmannes gedacht hatte.
Das Bett war groß, viel zu groß für mich, aber flauschig und weich. Auf der Kuscheligen Bettdecke waren Rentiere abgebildet und das Kissen war ungefähr so groß, wie mein halber Körper. Perfekt um es in den Rücken zu stopfen, damit ich mich langsam ans „normale" sitzen gewöhnte.
Als mir Shadow und Toothiana endlich in eine bequeme Position geholfen hatten, tippte Sandy der Fee kurz auf die Schulter, lies irgendwelche Symbole erscheinen, lächelte mir zu. Dann verließ er das Zimmer und ich runzelte die Stirn.
„Was hat er gesagt?"
'Er möchte Nord Bescheid geben, dass du wieder wach geworden bist. Immerhin hast du drei Tage lang geschlafen, du musst auch endlich wieder was essen', antwortete Shadow und die Zahnfee sah von einem zum anderen.
„Hat sie dir übersetzt?"
Ich nickte und ihre Augen wurden noch größer.
„Wie kommuniziert ihr eigentlich?"
„Nun, manchmal muss ich mir nur etwas denken, aber meistens sag ich es einfach. Sie antwortet mir dann durch Telepathie", antwortete ich.
„Sie?"
„Shadow, ihr Name ist Shadow."
„Sehr passend", grinste sie und ließ sich dann am Rand meines Bettes nieder.
„Und, du – ich darf dich doch duzen, oder? – du bist mit Jack Frost zusammen?"
Sofort sah sie zu Boden und verschränkte die Füße, konnte ein Lächeln nicht zurück halten. Ich grinste ebenfalls und Shadow schrumpfte wieder, machte es sich in meinen Armen bequem.
„Ich hab es mir gedacht...Komm schon, wie ist es dazu gekommen?"
„Nun, wir haben uns kennen gelernt, als er zum Hüter berufen wurde. Ich kannte ihn davor schon – jedenfalls seine Zähne", begann sie zu erzählen und in ihr Gesicht trat der gleiche Schwärmende Ausdruck, den ich schon von ein paar meiner Freundinnen kannte.
„Er hat dann geholfen, dass die Kinder wieder an mich und die anderen glaubten, hat sich Pitch alleine in den Weg gestellt. Er war so mutig und freundlich...Drei Wochen nachdem Pitch besiegt war, haben wir uns zufällig in Japan getroffen, wir haben geredet und irgendwie führte dann eins zum anderen...Aber bitte sag den anderen nichts davon, wir wollen es noch für uns behalten", fügte sie noch hastig an und ich lächelte.
„Natürlich sag ich nichts, wir Frauen halten schließlich zusammen", schwor ich und wir mussten beide Lachen.
'Und was ist mit mir?'
„Du gehörst auch dazu", kicherte ich und kraulte sie hinter den Ohren.
„Natürlich Shadow, aber ich würde auch dich bitten, es für dich zu behalten", meinte Fee und das Alptraumpferd nickte schnaubend, lachte in meinen Gedanken.
Im nächsten Moment klopfte es an die Tür und ein richtiger Hüne betrat den Raum. Er war mindestens einen Meter größer als ich und wirklich gewaltig. Der Schrank im Zimmer wirkte neben ihm schmal – aber er war jetzt nicht fett. Es war eher alles Muskelmasse. Er trug eine graue Stoffhose mit einem breiten gemusterten Gürtel. In die Hose hatte er seinen roten Pullover gestopft und die Ärmel hatte er hochgekrempelt. So konnte ich gut die beiden Tattoos auf dem Linken – „Nice" – und auf dem rechten Arm – „Naughty" – erkennen. Sein freundliches Gesicht wurde von langen weißen Bart- und Kopfhaaren umrahmt. Nur die schwarzen Augenbrauen ließen darauf schließen, dass seine Haarpracht früher schwarz war. Seine Augen funkelten in einem hellen Blau und als er eintrat breitete er erfreut die Arme aus.
„Unser Gast ist endlich wieder wach!", rief er mit einem sehr starken russischen Akzent aus und stellte sich an die Seite des Bettes.
„Wie gehen es dir?", fragte er freundlich und jetzt erst konnte ich Sandy sehen, der ebenfalls wieder das Zimmer betreten hatte. Neben dem russischen Hünen wirkte er mehr als klein.
„Mir ist etwas schwindlig und der Fuß tut weh, aber sonst geht es mir gut. Vielen Dank überhaupt dafür, dass ich hier sein darf", meinte ich ehrlich und er lachte.
„Ist PallePille! Sandy sagte du brauchst Hilfe, also kriegst du Hilfe, machen wir doch gerne", lachte er und Sanderson streckte die Daumen zustimmend in die Luft.
Ich wollte soeben wieder etwas sagen, als sich unglücklicherweise mein Magen meldete. Und das war leider nicht zu überhören.
Beschämt zuckte ich zusammen und der Weihnachtsmann lächelte wissend.
„Da hat wohl jemand länger nicht gegessen", grinste er und ich nickte zaghaft.
Warum kam ich mir in seiner Nähe wie ein kleines Kind vor?
„Dann werden wir sehen, was neue Küche zu bieten hat. Du bleiben aber schön liegen", meinte er und wandte sich wieder der Tür zu.
„Sandy, kommst du bitte mit?"
Der kleine Mann sah uns kurz verwirrt an, dann zuckte er mit den Schultern und folgte Nord aus dem Zimmer.

Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt