Die Hüter des Lichts - Shadow and Light

Kapitel 20

Er drehte bereits die vierte Runde über der kleinen Lichtung, als Sandy langsam klar wurde, dass etwas geschehen sein musste.
Andreja hatte den Wildwechsel vor ihm erreicht, folglich hätte sie auch schon vor ihm hier sein müssen. Aber wo war sie dann?
Ein ungutes Gefühl beschlich Sanderson und er brachte sein Flugzeug in einen stetigen Sinkflug, näherte sich dem Boden über den die Finsternis kroch.
Sie waberte aus dem Schatten der Bäume, bewegte sich, war lebendig.
Im letzten Moment zog er das Flugzeug wieder in die Höhe und der Angriff der Alptraumpferde ging ins Leere.
Pitch war tatsächlich wieder zurück und seine Alpträume schienen angriffslustiger als je zuvor, versuchten sie ja erneut an ihn heran zu kommen.
Andreja...er musste sich die junge Frau geschnappt haben, als sie den Wildwechsel betreten hatte.
Er hätte sich die Haare raufen können.
Es war seine Schuld!
Als sie ihm gesagt hatte, dass der Alptraumkönig sie abgefangen hatte, hätte er direkt an ihrer Seite bleiben sollten.
Er hätte, er hätte...
Die kleine Zahnfee piepte ihn fragend an, doch er hatte keine Lust zu reden.
Sanderson war wütend - auf sich, auf Pitch...
Was hatte er dieses Mal nur vor?
Er setzte den Kurs zum Zahnpalast und die kleine Fee auf seiner Schulter schien sich etwas zu entspannen. Anscheinend hatte sie Angst gehabt, er würde es vergessen.
Was wohl vorgefallen war?
Wenn tatsächlich Pitch dahinter steckte, konnte es alles Mögliche sein. Er hatte sich Rache geschworen, er war sauer auf sie und ohne Skrupel würde er tun, was er für nötig hielt.
Ein klammes Gefühl breitete sich in ihm aus, als er daran dachte, was er durchgemacht hatte. Die Isolation in schwarzen Alpträumen, den Verlust von Existenz und Macht - ein Bewusstsein, dazu verdammt seine Umwelt war zu nehmen und nicht reagieren zu können. Kein Gefühl, nur sein und auch doch wieder nicht.
Energisch schüttelte er den Kopf, verscheuchte Erinnerungen und Gedanken an diese Zeit.
Es galt sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren, zu handeln, nicht in der Vergangenheit zu hängen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erhob sich endlich der Zahnpalast vor ihm und als er zwischen den filigranen Türmen, Säulen und Plateaus manövrierte, musste er feststellen, dass er der Letzte war, der ankam.
Auf einer Plattform standen sie alle zusammen - Nord, Hase und Jack Frost, welcher von Fee gestützt wurde.
„Wo bleiben du so lange?", brummte Nord, als er langsam auf die Gruppe zu schwebte und er konnte sich einen giftigen Seitenblick nicht verkneifen, bevor er antwortete.
„Du meinst, Pitch hat Andreja entführt?"
Er nickte und der Hase richtete sich angriffslustig auf, hatte er die junge Frau ja ebenfalls gern.
„Alpträume haben uns angegriffen. Vier Stück und sie waren stärker als ihre Vorgänger", antwortete Jack und löste sich sanft aus Toothianas Armen, fand sein Gleichgewicht alleine wieder.
„Sie haben keine Feen entführt, keine Zahnschatullen mitgenommen, nichts zerstört. Ich kann es mir einfach nicht erklären", seufzte Fee und warf immer wieder besorgte Blicke zu ihrem Freund.
Wann würde sie es endlich öffentlich zugeben?
„Was werden wir jetzt unternehmen? Immerhin ist es Pitch Black um den es hier geht und um Andreja. Er kann alles Mögliche mit ihr machen", knurrte der Hase und Sandy war gespannt was seine anderen Mithüter dazu sagen würden.
Doch sie kamen nicht dazu, denn ein ihnen nur allzu bekanntes Lachen hallte durch den Zahnpalast, verdoppelte sich an den Wänden und schallte nur umso lauter zurück.
Im nächsten Moment lehnte er an einer der höher gelegenen Plattformen, die Arme vor der Brust gekreuzt und grinste zu ihnen herunter.
Sandy hätte es für ein Déjà-vu halten können, wäre Pitch Black nicht so unglaublich mager gewesen und seine Haut nicht von dunklen Flecken entstellt.
Aber sie schienen bereits zu verheilen, wenn man von seinem Selbstsicheren Auftreten ausging.
„Wie schön euch alle wieder zu sehen", meinte er und zog gleichzeitig eine Augenbraue hoch.
„Nun, dieses Mal wird einiges anders laufen, aber das werdet ihr garantiert schon bemerkt haben. Das hier war mein erster Streich, ein kleiner Vorgeschmack für kommende Ereignisse..."
Er stieß sich von der Säule des Plateaus ab, kam langsam an die Kante und sah auf sie hinunter, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
„Ich habe meinen Fehler gefunden und werde ihn so schnell nicht wieder begehen. Aber es wird mir eine Freude sein, zuzusehen, wie ihr damit zurecht kommt, an vielen Stellen gleichzeitig beschäftig zu sein..."
Wie um seine Aussage zu unterstreichen öffnete sich eines von Nords Portalen und ein zerzauster Yeti stolperte heraus, wild gestikulierend und rufend.
Und auch einer der Tunnel öffnete sich, zwei kleine Eier des Hasen enthaltend.
„Ich denke mal, ihr solltet euch beeilen. Inzwischen werde ich mich mal ein wenig mit eurer kleinen Freundin unterhalten...Ich wünsche viel Spaß", fügte er noch diabolisch grinsend hinzu, dann verschwand Pitch wieder in der Dunkelheit und ließ das Chaos zurück.
Nord und Hase sprangen jeweils in ihr Portal oder ihren Tunnel, während Sandy nervös die Hände knetete.
Wohin sollte er nur gehen?
Jack musste bei Fee bleiben, das war klar, aber wer würde eher Hilfe brauchen - Nord oder der Hase?
„Geh zu Nord, der Pol ist nicht so weitläufig wie der Bau", meinte Jack der seine Misere bemerkt hatte, doch Sandy war sich noch nicht sicher.
Nord hatte seine Yetis, doch Hase war mit seinen Steineiern relativ alleine...
„Der Kristall - er wird es auf den Kristall abgesehen haben, damit Mandy uns nicht wieder Hilfe schicken kann", fiel Fee ein und alle mussten ihr Recht geben.
„Aber beeil dich, sonst ist es vielleicht zu spät", meinte Jack, als er sich in seinem Flieger niederließ und als sie nicht hinsahen, verdrehte er die Augen.
Sie hatten ja Recht, aber er dachte nicht nur an Nord und den Hasen...
Halt durch Dreja...