Kapitel 3

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Da es Samstag war stand ich ziemlich spät auf, stellte aber zu meiner Freude fest, dass Shadow noch immer an meiner Seite war.
Ich hatte das Alptraumpferd fest ins Herz geschlossen und konnte mir gar nicht vorstellen, wie es ohne sie wäre. Andere hatten Haustiere, allerbeste Freundinnen und ich hatte einen Alptraum...
Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht als ich mich streckte und dann vorsichtig aufstand, damit ich das schlafende Pferd nicht weckte.
Meine Eltern wären heute nicht da, hieß, ich hatte den ganzen Tag frei. Immerhin etwas.
Ich schlüpfte kurz ins obere Bad – Zähneputzen und so.
Als ich wieder in mein Zimmer kam, schlief Shadow noch immer und so schnappte ich mir einfach eine schwarze Jogginghose, ein gleichfarbiges Top, Unterwäsche und eine schon leicht ausgewaschene schwarze Stoffjacke.
Anziehen konnte ich mich auch im unteren Badezimmer, nachdem ich kurz unter der Dusche war. Oben hatten wir nämlich nur die Badewanne.
Ich lehnte die Tür meines Zimmers nur an und ging die Treppe hinunter, zweite Tür rechts im Gang hinein und ließ meine frische Wäsche auf einen kleinen Tisch fallen, dann zog ich den Schlafanzug aus und drehte den Wasserhahn auf.
Eigentlich war ich – das muss ich zugeben – ein Warmduscher, doch in der Früh konnte es auch mal kühler sein. Irgendwie musste ich ja wach werden.
Während ich unter der Dusche stand musste ich daran denken, worüber wir gestern kurz geredet hatten. Über die Hüter, den schwarzen Mann und meine Langeweile.
Als ich sie damals kennengelernt hatte, war ich allein gewesen. Ich hatte Angst und plötzlich war da dieses unheimliche Pferd aus schwarzem Sand in meinem Zimmer.
Ich hatte nicht sagen können, wer von uns nun mehr Angst hatte, sie oder ich.
Aber dadurch, dass wir beide die Schwäche des anderen sahen, machte es uns plötzlich nichts mehr aus. Wir hatten keine Angst mehr voreinander und sie verschwand nach kurzem zögern.
Neugierig wie ich damals war folgte ich ihr und wir freundeten uns tatsächlich an.
Jede Nacht kam sie daraufhin und wir unterhielten uns. Sie erzählte mir von den Hütern des Lichts, wie sie so waren und was sie beschützen, aber sie berichtete auch von Pitch Black, dem gefallenen König der Alpträume und je mehr sie mir erzählte, desto mehr verlor ich die Angst vor ihm.
Gesehen jedoch habe ich ihn noch nie, keinen von ihnen.
Und das ging mir auf die Nerven.
Ich wusste, dass dort draußen der Sandmann, der Weihnachtsmann, der Osterhase, die Zahnfee, Jack Frost und der schwarze Mann waren – wodurch ich mich auch von anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterschied. Niemand in meinem Alter könnte sie sehen, doch ich tat es und bekam sie dennoch nicht zu Gesicht.
Stadtessen ging ich in die Schule und schlug mich mit den Lehrern rum...
Inzwischen war die Seife aus meinen Haaren wieder rausgewaschen, ich drehte den Hahn zu, verließ die Dusche und begann mich abzutrocknen.
Wann würde etwas passieren, dass mein Leben auf den Kopf stellen würde?
Immerhin war ich alt genug für Veränderungen!
Seufzend zog ich mich an, föhnte meine langen dunkelblonden Haare etwas an, massierte mir kurz die Schläfen und schlenderte dann in die Küche, wo bereits Shadow auf mich wartete.
'Guten Morgen!'
„Dir auch", gab ich leicht lächelnd zurück, füllte den Wasserkocher auf, schaltete ihn an und richtete mir dann eine Teetasse her.
'Hast du für heute etwas geplant?'
Ich schüttelte den Kopf, kraulte kurz ihre Ohren und starrte dann in den Kühlschrank. Wie immer die Qual der Wahl...
„Hättest du dir was ausgedacht?", fragte ich und sie schnaubte kurz, schüttelte jedoch den Kopf.
'Ich hätte mir gerne angesehen, was du so machst, wenn ich nicht da bin', meinte sie und ich griff nach der Butter, dem Salz und einer Scheibe Brot.
Ein kleines Frühstück, aber mir reichte es.
„Normalerweise mach ich nicht viel...ich schreib ein paar Geschichten, lese und räum das Haus etwas auf", entgegnete ich, schnappte mir mein Essen und ließ mich auf die schwarze Ledercouch im Wohnzimmer fallen.
Sie folgte langsam, blieb neben mir stehen.
'Können wir vielleicht auch einen Spaziergang machen, so wie früher?'
Ich lächelte, als ich daran dachte, wie ich immer versucht hatte, das schwarze Pferd zu fangen.
„Solange das Wetter so schön bleibt wie jetzt, sehr gerne", grinste ich und sie rieb ihre Schnauze an mir.
„Davor müssen wir jedoch das Haus noch auf Vordermann bringen...."
Was sich als schwieriger herausstellte wie gedacht.
Beim Aus- und Einräumen des Geschirrspülers reichte sie mir die Plastiksachen, warf dabei jedoch einen Teller von der Küchenzeile. Der Staubsauger erwies sich als sehr gefährlich, da Shadow an ihm schnüffelte, ihn umwarf und dann zu einem Teil eingesaugt wurde. Zum Glück hatten wir keinen Beutelsauger mehr und so kippte ich einfach den ganzen Dreck auf den Boden und sie holte sich die verlorene Ladung Alptraumsand zurück. Immerhin gab es keine Probleme mit dem Bügeleisen.
Als wir dann doch endlich fertig waren, schmerzte mir der Bauch vom vielen Lachen und sie wirkte etwas überfordert.
'Und du willst wirklich weiterhin in einer so gefährlichen Umgebung wohnen? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Was wenn dir dieses Bügeleisen beim ausstecken einmal auf den Kopf fällt?'
Ich musste mich bei diesen Bemerkungen zusammen reißen um nicht noch lauter zu lachen, als ich es eh schon tat.
Immerhin meinte sie es ja nur gut mit mir.
„Wenn das passiert, dann werde ich die Statistik erfüllen – immerhin passieren die meisten tödlichen Unfälle im Haushalt", grinste ich und sie sah mich ziemlich geschockt an.
„Mach dir keine Sorgen, ich komm damit schon klar. Für mich ist das alles nicht so gefährlich", meinte ich und streichelte sie, wobei sich schwarzer Sand löste und etwas weiter weg von meiner Hand wieder in die Gestalt floss.
Sie lehnte ihren Kopf an mich und schubste mich dann an.
'Gehen wir jetzt noch raus?'
„Natürlich", grinste ich und zog mir meine Turnschuhe an.
Erfreut sprang sie wie ein junges Fohlen kurz in die Luft, bevor sie an meiner Seite stand und wir das Haus verließen, Richtung Wald schlenderten.
Die Sonne schien warm auf uns hinunter und ich ließ mich von der guten Laune des Alptraumes anstecken, ließ mich zum Fangenspiel überreden.
Sie preschte vorne weg, zog feine schlieren an schwarzem Sand hinter sich her, während ich ihr rennend folgte, das leichte Seitenstechen ignorierte.
'Jetzt fang mich schon! Du warst doch früher immer schneller', neckte sie mich und ich atmete noch einmal tief durch, beschleunigte meinen Lauf.
Ich sah sie vor mir, wie sie auf unsere Lichtung zuhielt. Leider übersah ich eine der hohen Wurzeln, blieb hängen und schlug der Länge nach hin.
Fluchend rappelte ich mich wieder auf, betrachtete die brennenden Schürfwunden an den Händen und ignorierte das Stechen in meinem rechten Fußgelenk.
Laufen konnte ich dennoch nicht mehr richtig.
Langsam setzte ich meinen Weg fort, als ich sie hörte – ihr panisches Wiehern durchbrach die Stille des Waldes.
Sofort war ich wieder bei Kräften, schob den Schmerz in das hinterste Eck meines Kopfes und hastete los. Es gab nur eine Erklärung für die Panik Shadows – die Hüter.
Als ich die Lichtung erreichte stand sie zwei Gestalten gegenüber, einem kleinen goldenen Mann mit freundlichem Gesicht, sowie einem ungefähr sechszehn Jahre alten Jungen mit weißen Haaren und Holzstab in der Hand.
Es waren tatsächlich die Hüter!
Ich überlegte nicht lange und rannte auf die Lichtung, rammte den Jungen im blauen Hoodie und der kurzen Hose, so dass wir beide zu Boden gingen.
Endlich hatte ich mein Abenteuer!



Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt