Kapitel 37

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Ich verließ die Dusche und wickelte mich schnell in mein großes Handtuch, versuchte der Kälte so gut wie möglich zu entgehen.
Zu der Melodie von „Dance like the Devil" summend schloss ich den großen Föhn an und schüttelte dann meine Haare wie ein nasser Hund.
Je weniger Wasser festhing, desto schneller waren sie trocken und desto schneller konnte ich mich auf die Couch verziehen.
Jedenfalls so lange, bis Sandy mich wieder abholen würde.
„Hat ziemlich lange gedauert, bist du wieder hier her gekommen bist. Ich dachte, du wolltest unbedingt wieder nach Hause?", kam es plötzlich hinter mir und vor lauter Schreck ließ ich auch noch das Handtuch fallen.
Verdammte Scheiße!
Hastig hob ich es auf und wickelte mich wieder ein, bevor ich mich zu meinem Gast umwandte.
„Musste das jetzt sein?", zischte ich ihn an, bemerkte das schelmische Grinsen in seinem Gesicht.
„Wie lange stehst du da jetzt schon?"
„Was glaubst du?"
„Spanner", brummte ich und er kicherte kurz leise.
„Ich bin vielleicht vieles, aber das garantiert nicht", entgegnete er leise und ungehalten schaltete ich die Playlist ab.
„Was willst du hier?"
„Ich wollte nur sehen, ob du auch wirklich da angekommen bist, wo du hingehörst", antwortete er und kam dabei langsam auf mich zu. Zuerst wich ich noch zurück, doch die Wand stoppte meinen Rückzug.
Als er dicht vor mir stand, beugte er sich zu mir herunter und als sein warmer Atem meine Wange streifte bekam ich eine Gänsehaut.
„Nur weil ich dich frei gelassen habe, heißt das noch lange nicht, dass ich dich gehen lasse", flüsterte er mir ins Ohr und aus dem Augenwinkel konnte ich sein Grinsen erahnen.
Waren wir uns überhaupt schon einmal so nah gewesen?
Als er sich wieder aufrichtete blitzen seine Gold-silbernen Augen herausfordernd, doch ich war viel zur sehr mit dem Fakt beschäftigt, dass ich unter meinem Handtuch nichts, aber auch wirklich gar nichts, anhatte.
„Ich würde dir raten, deinen Schatten im Blick zu behalten", murmelte er mir noch zu, dann verschwand er so schnell, wie er gekommen war.
Erst jetzt bemerkte ich, wie hektisch meine Atmung ging und wie schnell mir das Herz gegen die Rippen schlug.
Etwas durcheinander föhnte ich mir meine Haare, ging in mein Zimmer um mir etwas anzuziehen - aufgrund der warmen Temperaturen entschied ich mich für eine knielange Jeans und ein Top mit aufgedrucktem Drachen.
Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, dass Shadow auf unserer großen Terrasse lag und dort auf mich wartete.
Dann eben doch nicht auf die Couch...
Was wollte Pitch?
Ich stutzte kurz, wurde mir aber dann bewusst, dass sie selten etwas nicht mitbekam.
„Er wollte mich nur erschrecken", meinte ich und ließ mich neben ihr nieder.
Nur erschrecken...
„Also gut, er hat gemeint, dass auch wenn er mich frei gelassen hat, würde er mich nicht gehen lassen", gab ich zu, hatte ich auch nicht die Lust jetzt mit ihr zu diskutieren.
Dass sie jedoch daraufhin schwieg, hatte ich mir nicht gedacht.
Ich fand es aber auch nicht schlimm, lehnte mich zurück und schloss die Augen, lauschte in die Nacht. Irgendwo in der Ferne schrie eine Eule.
Zuerst genoss ich die Stille, doch mit jeder verstrichen Minute wartete ich mehr darauf, fließende Schritte hinter mir zu hören, die aus dem Nichts erschienen.
Ich richtete mich wieder auf und starrte in die Dunkelheit, wollte herausfinden, ob ich nicht eine Gestalt darin ausmachen konnte.
Wie lange willst du jetzt da hin starren?
„Solange bis er wiederkommt!", antwortete ich kurzentschlossen und sie schnaubte amüsiert.
Du magst ihn, stellte sie fest und ich legte den Kopf schief.
„Möglich", räumte ich ein und starrte weiter in den Schatten. Irgendwann würde Pitch schon wieder kommen, das war ebenso sicher wie die Tatsache, dass am Morgen die Sonne aufging.
Selbst wenn er es sich nicht eingestehen wird, aber ich denke, dass er dich auch mag.
Ich verschwieg ihr lieber, dass mein Herz gerade für kurze Zeit aussetze.
Warum auch ausgerechnet er?
„Niemand wird ohne Grund so wie er oder die Hüter, stimmt's?"
Eigentlich nicht.
„Angst...was macht die Angst noch?"
Außer, dass sie die Menschen wimmern und schreiend alles vergessen lässt, was sie gelernt haben?
„Als Kind hatte ich noch vor so vielem Angst, vor schnellen Autos, bellenden Hunden, tiefen Abgründen, hohe Kanten, nicht einschätzbare Situationen..."
Endlich ging mir ein Licht auf.
„Angst beschützt."
Pitch beschützt, auch wenn er es vermutlich gar nicht wirklich wusste.
Du meinst, er könnte auch ein Hüter sein?
„Daran hab ich jetzt grad nicht gedacht, aber das ist möglich...", gab ich zurück und sie legte den Kopf schief.
Woran hast du dann damit gedacht?
„Das er in seinem Innersten nicht so kalt sein kann, wie er gerne auftritt. Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, dass...."
Ich denke, ich weiß was du meinst, meinte sie sanft und ich lächelte sie nervös an.
„Ein dummer Gedanke, oder?"
Ganz und gar nicht, mein kleiner Dunkelstern, murmelte sie und drückte mich mit ihrem Kopf an ihre Seite - ihre Art der Umarmung.
Die so vertraute Zweisamkeit zwischen mir und meiner ältesten Freundin, meiner Seelenverwandten, meiner älteren Schwester wurde jedoch jäh unterbrochen.
Ein gewaltiges Rauschen, dann drückte die Luft von oben zu uns nach unten auf den Boden.
Als ich den Blick in den Himmel hob, stockte mir der Atem.
Eine gewaltige schwarze geflügelte Schlange - ein Lindwurm - ließ sich zu uns herabfallen, das gigantische Maul geöffnet und die gelben geschlitzten Pupillen glühten in der Dunkelheit.
„Was zur Hölle...?", war das Einzige was ich noch hervorbrachte, bevor mich das geflügelte Vieh an den Klamotten packte und durchstartete.
Verdammter Mist...schon wieder wurde ich entführt!

Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt