Prolog

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Verlust ist ein starkes Gefühl

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Verlust ist ein starkes Gefühl. Es nimmt jede Ecke deines Seins ein und lastet so schwer, dass du glaubst, dich nicht länger auf den Beinen halten zu können. Und nach diesem Tag wusste ich, dass dieses unaufhörliche Kratzen an meiner Seele nie wieder verschwinden würde. Ich wusste es bereits, als ich das Blut sah. Wie es sich dunkel und so unpassend vom Weiß des Schnees abhob. Für einen kurzen Moment wollte ich hingehen, mit den Fingern darüber streichen und fühlen, wie warm es noch war. Doch dann rückte wieder der junge Mann in den Vordergrund und meine Aufmerksamkeit richtete sich allein auf seine ungewöhnlich dunkelvioletten Augen. Er sah mich mit solch akribischem Blick an, als wolle er sich um jeden Preis merken, wem er gerade das Leben zerstört hatte.

Seine Seele stellte ich mir genauso dunkel vor wie sein rabenschwarzes Haar. Seine markanten Züge wurden durch seinen angespannten Kiefer und das Zusammenziehen seiner Augenbrauen unterstrichen. Ich hatte schon immer ein Auge für das Schöne. Und bei Recáh, ja, er war schön. Er war schön und er hatte meinen Bruder getötet.

Nescans Leiche lag vor den Füßen des Fremden, der sich mittlerweile wieder erhoben hatte. Das Messer in der Brust meines Bruders sah so fehl am Platz aus, dass es mich förmlich dazu drängte, hinzurennen und es herauszuziehen. Doch ich tat es nicht. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich mit meinen elf Jahren einfach zu feige war und nicht in die toten Augen meines Bruders blicken wollte, oder ob ich befürchtete, dass mich das gleiche Schicksal erwarten würde, wenn ich dem Fremden in die Quere kam. Doch hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, wie sehr mich die Tatsache, dass ich es nicht getan hatte, dass ich nicht zu Nescan hingegangen war und dass ich mich nicht verabschiedet hatte, noch viele Jahre später quälen würde, dann hätte ich mich anders entschieden. Dann hätte ich mich nicht umgedreht, wäre nicht um mein Leben gerannt.

Einige Stunden später ging ich wieder zurück, doch Nescan war weg. Und das Letzte, was ich für ihn getan hatte, war es, ihn im Stich zu lassen.

Verlust ist ein schreckliches Gefühl. Doch verbunden mit Schuld ist es kaum auszuhalten.

Riscéa - Schuld und LügeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt