Epilog

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Argmis hatte es sich in dem Sessel nahe des Kamins gemütlich gemacht

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Argmis hatte es sich in dem Sessel nahe des Kamins gemütlich gemacht. Vor einigen Tagen hatte es zum ersten Mal geschneit und die weißen Flocken, die nun das Land bedeckten, hatten die kälteste Zeit des Jahres eingeläutet. Der Winter hatte schon immer etwas Einschüchterndes an sich gehabt, fand Argmis.

„Du hast meine Tochter auspeitschen lassen?", fragte der Mann im Sessel gegenüber nun schon zum zweiten Mal. Er war nicht aufgebracht – jedenfalls nicht augenscheinlich –, aber sein Ton machte bereits mehr als deutlich, was er von der Sache hielt.

„Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Sie hat Afaynnors Tochter aus meinem Verlies befreit. Hätte ich das ignorieren müssen?", rechtfertigte Argmis sich, weil er das Gefühl hatte, das zu müssen. Immerhin verband den schon grauhaarigen Magier und ihn eine lange Freundschaft und das Letzte, was er wollte, war es, ihn zu verärgern.

„Ich habe sie in deine Obhut gegeben, um sie zu schützen. Nicht, damit du sie folterst."

„Yathon", erwiderte Argmis beschwichtigend, „ihr ist nichts passiert. Sie musste noch nicht einmal die ganze Strafe durchstehen. Es gab eine ... Unterbrechung."

Yathon runzelte die Stirn. „Unterbrechung?"

„Mein Sohn hat den Verstand verloren. Er kam rein, hat sie als seine Verlobte bezeichnet und sie dann mitgenommen."

Der Magier öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber schloss ihn dann wieder. So, als hätte er sich entschieden, noch einmal über seine Worte nachzudenken.

„Du willst mir also sagen, dass der Mann, den wir von Allyra fernhalten wollten, nun ihr Verlobter ist? Das willst du mir sagen?" Unglaube spiegelte sich in Yathons Blick, aber Argmis nickte nur. Er wusste doch auch nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Aber er hatte nichts dagegen tun können – wenn der Prinz behauptete, dass diese Frau seine Verlobte war und dann auch noch einen Zeugen mitbrachte, wäre es ein unkluger Zug, ihm das Recht, sie mit sich zu nehmen, zu verweigern. Nicht vor den Augen all der Leute, die anwesend gewesen waren.

„Wie konnte es so weit kommen? War etwa alles umsonst?" Nun schwang deutliche Sorge in Yathons Stimme mit. Er hatte Allyra zwar nicht aufgezogen, hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, aber er war immer noch ihr Vater.

„Nein, natürlich nicht. Wir werden dieses Problem aus der Welt schaffen. Ich werde mit Crave reden und ihn zur Vernunft bringen. Ehrlich gesagt zweifle ich mittlerweile sogar ein wenig daran, ob diese Verlobung überhaupt der Wahrheit entspricht. In den letzten Wochen haben sie sich nicht ein Mal berührt in meiner Anwesenheit. Manchmal sehen sie sich noch nicht einmal an", erzählte Argmis und zuckte nur seufzend mit den Schultern. „Es ist alles so viel komplizierter geworden."

„Du weißt, dass ich dir das nicht verzeihen werde?", entgegnete Yathon.

„Die Auspeitschung? Ja. Ja, ich weiß." Erschöpft fuhr sich der König durch sein bereits schütteres Haar und versuchte zu begreifen, wie alles so ausarten konnte. So viele Jahre schienen sie alles unter Kontrolle gehabt zu haben und dann von einem Tag auf den anderen ging alles den Bach runter.

„Dein Volk ist hinter ihr her, ist dir das klar?", fragte er dann, als er an den Grund dachte, wegen dem Allyra überhaupt erst nach Nydra gekommen war.

„Ich hoffe, diese Frage war nicht ernst gemeint", antwortete Yothan, „und ich bin nicht ihr König, ich kann ihnen nicht befehlen, einfach aufzuhören. Bei Recáh, wenn sie wüssten, dass sie meine Tochter ist ... ich glaube, das richtige Chaos hat noch gar nicht begonnen, Argmis."

„Wahrscheinlich hast du recht, mein Freund. Außerdem hat Allyra sich in letzter Zeit irgendwie verändert ... ich habe Sorge, dass sie etwas Dummes tun und sich in unnötige Gefahr begeben könnte."

Ein leises Klopfen unterbrach die beiden Männer in ihrem Gespräch und ein junger Mann betrat das Arbeitszimmer, in welches sie sich zuvor zurückgezogen hatten. Yothan hatte es vor über zwanzig Jahren eingerichtet und seitdem nichts mehr verändert. Vor allem das Porträt, welches ein kleines Mädchen – noch im Säuglingsalter – zeigte, würde er nie im Leben abhängen.

„Rhogan", begrüßte Yothan den Neuankömmling. „Was gibt es, mein Sohn?"

Mit einem kurzen Nicken begrüßte Rhogan auch Argmis, bevor er sich wieder an seinen Vater wandte.

„Ich wollte nur Bericht erstatten. Es ist alles erledigt", sagte er und wollte sich bereits wieder abwenden und gehen, als Yothan ihn noch einmal aufhielt.

„Bevor du gehst", meinte der Magier, „tu mir den Gefallen und halte Augen und Ohren offen. Wenn du irgendetwas über Allyra hören solltest-"

„Sie ist hier in der Nähe?", unterbrach Rhogan ihn, nun mit deutlich mehr Interesse und Enthusiasmus als zuvor.

„Sie ist in Nydra", erklärte Argmis an Yothans Stelle. „Aber zur Zeit kann es ziemlich gefährlich für sie werden und momentan traue ich ihr alles Mögliche zu, also wäre es vielleicht von Vorteil, etwas mehr Vorsicht walten zu lassen."

Rhogan nickte. „Ich verstehe." Einen Moment lang zögerte er noch, dann aber drehte er sich um und ging. Argmis starrte noch eine ganze Weile auf die geschlossene Tür und dachte darüber nach, was sie wohl als nächstes tun sollten. Ob sie überhaupt etwas tun konnten oder einfach nur abwarten würden.

„Ich erwische mich immer wieder bei dem Wunsch, sie endlich einmal kennenlernen zu können", flüsterte Yothan irgendwann und schüttelte lächelnd den Kopf. Auch wenn er ein Meister darin war, seine Gefühle vor anderen zu verbergen, wusste jeder, der ihn lange und gut genug kannte, dass dieser Mann an seiner Tochter hing. Denn sie war das Letzte, was ihm von seiner geliebten Frau geblieben war. 

„Eines Tages wirst du sie in die Arme schließen können", versicherte Argmis ihm und beobachtete währenddessen das Spiel des Feuers im Kamin. „Wer weiß? Vielleicht sogar früher, als du es erwartest." 

E N D E 

Riscéa - Schuld und LügeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt