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Nachdem ich etwas gegessen hatte, hatte ich mich ins Bett gelegt, die dünne Decke über mich gezogen und das Buch aufgeschlagen

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Nachdem ich etwas gegessen hatte, hatte ich mich ins Bett gelegt, die dünne Decke über mich gezogen und das Buch aufgeschlagen. Man konnte sehen, dass es schon sehr alt war, aber es war dennoch in einem einigermaßen guten Zustand. Für das Alter wahrscheinlich sogar in einem phänomenalen Zustand. Yilana hatte mir erzählt, dass nur alle dreihundert Jahre ein Mädchen mit meiner Gabe geboren wurde. Und da ich davon ausging, dass es dieses Buch nicht erst seit meiner Geburt gab, sondern auch schon seit der Geburt anderer solcher Mädchen: Ja – definitiv ein phänomenaler Zustand.

Obwohl ich mir gerne Zeit gelassen und jede einzelne Seite genaustens unter die Lupe genommen hätte, empfand ich es als gute Idee, mich zu beeilen. Wer wusste schon, ob Eathiran mir das Buch nicht doch noch wegnehmen würde, sobald er zurück war? Also fing ich an zu lesen. Ich musste mich konzentrieren, um den Text richtig verstehen zu können. Er war in altem Ocilisch verfasst worden und es dauerte eine Weile, bis ich auch wirklich alles entziffert hatte.

Alles auf der Welt hat ein Gegenstück. Einen Gegensatz, der das Gleichgewicht aufrecht erhält. Auch die Göttin Recáh, mit der Reinheit und dem Guten im Herzen, besitzt einen solchen Gegenpol: Den Gott Rhiadan, den die Schatten umgeben und das Dunkel verfolgt. Beide Götter hatten ein Kind. Riscéa war die Tochter Recáhs, Ceraes der Sohn Rhiadans. Auch diese beiden Kinder waren so gegensätzlich, dass keine Zweifel blieben: Sie setzten das Erbe ihrer Eltern fort. Doch das Schicksal hatte andere Pläne: Riscéa und Ceraes verliebten sich und gingen eine Verbindung ein, sodass jenes zeitlose Gleichgewicht aus den Fugen geriet. Als Strafe wurden beide sterblich. Doch das Leuchten Riscéas und das Dunkel Ceraes' gingen nicht verloren. Alle dreihundert Jahre werden seitdem ein Mädchen und ein Junge mit den Kräften der Götter geboren. Und sollte es jemand schaffen, beide unversehrt den Göttern wiederzubringen, wird dieser im Gegenzug mit einer unvergleichlichen Macht belohnt. Doch sollte nur eines der Kinder zurückkehren, so wird der Zorn des Gottes, dessen Kind verloren bleibt, den wiedergekehrten Erben treffen und ihn töten.

Ich legte das Buch ab und starrte auf die hölzerne Decke über mir. Es gab nicht nur mich. Nicht nur die Gabe der Riscéa. Irgendwo musste es einen Mann geben, der die Gabe des Ceraes in sich trug. Und nun wurde mir auch klar, warum Thoan ein solches Interesse an mir hatte. Er wollte diese Macht, von der das Buch sprach, diese unvergleichliche Macht. Und ich war das Mittel zum Zweck. Aber wusste er denn, dass ich sterben würde, sollte er nur mich zurückbringen? Wo auch immer dieser Ort sein würde, an dem ich den Göttern übergeben werden sollte. Hatte er vielleicht den Erben Ceraes' bereits gefunden? Irgendetwas musste dem Glyth noch gefehlt haben, sonst hätte er mich schon längst den Göttern überlassen, da war ich mir sicher. Die Frage war nur: Was genau fehlte ihm? Ein Stechen ging durch meine Brust und ich wusste, dass es Enttäuschung war, die ich verspürte. Eine Zeit lang hatte ich tatsächlich geglaubt, er würde mir einfach nur helfen und ein Zuhause geben wollen. Ich hatte mich geirrt. Und die anderen Glyth...sie mussten davon gewusst haben. Natürlich wussten sie davon. Und keiner von ihnen hatte auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren, dass ich geopfert werden sollte. Selbst Kirani nicht.

Riscéa - Schuld und LügeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt