Teil4

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Kaum zurück im Hostel, versuchte Alec Gwen zu erreichen, aber sie ging nicht ran. Sie war vielleicht in ihrem Büro in der City und hatte ihr Handy lautlos. Oder sie war noch immer nicht bereit, seinen Trip nach Island zu akzeptieren und wollte ihn zappeln lassen. Was auch immer, er hätte wirklich gern mit ihr geredet. Stattdessen hatte er drei Anrufe vom National Geographic. Wahrscheinlich wollten die wissen, wie er vorankam. Das war jetzt auch nicht das, was er brauchte. Er wollte erstmal unter die Dusche. Im Bad blieb er vorm Spiegel stehen und betrachtete sein Gesicht. Das war sein Gesicht, aber irgendwie kam es ihm vor, als würde ihn ein Fremder aus dem Spiegel anstarren. „Wer bist du?", fragte er sein Spiegelbild. Es kam keine Antwort, natürlich nicht, aber es kam ihm so vor, als wäre es dennoch keine dumme Frage gewesen. Was, wenn nicht der andere Mann ein Fremder war, sondern er selbst? Er musste ihn finden und herausfinden wer er war und was sie miteinander verband oder auch nicht. Aber wie konnte er etwas über den Mann erfahren? Kell Jonson, der Fotograph hatte keine E-Mail-Adresse und keine Telefonnummer angegeben. Leider. Die Adresse war nicht aus Reykjavik, sondern irgendwo auf der Insel in einem Ort namens Höfn. Er würde dort hinfahren. Wenn der Fotograph ihn sah, würde er seine Neugier sicher verstehen. Hallo, ich bin Alec aus London und war hier rein zufällig in der Gegend... Alec stieg aus der Dusche und fühlte sich ein wenig besser. Immerhin hatte er jetzt sowas wie einen Plan. Er zog sich an, packte schnell ein paar Sachen zusammen, die er für ein oder zwei Tage brauchen würde und stopfte sie in den Jutebeutel. Den Ausstellungskatalog nahm er unter den Arm und hängte sich seine Kameratasche um.

Mit der Absicht sich bei der Rezeption noch ein paar Kekse zu klauen, bevor er sich einen Mietwagen besorgte, machte er sich zurück auf den Weg nach unten. Jon war entweder immer oder schon wieder da und brachte gerade zwei Isländern ihren Kaffee. Als er Alec an der Rezeption sah, kam er zu ihm. „Du siehst gar nicht gut aus", bemerkte Jon, „was kann ich für dich tun?"

„Ich muss für ein oder zwei Tage weg. Das Zimmer will ich aber behalten."

„Geht klar. Warum auf einmal so eilig?"

Alec hatte keine Lust, von seinem Erlebnis zu berichten, wollte aber auch nicht lügen. „Ich muss jemanden finden. Es ist wichtig."

„Wen suchst du denn?"

„Einen Fotografen. Weißt du, wie weit es bis Höfn ist?" Natürlich wusste Jon das. Am Fuß des größten Gletschers Islands gab es ein kleines Fischerstädtchen und ein Freund von einem Freund hatte da letztes Jahr ein Haus gekauft. Wunderschöne Gegend und nach ein paar Stunden auf der Ring Road wäre man da. Damit verschwand Jon und kümmerte sich wieder um die anderen Gäste. „Du redest nicht viel, oder?", sprach ihn plötzlich jemand von hinten an. Alec fuhr herum. Da stand Freyja, keine Ahnung, wann sie gekommen war. „Und schreckhaft bist du auch", fand sie.

„Schleichst du dich immer so an?", wollte er wissen.

„Nur, wenn es sich lohnt", sagte sie leise aber mit einem Lächeln, das seine Laune tatsächlich sofort verbesserte. „Was ist geschehen? Und ich will etwas mehr Information als Jon."

Alec nickte und legte den Katalog auf den Tresen. Dann schlug er die Seite mit seinem Doppelgänger auf. Freyja betrachtete ihn und das Foto eine Weile nachdenklich, ehe sie ihre Frage von gestern Abend wiederholte: „Du glaubst wirklich dein Name ist Alec, oder?" Er verstand sie immer noch nicht so recht. Warum sollte das nicht sein Name sein? Wie wollte sie denn, dass er hieße? Legolas oder Boromir? Das hatte er nur gedacht, trotzdem schüttelte sie den Kopf. „Nicht so... Nein, nur eben isländisch."

„Wie kommst du darauf?"

„Okay, die kurze Version: Hast du dich mal genauer angesehen?", sie deutete hinter ihn.

Island SagaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt