Brynjar war mit Arnar kaum im Haus, da kam die kleine Soley gelaufen. „Papa. Papa, hast du Besuch mitgebracht?" Er setzte den Jungen ab. „Geh und hol Mama." Dann nahm er die Kleine hoch. „Nein, Sol, aber jemand ganz Besonderen." Das Mädchen wusste nicht so recht, wer das sein sollte, wie denn auch. „Wen denn?", fragte sie, jetzt noch neugieriger als zuvor. Vigdis kam mit Arnar und bemerkte sofort, dass irgendetwas geschehen war. Brynjar kam später nachhause als sonst und sie hatte den zweiten Wagen gehört. „Was gibt es denn?", fragte sie. Brynjar hielt noch immer seine Tochter auf einem Arm, den anderen streckte er Vigdis und Arnar entgegen. „Kommt her, ich muss euch was sagen", sagte er leise und ihr war klar, dass es etwas sehr Wichtiges sein musste. Sie ging zu ihm und ließ sich in den Arm nehmen, während sie Arnar an der Hand hielt. „Was ist los, mein Krieger?" Brynjar zögerte kurz. „Ich habe jemanden mitgebracht und weiß gar nicht wie ich es sagen soll... Asgeir ist wieder da, mein Bruder." Vigdis war nicht sicher, ob sie richtig verstanden hatte. „Du sprichst von deinem verschwundenen Bruder? Von dem du glaubst, die Unsichtbaren hätten ihn geholt?" Er nickte. „Ja, er ist draußen im Wagen und sieht aus wie ich. Kriegt keinen Schreck, ja?" „Wer ist da noch?", fragte Arnar. „Seine Freundin. Ich hole die zwei jetzt rein, okay?" Brynjar setzte Soley ab. „War sie auch bei den Elfen?", wollte die Kleine wissen. Brynjar schüttelte den Kopf. „Nein, Schatz, keiner von beiden. Er war bei ganz anderen Leuten. Er wird das bestimmt alles erzählen." Dann ging er zum Rover, um Alec und Freyja zu holen.
„Hey ihr zwei, kommt jetzt mit, ich möchte euch eure Familie zeigen", sagte Brynjar und Alec und Freyja stiegen aus dem Wagen. Alec war nervös. Das Wort Familie hatte ihn überrascht und auch Freyja warf ihm einen Blick zu, der verriet, dass sie damit nicht gerechnet hatte. Vigdis und die Kinder kamen ihnen jetzt entgegen und Alec konnte sehen, wie sie alle erst verblüfft waren, dann aber begriffen und sich schließlich freuten. Gleich darauf nahm Vigdis ihn in den Arm und gab ihm spontan einen Willkommenskuss. „Schön, dass du da bist", sagte sie. Brynjar stellte sie und die Kinder jetzt mit Namen vor und Alec stellte fest, dass Arnar nahezu eine exakte Kopie von ihm selbst in dem Alter war. Soley war viel mehr von Freyja beeindruckt. „Bist du eine Elfe?", fragte sie. „Nein, ich komme aus Reykjavik." „Und was hast du mit Papas Bruder gemacht?" Alec merkte, dass Freyja leicht verlegen wurde und kam ihr zu Hilfe. „Sie hat mich hergebracht." Schließlich gingen sie alle ins Haus und Arnar holte noch den Hund, um ihn Alec vorzustellen. „Das ist Loki", sagte er. „Hallo Loki." Alec fiel auf, dass die Kinder offenbar überhaupt kein Problem damit hatten, sich mit ihm anzufreunden. Wahrscheinlich hatten sie gar keine Vorstellung davon, was eigentlich mit Asgeir und Brynjar geschehen war, vor so vielen Jahren. Sein Bruder war jetzt eher schweigsam und überließ die Fragen seiner Frau. Gleichzeitig war Alec froh, dass Freyja die Geschichte seiner Suche übernahm. Es wäre sowieso nicht möglich, alles was zu sagen war, an einem einzigen Tag zu sagen oder alle Fragen zu beantworten. Die schwierigeren Fragen, das spürte Alec instinktiv, würde er mit seinem Bruder allein klären. Was war mit seinen richtigen Eltern geschehen? Hatte die Polizei nach ihm gesucht? Gab es noch andere Geschwister? Brynjar hatte bestimmt ähnliche Fragen, doch er behielt sie auch für sich. Vigdis machte sich inzwischen in der Küche zu schaffen und kam mit Kaffee und Vanillecremekeksen wieder. „Ihr bleibt natürlich hier. Wir haben ein Zimmer für Gäste", verkündete sie. „Mein Bruder ist nicht einfach ein Gast und seine Freundin auch nicht", ergänzte Brynjar. „Nein, natürlich nicht, was ich meine ist, wir haben genügend Platz und viel zu erzählen", sagte Vigdis und lächelte vor allem Freyja zu. Alec erzählte dann von seinem Job als Fotograf, der ihn nach Island geführt hatte. Brynjar hatte ein paar Semester Meeresbiologie studiert und machte übers Jahr verteilt verschiedene Jobs. Im Sommer die Touren zu den Walen, außerdem hatten sie die Farm, wo Vigdis mit zwei Studentinnen Ausritte auf Islandpferden veranstaltete, im Winter unterrichteten sie beide am Internat von Husavik, er Biologie und Kunst, sie Isländisch, Englisch und Musik. Außerdem machte er im Winter geführte Touren für Polarlichter. Im Gegensatz zu Alec wunderte das Freyja nicht. Viele Isländer hatten mehrere Jobs, um flexibel zu sein. Irgendwann wurde es Zeit für Abendessen und die Kinder mussten bald ins Bett. Dann war endlich Gelegenheit, dass die Brüder unter sich sein konnten. „Komm mit, wir haben hinten im Garten einen Hot Pot", sagte Brynjar nur und Alec wusste inzwischen genug über Island, um zu verstehen, dass sie dort allein und ungestört reden könnten. Er folgte dem anderen bis zu einem kleinen Pool aus Natursteinen, der von einer kleinen Quelle mit heißem Wasser gespeist wurde. Brynjar zog sich nun komplett aus und stieg hinein. Alec tat das Gleiche. Ohne ihrer Kleider wären sie so weder für Vigdis, noch für Freyja zu unterscheiden gewesen, wenn nicht Brynjar eine Tätowierung am rechten Oberarm gehabt hätte. „Was ist das?" fragte Alec und deutet auf das runde Runensymbol.
„Veldismagn. Ein Runenzauber für Schutz und Glück." Brynjar tauchte einmal komplett unter, dann kam er heran, um es Alec zu zeigen.
„Wovor schützt es?"
„Vor allem. Auch vor dem bösen Blick. Hast du irgendwas, was ich nicht habe?"
Alec überlegte. Dann zeigte er seine Narbe am Knie. „Bin beim Schlittschuhlaufen hingefallen", sagte er und fand es auch ein bisschen albern. Brynjar wohl nicht.
„Du brauchst auch einen Schutzzauber", fand er und sein Blick verriet, dass er jetzt über die wirklich wichtigen Dinge reden wollte. Was wollte er wissen? Alec beschloss einfach, als Erster zu fragen, dann würde sich alles andere schon ergeben. „Was weißt du über mein Verschwinden? Wie war das?" fragte er.
Outtakes;
Vigdis hatte die Kinder ins Bett gebracht und kam zurück ins Wohnzimmer, wo Freyja wartete, um sich mit ihr zu unterhalten. „Die beiden sind in den Pool gegangen", begann sie, „dann lass uns reden." Freyja nickte. „Ja, das sollten wir tun."
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Island Saga
General FictionAlec, ein junger Fotograf aus London, reist nach Island, um dort Fotos zu schießen. Dort angekommen spürt er eine Verbindung mit Orten und Menschen, die er sich nicht rational erklären kann. Doch alles wird noch mysteriöser, als er in einer Ausstell...