Teil5

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Alec schlief, aber nur, weil die letzten Nächte kurz gewesen waren und sich die Erschöpfung gegenüber der Mitternachtssonne durchsetzte. Dennoch schlief er nicht fest und wurde zwischendurch ein paar Mal kurz wach. Erst glaubte er, dass irgendein Tier um den Wagen lief, vielleicht ein Fuchs oder ein Hund? Dann wurde es doch kühl und er überlegte kurz, ob er sich seine Jacke noch überwerfen sollte. Stattdessen entschied er, sie über Freyja zu legen und rollte sich selbst mehr zusammen. Es war erst kurz nach vier. Schließlich träumte er wirres Zeug. Da waren Menschen in dem Traum, aber er konnte nicht erkennen, wer sie waren und er sah den anderen Alec, wie er versuchte, ihm das Seil zuzuwerfen, das er in den Händen hielt. Er rief irgendetwas, aber Alec konnte nicht verstehen was. Irgendjemand rief immer wieder seinen Namen. War das Gwen? Als der andere Alec auf ihn zukam, wollte er auch auf ihn zugehen, aber er kam nicht von der Stelle und obwohl sich der andere auf ihn zubewegte, wurde ihr Abstand immer größer. Die Stimme wurde zu einem Rauschen, wie von einem aufgewühlten Meer bei Sturm und jetzt bekam er Angst. Was, wenn das der Sturm war, in dem seine Eltern umgekommen waren. Er begann zu zittern. Dann rüttelte jemand an ihm und er fuhr erschrocken hoch. „Hey, du hast schlecht geträumt." Er wusste kurz nicht wo er und wer sie war, dann besann er sich, atmetet tief durch und legte sich wieder hin. „Sorry, ich wollte dich nicht wecken." „Schon gut. Ist dir kalt? Dann komm mit unter deine Jacke." Der Vorschlag schien vernünftig, also rückten die zwei näher zusammen, bis sie seitlich voreinander lagen. „Das Beste wäre, wenn du mich einfach etwas in den Arm nimmst. Dann wird's wärmer", schlug sie vor. Alec legte seinen rechten Arm unter ihren Kopf und zog sie mit dem linken noch dichter heran. Dann zog er die Jacke über sie beide. Sofort wurde ihnen etwas wärmer. „Geht's so?", fragte er leise. Sie nickte. „Lass uns noch zwei Stunden schlafen", schlug sie vor. „Okay", murmelte er und spürte, wie ihr Haar an seiner Nase kitzelte. Es roch auch wirklich gut, irgendwie nach Sommerblumen und ein bisschen nach Grand Cherokee. Mit dem Duft von Sommerblumen schlief er ein und diesmal schlief er ruhig.

Als er die Augen wieder aufschlug, blickte er in ihre. Erst wollte er einfach „guten Morgen" sagen, wie es wohl die einfachste Sache der Welt gewesen wäre, doch ihr Blick verriet, dass sie nicht auf Worte wartete. Um ihm zu verstehen zu geben, dass er nichts sagen sollte, legte sie ihm ihre Finger auf seine Lippen. „Schscht." Er ließ es geschehen und fragte sich, wie lange sie ihn wohl schon angesehen hatte. Dann fuhr sie mit dem Finger über seine Lippen und zeichnete ganz sanft die Konturen seines perfekten Amorbogens nach. Sie lächelte dabei und er lächelte zurück, dann öffnete er seine Lippen nur ein wenig. Sie verstand diese kaum merkliche Aufforderung und schloss seine Lippen mit ihren. Dieser erste Kuss war beinahe keusch, aber eben nur beinahe. Sie küsste ihn gleich nochmal und suchte seinen Blick, um zu sehen, was er ihr verriet, doch er küsste sie mit geschlossenen Augen zurück. Erst vorsichtig, vielleicht, um sicher zu gehen, dass sie es wirklich wollte, vielleicht, weil er selbst unsicher war, ob er es wollte, aber dann wurde der Kuss leidenschaftlicher. Er ging mit seinen Händen in ihr Haar und sie tat das Gleiche. Jetzt kam auch seine Zunge ins Spiel und ihr wurde sofort klar, dass sie ihn wollte, koste es, was es wolle. Sie gab sich seinem Kuss ganz hin und spürte, wie sie ein leiser, heißkalter Schauer durchlief. Er konnte noch immer nicht ganz fassen, was er da gerade tat, aber obwohl er wusste, dass es falsch war, wusste er auch, dass es sich richtig anfühlte. Er küsste sie einfach wieder und wieder, während sein Puls sich allmählich beschleunigte. Er war kein bisschen schläfrig mehr und sie auch nicht, denn sie begann jetzt, sich an ihn zu drängen, während er seine Finger immer wieder durch ihr Haar gleiten ließ und sich immer mehr über sie beugte. Dennoch blieb es beim Küssen. Vielleicht, weil sie mitten im Ort vor der Post standen, vielleicht, weil er diese abwesende Freundin hatte. Aus welchem Grund auch immer, irgendwann wurden seine Küsse wieder vorsichtiger, was ihr auch nicht weniger gefiel. Er war im sanft Küssen mindestens so gut, wie im leidenschaftlich Küssen. Und vielleicht, war es einfach nur die richtige Entscheidung von ihm, jetzt nicht weiter zu gehen. Was für Freyja zählte, war allein die Gewissheit, dass sie sich ihre Chancen bei ihm nicht eingebildet hatte. Alles andere würde sicher folgen. „Du küsst gut", flüsterte sie, weil sie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen. „Du auch", gab er zurück, „aber wir sollten aufstehen, bevor der ganze Ort wach ist und sich wundert." „Okay", fand sie schlicht. Er lächelte wieder. „Glaubst du, dass es hier irgendwo was zum Frühstück gibt?" Sie überlegte. „Bestimmt haben die hier irgendwo ein Cafe' oder einen kleinen Laden. Lass uns mal nachschauen." Er stimmte ihr zu. Dann stellten sie sicher, dass sie halbwegs ordentlich aussahen und stiegen aus, um sich im Ort umzusehen.

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