Ein langer Sommertag auf der Farm in Husavik ging zu Ende, als Vigdis und Freya noch von der Terrasse räumten, was die Kinder, die schon im Bett waren, vom Spielen liegen gelassen hatten. Ihre beiden Männer, die Zwillingsbrüder, kamen jetzt erst von der Baustelle unten am Fluß, wo sie, wie jeden Abend nochmal nach dem Rechten geschaut hatten. Die Frauen vermuteten, dass es wohl so ein Männerding zwischen den beiden war, wenn sie abends für eine Weile allein miteinander sein wollten. Ganz bestimmt hatten sie sich viel zu erzählen, über die Zeit, in der sie nicht zusammen waren. Vigdis hatte jetzt etwas entdeckt, was sie sofort der anderen Frau zeigte. „Sieh mal, das hat Arnar gemalt." Freya sah sofort, was es war und nickte. Ja, das war etwas Besonderes. Sie hielt Ausschau, wo die Männer blieben und winkte sie heran. „Asgeir, Brynjar, kommt mal, das müsst ihr sehen." Nur einen Augenblick später waren die Brüder bei ihnen und steckten, wie ihre Frauen, die Köpfe über dem Gartentisch zusammen, auf dem noch lag, was der hellsichtige Sohn Brynjars zu Papier gebracht hatte. Es war ein Familienbild, ganz ohne Frage, auch wenn Freyas Sunshine im interpretieren solcher Kinderwerke noch immer etwas Hilfe brauchte. „Welcher von den beiden Rothaarigen da bin ich?", fragte er und legte ihr sanft einen Arm um. „Der da, mit dem dickeren Pulli, weil du dich an das Klima hier noch gewöhnen musst", sagte sie lächelnd. „Oh, schau", warf Brynjar ein, der bei seiner Vigdis über die Schulter schaute, „das zeigt unseren Geburtstag, als wir Vater hier hatten. Da sitzt er mit den Kindern." Sie nickte. Ja, der alte Arnar war auch auf der Zeichnung zusehen. Und das Haus, die Pferde und... „Donnerwetter, ich wusste gar nicht, dass wir so viele Gäste hatten", kam es jetzt von Asgeir, der nicht sofort verstand. „Keine, die du gesehen hast, Sunshine." Freya lächelte wissend, denn ihr als Isländerin war es natürlich klar, wen Arnar da noch gemalt hatte. „Das sind die Elfen, oben vom großen Fels", kam es jetzt von Brynjar, „sieh nur, die stehen da alle Hand in Hand und lächeln." Sein Zwilling war gerührt. „Oh, ja, du hast Recht. Und Arnar kann sie sehen?"
„Ich glaube, das konnte er immer schon", erklärte Vigdis.
„Früher hat es mir Angst gemacht", fügte Brynjar hinzu, „da dachte ich, sie seien böse."
„Gut, dass wir das ein für alle Mal geklärt haben", fand Freya und lächelte.
„Du hast das geklärt", ergänzte Asgeir und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
Das hatte sie in der Tat. Wobei es genau genommen nur ihre Idee war. Getan hatten es die beiden Brüder ebenso. „Wir sollten es für uns behalten", sagte sie dann, „sonst kommen am Ende irgendwelche Touristen hierher oder die Leute im Ort halten mich für so eine Seherin, die ihnen ihre Zukunft sagt."
„Das tust du, das hast du neulich in der Eisdiele gemacht", beschwerte sich ihr Mann im Scherz.
Sie grinste. „Das war doch nur gespielt. Und es waren Jon und Egill. Da könnte jeder Dummkopf voraussagen, dass die zwei zusammenbleiben werden."
„Oh, du bist so eine weise Frau. Komm, gehen wir hinein." Er strahlte sie an.
Sie strahlte zurück. Das hatte er gut erkannt.
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Island Saga
General FictionAlec, ein junger Fotograf aus London, reist nach Island, um dort Fotos zu schießen. Dort angekommen spürt er eine Verbindung mit Orten und Menschen, die er sich nicht rational erklären kann. Doch alles wird noch mysteriöser, als er in einer Ausstell...