Teil16

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>>>>Das bisschen Isländisch von Google Übersetzer steht unten auf Deutsch;)

Im Pflegeheim:

Das Pflegeheim für schwer Demenzkranke lag nicht weit vom Hafen. Das war ein Grund, warum sein Sohn Arnar Asgeirsson dorthin gebracht hatte. Hier konnte er von seinem Fenster auf das Meer und die Boote sehen, die er immer so geliebt hatte, zumindest, solange er das noch irgendwie von sich selbst wusste. Beides hatte eine gute Wirkung, denn er versuchte nicht wegzulaufen und liebte sein jetziges Zuhause. Der andere Grund war der, dass es ein kleines Haus mit nur wenigen Plätzen, aber gut geschultem und liebevollem Personal war. Die erste Zeit hatte Arnar sogar Spaß daran, jeden Tag immer neue Leute kennenzulernen. Er begriff nicht mehr, dass es immer wieder die gleichen Pfleger und die Ärztin waren. Auch Brynjar, Vigdis oder die Kinder hatte er schon verschiedene Male kennengelernt. Immer fand er, dass Arnar eine guter Name für einen Jungen und dass Soley ein hübscher Name für ein Mädchen sei. 


Asgeir, Brynjar und Freyja brauchten keine zehn Minuten, um vom Hafen bis zu dem Haus zu gelangen. Brynjar äugte zum Fenster herauf, denn manchmal, aber leider immer seltener, war sein Vater dort zu sehen. Dieses Mal nicht. Er war nicht sicher, wie der Alte reagieren würde, wenn er die beiden Brüder sah und er war auch nicht sicher, was wohl schlimmer wäre: Angst und Panik, Ratlosigkeit oder eben gar keine Reaktion. Asgeir suchte unwillkürlich die Nähe seiner Freundin. Er wusste noch am allerwenigsten, was sie nun erwartete, denn er kannte weder seinen Vater, noch irgendwelche Menschen mit dessen Krankheit. Die Frau an der Rezeption lächelte, als sie hereinkamen, schaute dann aber etwas ratlos, als sie den zweiten Brynjar sah. „Halló Brynjar, hvernig ert þu?"

„Hallò Odny, èg er finn, lass uns Englisch reden."

„Wen bringst du da mit, seit wann hast du einen Bruder?"

„Seit neunundzwanzig Jahren und gestern. Er war verschollen. Jetzt ist er zurück. Wie geht es Arnar? Er war nicht am Fenster."

Die Frau, die er Odny nannte, schaute jetzt auf Asgeir. „Du weißt doch, dass es nicht mehr besser wird. Er ist jetzt oft müde. Ich denke nicht, dass er dich... euch erkennen wird."

„Schon gut. Wo ist er?"

Sie führte die kleine Gruppe jetzt auf eine Terrasse, die nach hinten heraus in einem Garten lag. Dort spielten ein paar Senioren sowas wie ein Kartenspiel, das wohl keine Regeln hatte. Eine ältere Dame stand an einer Staffelei und malte, ein älterer Mann spielte an einem Tisch mit Bauklötzen. Ein anderer Mann lag unter einem Sonnenschirm und schlief. Er hatte weißes Haar, doch man konnte noch sehen, dass es mal rötlich gewesen war. Asgeir schaute kurz zu Brynjar, um sicher zu gehen, aber das konnte nur ihr Vater sein. „Komm mit, aber bleib erst einen Schritt hinter mir, okay?", schlug Brynjar vor. Asgeir nickte und spürte, wie ihm das Blut durch die Adern schoss. Freyja nahm seine Hand, Brynjar ging jetzt zu dem Mann und kniete sich neben die Sonnenliege. Dann weckte er ihn behutsam, indem er seine Hand auf die des älteren Mannes legte.

„Faðir vakandi á, það er ég, Brynjar."

„Hver?"

„Ert þù ekki þekkja mig?

Asgeir wurde noch unruhiger als zuvor. Was redeten die? Sein Vater schüttelte jetzt verwirrt den Kopf. Das war nicht gut. Aber Brynjar gab ihm ein Zeichen, noch zurückzubleiben.

Er sprach ruhig auf Arnar ein. „Horfðu à mig, faðir." Der Ältere schien eher noch verwirrter zu werden, so als würde er nur begreifen, dass etwas nicht stimmte, weil er den jungen Mann nicht kannte. Brynjar ließ nicht von ihm ab und fuhr ihm mit der Hand durch das Haar, ganz vorsichtig, so als wollte er ein Kind beruhigen. „À mig, à mig..."

„Das wird nichts", flüsterte Asgeir kaum hörbar zu Freyja herüber, die auch gebannt auf den anderen starrte. „Lass ihn, vielleicht weiß er, was er da tut", wisperte sie zurück.

„Èg er Brynjar, mundu...mundu..."

Asgeir sah jetzt, dass Brynjar einen Spiegel aus seiner Tasche nahm, den er Arnar vorhielt, sodass der sich selbst sehen konnte. Das oder das Streicheln beruhigte ihn nun ein wenig. Er atmete ruhiger und begann, zwischen dem Spiegel und Brynjar hin und her zu schauen. Sein Sohn redete leise weiter. „Arnar...Brynjar... Arnar...Brynjar..."

„Wie soll das funktionieren, er erkennt sich selbst nicht mal, oder er hat vergessen, was Worte sind", flüsterte Asgeir und merkte, wie Tränen in ihm aufstiegen. Er war zu spät gekommen, sein Vater würde nicht begreifen, dass er zurückgekommen war. Arnar...Brynjar...Arnar...Brynjar...

„Brynjar?", sagte Arnar dann mit einem Mal und rauher, unbenutzter Stimme.

„Jà, jà."

„Brynjar Arnar...sson?"

„Jà Arnarsson, Brynjar Arnarsson."

Asgeir hielt den Atem an. Es schien doch zu funktionieren, was immer sein Bruder da tat. Er wollte gleich zu ihm, aber Freyja hielt ihn noch zurück, bis Brynjar ein Zeichen gab. „Langsam", flüsterte sie und Asgeir trat jetzt vorsichtig vor und kniete sich neben Brynjar, sodass sein Vater sie beide sehen konnte. Arnar schien erst völlig unbeeindruckt. Dann nahm Brynjar Asgeirs Hand und legte sie auf die seines Vaters. Asgeir überlegte, was er sagen konnte. „Faðir", brachte er heraus. Der Angesprochene schaute ihn ungläubig an. „Faðir", wiederholte Asgeir und hoffte, dass sein Vater vielleicht irgendetwas sagen oder irgendwie reagieren würde. Brynjar beugte sich jetzt zu ihm herüber und flüsterte dicht an seinem Ohr. „Sprich mir nach. Ich bin dein Sohn. Èg er sonur þinn."

Asgeir gab sich Mühe. Das Isländisch war ungewohnt auf seiner Zunge. „Èg er so...nur þinn... èg er sonur þinn... èg er Asgeir... faðir... Arnar... èg er Asgeir, sonur þinn..."

Asgeir wusste nicht, was er noch versuchen konnte, denn es schien noch immer keine Reaktion zu kommen. Vielleicht war die Erinnerung an einen zweiten Sohn schon vor Jahren verschwunden, so ungebraucht, wie sie wohl war. Er sprach weiter, auch mit erstickter Stimme, bis es nicht mehr ging. Dann fing Brynjar nochmal an. 

„Faðir, mundu...mundu... Asgeir og Brynjar...Brynjar og Asgeir... Arnarsson... Arnarsson...Asgeir Arnarsson...", es klang mehr wie ein Singsang oder eine Beschwörung und Asgeir nahm die Hand seines Vaters in seine. Plötzlich riss der ältere Mann die Augen weit auf und packte mit aller Kraft nach Asgeirs Händen, sodass der vor Schreck den Atem anhielt und den Blick des Mannes erwiderte. 

„Sað saerir hann", stieß Freyja aus, sodass nicht ganz klar war, wen sie meinte. 

„Làta hann", gab Brynjar zurück. Eine Pflegerin wurde jetzt aufmerksam und schaute aufgeregt hinüber. 

„Èg er Asgeir... sonur þinn", sagte Asgeir nochmal und spürte, wie der Griff seines Vaters ihn fest umklammert hielt. Die Knöchel an den Fingern traten weiß hervor. Dann mit einem Mal wurde der Griff weich und die Augen seines Vaters fixierten ihn. 

„Asgeir", brachte er mühsam heraus, „Asgeir... Arnarsson." 

Asgeir nickte, denn das stimmte. 

„Asgeir og Brynjar", sagte der Alte dann und blinzelte Tränen. 

„Han skildi það", flüsterte Brynjar. Freyja nickte und strahlte über das ganze Gesicht. Es konnten ja schließlich nicht alle vier heulen.



Vater, wach auf, ich bin es...

Wer

Kennst du mich nicht?

Schau mich an, Vater

Erinnere dich

Ich bin dein Sohn

Er tut ihm weh

Lass ihn

Er hat das verstanden

Island SagaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt