In Reykjavik:
Jon hatte stundenlang auf Egills Rückkehr gewartet und obwohl er inzwischen im Sessel eingeschlafen war, reichte das Geräusch des Schlüssels in der Tür und er war hellwach.
„Egill, endlich kommst du. Warum hat das so lange gedauert?"
Sein Süßer kam herein und wirkte halb benommen. Klar, er hatte getrunken, das sah Jon auf den ersten Blick. „Komm, du kriegst erstmal 'nen starken Kaffee."
Jon machte sich auch einen und kam mit zwei Espresso zurück. Egill nahm einen kräftigen Schluck und schüttelte den Kopf, um ihn klar zu kriegen.
„Jetzt red' schon. Wie ist sie? Was will sie? Was habt ihr geredet? Warum hast du so viel getrunken?"
„Hey, immer langsam. Das war nicht so einfach."
Jon spitzte die Ohren. Nicht einfach?
„Sie tanzt richtig gut und ziemlich heiß, wenn du verstehst. Und sie verträgt 'ne Menge Alkohol. Erst hat sie mir erzählt, sie macht hier Wellness. Dann haben wir getanzt und nach zwei Cocktails hat sie dann erzählt, dass ihr Freund sie verlassen hat. Ich habe ihr Komplimente gemacht, von wegen, er müsste verrückt sein. Das hat ihr gefallen und wir haben geflirtet und sie sagt, es würde ihm noch leid tun, dass er sie verlassen hat. Dabei hatte sie ihn schon fast sicher in der Tasche. Keine Ahnung, was sie gemeint hat. Bestimmt würde irgendeine Schlampe dahinterstecken und sie gibt so leicht nicht auf."
„Was hat sie vor, hat sie das gesagt?"
„Kein Wort. Aber sie hat 'nen Detektiv beauftragt, der hat herausgefunden, dass Alec mit Freyja unterwegs ist. Sie hat sie als ledige Thekenschlampen- Mutter bezeichnet. Also weiß sie von dem Kleinen. Und sie hält nichts von unserem Drecksland."
„Ganz schön fies, die Lady."
„Klingt jedenfalls nicht nach Liebe. Klingt nach verletztem Stolz und viel Zorn."
„So kriegt sie ihn aber nicht zurück. So wird nur klar, warum er gegangen ist, besser spät als nie," fand Jon, „wir erzählen Freyja aber nichts von ihren Ausdrücken."
„Nee, bloß nicht."
„Hast du gut gemacht."
„Ich weiß, krieg ich jetzt 'ne Belohnung?"
„Sicher doch, komm."
Draußen senkte sich die Sonne und im Auto war der Keksbestand erheblich gesunken. „Willst du nicht noch mal anrufen?" Frejya schüttelte den Kopf bestimmt hatten ihre Eltern nur das Handy vergessen und würden den Anrufbeantworter abhören, bevor sie mit Asgeir in Bildudalur ankommen würde. Langsam konnte er ihre Vorfreude deutlich spüren und wenn sie behauptete er hatte keinen Grund Nervös zu sein dann hätte sie auch keinen gehabt. Aber mit jedem Keks wurde sie immer ruhiger.
„Woran denkst du?"
„Eythor."
„Der wird sich auch freuen dich wieder zu sehen."
„Ich hab sein erstes Mal alleine-Laufen verpasst."
„Er kommt mit. Dann kannst du noch viele erste Male erleben. Wie sieht der kleine überhaupt aus? Ähnelt er dir? Deine Augen?"
Die Frage zauberte Frejya ein Lächeln aufs Gesicht. Sie versuchte ihn zu beschreiben. Er hatte rote Haare, wie ihre Mutter und tatsächlich fand sie das die Augen von Eythor das waren was ihr am ähnlichsten war. Die Finger waren noch zu klein um Ähnlichkeiten auszumachen, gleiches galt für die Füßchen. Dieses Mal war ihr Lächeln nicht ihm gewidmet und trotzdem fand er es umwerfend. Alec wusste das Freyja ihren Sohn liebte und er freute sich deshalb um so mehr ihn endlich kennenlernen zu dürfen. Schließlich war es ihrer. „Wie weit ist es noch?" „Noch zwei Stunden, aber wenn du willst können wir auch gerne ne Pause machen." „Warten deine Eltern nicht auf uns?" „Ich hab einen Schlüssel." Natürlich war ja irgendwie auch klar. Trotzdem war er mittlerweile zu aufgeregt und sie freute sich bestimmt auch schon riesig. „Letzte Chance" murmelte sie ihm ins Ohr als sie Plätze tauschten. Der Keksbestand war komplett aufgebraucht und alles was er ihr zu erwidern hatte fasste er in einem einzigen, innigen Kuss zusammen. Gegen neun verließen sie endlich die Ringstraße und fuhren direkt in das Städtchen. Draußen in den Vorgärten spielten noch vereinzelt größere Kinder und einige Menschen saßen noch draußen und genossen den Sonnenschein. Freyja bog erst links dann direkt rechts ab und irgendwann noch mal links, zum Ende einer Sackgasse. Die zu einer Seite nicht bebaut war, sodass man das Meer sehen konnte. „Danke." „Wofür? Ich muss mich bedanken." Sie strich ihm durchs Haar und er küsste sie noch einmal. Kaum hatten sie sich wieder gelöst kam eine Frau mit langen roten Haaren und ein Mann mit „salt and pepper" Haaren aus dem letzten Haus. „Komm. Jetzt ist es zu spät." Sagte sie noch, bevor sie ausstiegen. Ihre Eltern nahmen die Ankömmlinge in die Arme und Frejyas Mutter fragte irgendetwas auf Isländisch und Freyja lachte und nickte. Das führte dazu, das der Redeschwall während des Hereinkommens nicht abzunehmen schien. „Du verstehst kein Wort von dem was ich gesagt hab," lachte Matthildur irgendwann. Und er bejahte erleichtert. „Deine Überraschung sieht aber ganz schön Isländisch aus. Habt ihr schon gegessen? Schön das ihr da seid. Ich mache Wasser warm..." Kári stoppte irgendwann seine Frau auf Isländisch und Freyja musste wieder lachen und nickte. Als sie seinen fragenden Blick sah erklärte sie ihm ihr Vater habe gemeint ihre Mutter würde zu viel auf einmal wollen. Und sie hätten noch Zeit. Beim Essen gab es dann allerdings doch jede Menge Fragen „Wo kam er her? Wie hatten sie sich kennengelernt? Warum hatte sie nicht eher Bescheid gesagt? Gefiel ihm Island?.." und sie versuchten auf so viele Fragen wie möglich einzugehen. Doch auch Asgeir und Freyja hatten Fragen und Anliegen, aber jetzt war noch nicht der richtige Moment. Freyjas Eltern waren gerne Großeltern mit Elternrolle und sie hatte gerade erst ihren neuen Freund vorgestellt. Irgendwann nahm Kári Asgier mit nach draußen und verabschiedete sich aus dem Raum mit: „Wenn du Eythor nachher gute Nacht sagst, weck ihn bitte nicht, er war heute schwer zum Schlafen zu bewegen." Alec wusste nicht genau zu welcher Frau der Mann gesprochen hatte. Doch beide antworteten Zeitgleich mit: „Ok." Jetzt blieb nur die Frage was Kári mit dem Fotoalbum in der Mitternachts-sonne wollte. „Hier ist Freyja mit drei. Und hier mit 5 bei ihrer Einschulung. In der 10. Da hatte sie eine bunte Phase und da der Abschluss und hier ist sie mit Eythor schwanger, sie ist extra wieder hierhergezogen. Das ist sie im Krankenhaus und hier sind die zwei bei uns. Siehst du da hinten den Weg? Da kommt dann irgendwann ein Abgang zum Strand und da haben wir das Foto gemacht. Und das letzte Mal als sie hier war, da haben wir die zwei am Hafen fotografiert." Jetzt dämmerte allmählich worauf der Isländer hinaus wollte. Er holte seine Kamera und zeigte ihm das Foto von Freyja auf dem sie zu schweben schien. „Sie ist eine wunderbare Frau. Für mich die wunderbarste. Mit ganz tollen Eltern, die sie unterstützen." Sie unterhielten sich noch eine Weile, aber nachdem Kári das Foto von seiner Tochter gesehen hatte war sein Ton deutlich familiärer geworden. „Hey ihr zwei, Freyja ist oben bei Eythor und ich geh jetzt schlafen. Zeigst du unserem Gast nachher wo er was findet?" Matthildur war mit der Antwort zufrieden und verschwand wieder. Sie blieben noch einen Moment schweigend sitzen, bis sie ihr folgten. Oben im Flur schloss Freyja gerade eine Tür von außen und machte ein Leisezeichen, sie bedeutete ihrem Vater, dass sie sich ab jetzt um ihren Freund kümmern würde und er wünschte ihnen eine gute Nacht. Als ihr Vater verschwunden war nahm Alec Freyja in den Arm und küsste sie. „Deine Eltern sind schwer in Ordnung."
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Island Saga
General FictionAlec, ein junger Fotograf aus London, reist nach Island, um dort Fotos zu schießen. Dort angekommen spürt er eine Verbindung mit Orten und Menschen, die er sich nicht rational erklären kann. Doch alles wird noch mysteriöser, als er in einer Ausstell...