Der Vormittag in Husavik war sonnig und ungewohnt mild für die Jahreszeit und so trieben sich mehr Touristen als sonst durch das Städtchen mit dem kleinen Hafen. Brynjar hatte sich vorgenommen, Asgeirs Trip in die Westfjorde zu nutzen, um das wieder aufzunehmen, was in Island als normaler Alltag gelten konnte. Daher unternahm er mit Olaf eine Fahrt zu den Walen und hinterher suchte er einen Notar im Ort auf, um die Übertragung des Grundstückes zu regeln. Das würde noch ewig dauern, bis alles amtlich war, aber der Anfang war gemacht, auch wenn der Notar sich doch ein wenig darüber wunderte, dass Arnars Sohn ein wirklich schönes Fleckchen Island an einen gerade erst von den Elfen zurückgekehrten Bruder ohne isländischen Pass oder Staatsbürgerschaft abtreten wollte. Da er die Wahl hatte, den Notar entweder nieder zu starren oder ihn mit einem Lächeln zu überzeugen, entschied sich Brynjar für Letzteres, einfach weil es ihn immer noch so freute, dass sein Bruder wieder da war. Als das so weit geregelt war, schlenderte er in Richtung der Eisdiele am Hafen, wo er sich mit Vigdis verabredet hatte. Genau genommen war das ihre Idee gewesen, denn sie fand, es gebe keinen Grund mehr, die Eisdiele zu meiden, da dort keine mystische Verbindung zur Welt des unsichtbaren Volkes bestand und niemand dort verschwinden würde. Sie war mit den Kindern einkaufen gewesen und die waren schon ganz aufgeregt, weil sie sich diesmal an die Tische setzten und nicht bloß ein Eis auf die Hand nahmen. Arnar las der kleinen Soley die Karte vor, als Brynjar kam und sich zu ihnen setzte.
„Habt ihr schon was ausgesucht?", fragte er.
Arnar nickte begeistert. Er würde einfach alles nehmen. Soley war etwas bescheidener und entschied sich zielsicher für den größten Eisbecher. Vigdis bestellte den einfach zweimal und für sich einen Eiskaffee, für Brynjar einen Schokoladenbecher. Der verputzte auch noch problemlos das, was die Kinder nicht mehr schafften und so kam es, dass Arnar und Soley drinnen in der Eisdiele ein großes Aquarium bestaunten, während Brynjar und Vigdis draußen am Tisch Händchen hielten.
„Wir sollten öfters mal sowas wie ein Date haben, ohne die beiden", fand Vigdis.
„Du meinst, wir lassen sie bei Onkel Asgeir und seiner Freyja und machen so richtig einen drauf?"
Die Isländerin lächelte und drückte die Hand ihres Mannes etwas fester. „Ungefähr das hab' ich wohl gemeint."
Brynjar verstand nur zu gut und die Vorstellung gefiel ihm so sehr, dass er ihr einen verliebten, aber auch leicht zweideutigen Blick zuwarf. Vigdis lachte und schlug vor, nach den Kindern zu sehen und ob die keinen Unsinn anstellten. Kaum war sie in die kleine Eisdiele gegangen, da näherte sich ein riesiger Geländewagen mit Monsterrädern, der abrupt stehenblieb. In dem Wagen wummerte irgendeine Musik, deren Bässe noch nach draußen klangen, auch nachdem jemand ausgestiegen war und die Tür geknallt hatte. Dieser Jemand war im Gegenlicht der Nachmittagssonne nicht zu erkennen und baute sich nun neben Brynjar auf.
„Du hast ja echt Nerven, hier nur so herum zu sitzen", tönte eine Frauenstimme auf Englisch.
Brynjar schaute blinzelnd zu ihr auf. Das konnte nur eine sein...
„Góðan daginn!"
„Du mich auch, hältst du mich für bescheuert!" Die Engländerin stemmte ihre Hände in die Hüften und wirkte völlig unbeeindruckt.
„Ég er Brynjar, bróðir Asgeirs. Þú verður að vera Gwen." Der Isländer fragte sich amüsiert, ob sie es von selbst merken würde, dass er nicht sein Bruder war, aber da kam Vigdis hinzu.
„Na toll, deine Schlampe ist auch dabei."
Für Brynjar hörte der Spaß jetzt auf. Er wusste, dass die Kinder, die jetzt hinter Vigdis kamen, so ein Wort nicht kannten, aber seine Frau würde er nicht von einer anderen beleidigen lassen.
„Gwen, das sollten Sie zurücknehmen.Das ist Vigdis, meine Frau und ich bin der Zwilling des Mannes, den sie suchen."
Die Engländerin nahm die Hände herunter und setzte sich auf einen freien Stuhl.
„Was ist denn das für ein verfluchter Mist?!"
„Vati, die Frau da ist komisch", fand Arnar.
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Island Saga
BeletrieAlec, ein junger Fotograf aus London, reist nach Island, um dort Fotos zu schießen. Dort angekommen spürt er eine Verbindung mit Orten und Menschen, die er sich nicht rational erklären kann. Doch alles wird noch mysteriöser, als er in einer Ausstell...