Teil21

130 28 27
                                    

Asgeir fand seinen Bruder im Wintergarten, wo er sich gerade mit einem Kaffee und einer Landkarte hingesetzt hatte. „Hey, wie war euer Tag?" „Schön. Und wie waren die Wale?" Brynjar freute sich wirklich, ihn zu sehen. Daran musste sich Asgeir wohl gewöhnen. „Auch schön, setzt dich, lass uns reden." Asgeir nahm den Schaukelstuhl, direkt neben Brynjars Sessel und nahm sich auch einen Kaffee. „Ich muss dir auch was erzählen", deutete er an, aber sein Bruder war wohl als Erster dran. „Schau mal hier", begann er und zeigte auf die Karte, „hier sind die Grenzen unserer Farm drauf zu sehen. Sie grenzt hier an das Lavagebiet im Osten, dann am Fluss entlang, hoch zu den Felsen und hier bei den Wiesen wieder zurück." Asgeir schaute sich das an. „Ganz schön groß. Wieso zeigst du mir das?", wollte er wissen. „Naja, während du mit deiner Freundin den Felsen erkundet hast, habe ich nach der Bootstour ein paar Dinge geregelt. Erstens: du bist jetzt nicht mehr bei den ungelösten Vermisstenfällen. Zweitens: Du bist der Ältere von uns beiden, wenn auch nur für ein paar Minuten. Damit steht dir die Farm zu. Vater hätte das anders regeln können, weil das Erstgeburtsrecht 'ne ziemlich alte Regel ist, aber du warst verschwunden, also hat er es nicht gemacht."

Asgeir war nicht sicher, ob er das recht verstanden hatte. „Du meinst, das hier, dein Zuhause, unser Zuhause ist alles meins?"

„Erbrechtlich gesehen ja."

„Dir ist doch klar, dass das großer Mist ist. Ich bin nicht hierher gekommen, um dir irgendwas wegzunehmen." Asgeir war kam das Ganze regelrecht lächerlich vor, doch Brynjar war absolut ernsthaft.

„Natürlich weiß ich das, aber wir müssen es jetzt schon regeln. Was glaubst du hätte Vater getan?"

„Na, logisch wäre es, das alles unter zwei Brüdern gleich aufzuteilen." Jetzt bekam er eine Vorstellung davon, was Brynjar mit der Karte wollte.

„Das ist nicht dein Ernst. Du willst mir die Hälfte von deiner Farm geben?"

„Ja sicher. Du bist wieder da, du bist mein Bruder und ich liebe dich. Also kriegst du, was dir zusteht." Brynjar schaute seinem Bruder in die Augen. Er meinte das so, wie er es sagte. Asgeir wusste nicht, wie er darauf jetzt reagieren sollte. Natürlich liebte er ihn auch und sie gehörten zusammen, aber das ging doch zu weit...

„Hör mal, Brynjar, das ist... ein tolles Angebot, aber ich kann das nicht annehmen."

„Willst du nicht bleiben?" Brynjar wirkte verunsichert. Hatte er etwas falsch verstanden?

„Doch. Natürlich will ich bleiben. Ich meine, wenn ich nicht wegen der Fotos unterwegs bin, will ich nirgendwo anders sein. Aber das hier ist etwas, was dir zusteht, weil du hier warst, bei Mutter und Vater und du hast das hier mit aufgebaut."

„Jetzt mach da nicht so ein großes Ding draus. Da ist genug Land. Such dir aus, was davon du haben willst und im nächsten Sommer bauen wir da ein Haus für dich und deine Freundin. Und ihr kriegt auch welche von den Pferden. Sonst denken die Leute, du wärst arm oder ich wär geizig."

„Ist das so?"

„Ja."

„Woher weißt du, dass ich mit Freyja zusammen bleiben werde?"

„Das merkt ein Blinder und Vigdis ist alles andere als blind. Und wir sind beide nicht taub."

„Das ist..."

„Das ist völlig okay. Und jetzt sag ja und dann sucht ihr zusammen was aus."

„Wie kann ich dir danken?"

„Musst du nicht."

Asgeir musste seinen Bruder jetzt einfach in den Arm nehmen, dann schauten sie sich die Karte genauer an.

Als Freyja hereinkam, hockten die Brüder dicht an dicht über der Karte.

„Was hältst du von dem Stück da am Fluss?"

„Ist schön. Da bei der Lava, ist da eine heiße Quelle?"

„Bestimmt. Unser Wasser kommt auch von da..."

Sie räusperte sich und wurde direkt heran gewunken.

„Was macht ihr da?", fragte sie.

„Wir suchen ein Stück Land aus", erklärte Brynjar, „er muss ja schließlich irgendwo wohnen, wenn er nicht auf Reisen ist."

„Oh. Sehr gut", fand sie.

„Komm und guck auch mal. Am Fluss oder bei der Lava?", fragte Asgeir.

„Kaltes Wasser oder heißes?", ergänzte Brynjar.

„Ihr zwei schmiedet also Pläne?"

„Ja sicher. Komm und mach mit."

Als Vidgis zur Tür hereinkam, um mitzuteilen, dass sie morgen mit einer Horde von Leuten grillen würden, waren sich Asgeir und Freyja inzwischen einig. Das Stück Land bei der Lava sollte es sein. Brynjar erzählte seiner Frau von Asgeirs Entschluss, mit Freyja zu bleiben und seine Stimme verriet, wie begeistert er war. Vidgis nickte und freute sich auch nicht weniger. „Bis zum nächsten Sommer bleibt ihr aber hier. Das Haus und Gästezimmer sind groß genug und wenn ihr noch etwas mehr Platz braucht, dann können Arnar und Soley solange ein Zimmer teilen."

„Das könnte passieren", begann Asgeir, „wir müssen unbedingt Freyjas Sohn zu uns nehmen."

„Dann hat sie es dir gesagt", stellte Vigdis fest.

„Ja, das habe ich", gab Freyja zu.

„Ich mache uns erst einmal einen Tee und dann besprechen wir das in Ruhe, ja? Ihr seid ja ganz aufgeregt," meinte sie schließlich. Brynjar folgte ihr in die Küche und wollte wissen, ob bei den Pferden alles in Ordnung war und wo Arnar blieb. „Alles gut. Keine Sorge, Arnar ist bei Jarle." Brynjar verdrehte die Augen, aber Vidgis gab ihm einen Kuss und beteuerte, der Umgang mit anderen Kindern sei wichtig. „Dann darf ich mir heute Abend wieder anhören was Jarles Vater für tolle Angeln hat..." „Du könntest die beiden doch mal mit auf das Boot nehmen."...

Gleich nachdem Brynjar und Vigdis in der Küche verschwunden waren, wurde Freyja plötzlich ernst und Asgeir bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. „Was ist denn, magst du nicht hier wohnen oder bei der Lava?"

„Sunshine, das ist es nicht. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit dir zusammen zu sein, hier, bei der Lava oder sonst wo, aber..." Sie zögerte kurz, weil sie seinen Blick bemerkte, der schon jetzt unruhig war und es würde schlimmer werden, wenn sie weiterredete. „...ich hatte einen Anruf aus Reykjavik. Jon sagt, deine Ex-Freundin sei da aufgetaucht und hat nach dir gefragt."

"Gwen ist hier in Island?", fragte er ungläubig. Vielleicht hätte er doch mal eine von ihren Nachrichten lesen sollen. Was wollte die hier?

„Sie heißt also Gwen", wiederholte Freyja den Namen, „kannst du dir vorstellen, was sie will?" „Ich habe keine Ahnung", sagte er ratlos, „so wie wir auseinandergegangen sind, wundert mich das sehr."

„Ich kann es mir nur so erklären: Sie will dich zurück."

„Dazu gehören zwei. Und ich will das ganz sicher nicht. Ich bin nur noch erleichtert, seit es vorbei ist. Ich hatte gar nicht gewusst, wie ... gefangen ich mich bei ihr gefühlt habe, als müsste ich in einem Käfig leben und müsste noch froh sein, dass ich durch die Gitter nach draußen schauen kann." Er hatte das bisher noch nie versucht zu formulieren und jetzt klang es wirklich schlimm. Nicht auszudenken, wenn er das nicht gemerkt hätte, wenn sie miteinander geschlafen hätten, wenn sie schwanger geworden wäre...

Freyja nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn ganz sanft, bevor sie antwortete: „Du gehörst jetzt zu mir." Dann lächelte sie und fuhr ihm durchs Haar. Er schaute ihr jetzt fest in die Augen. „Lass uns nach Reykjavik fahren, sobald das Fest vorüber ist. Wir holen deinen Eythor und dann sag ich ihr, dass sie mich ein für alle Mal vergessen und in Ruhe lassen soll. Ich bin jetzt neu vergeben."

„Ja, so machen wir das."

Island SagaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt