Kapitel 16

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Ich rührte abwesend mit dem Löffel in der Suppe herum. Flitwick hatte mir noch mehr Stoff gegeben, den ich in den Wochen meiner Abwesenheit verpasst hatte. Es war Ende März. Die Prüfungen begannen Anfang Juni. Nur noch zwei Monate. Ich wusste nicht, wie ich das schaffen sollte.

"Und er hat dich wirklich nicht weggeschickt?", harkte Serina noch einmal nach.
"Er wollte erst. Hat er aber nicht. Nachdem ich ihm von meinen Träumen erzählt hab...", mein Blick wanderte zum Lehrertisch, an seinen Platz, wo er saß und eine Kartoffel aufspießte.
Serina kicherte.
"Er kann dann wohl doch einfach nicht ohne dich. Auch wenn er dich den Abend vor und nach Vollmond nicht bei ihm haben wollte", meinte sie und schlürfte einen Löffel Suppe.
Ich zuckte mit den Schultern. Die Narbe an meinem Rücken zog sich schmerzhaft zusammen und ich ließ meinen Löffel in den Teller fallen. Die Suppe spritzte auf meinen Arm.
"Verdammte Scheiße!", rief ich und wich ein wenig zurück. Eine kleine Blase bildete sich an der Stelle.
Ich spürte Remus' besorgten Blick auf mir und hatte das Bedürfnis durch die halbe Halle zu rufen, es würde mir gut gehen.
Ein paar Plätze weiter links lachte jemand.

"Frettchenalarm", sagte Serina augenrollend.
Genervt sah ich Malfoy an, stand auf und ging in den Krankenflügel, um mir etwas Kühlendes zu holen. Madam Pomfrey begrüßte mich freundlich und gab ein wenig von einer eiskalten Lösung auf die Blase, nachdem ich ihr erzählte, wie das passiert war.
"Wie geht es Ihnen und Professor Lupin?", fragte sie neugierig.
"Gut, denke ich... es ist nur alles stressig wegen der UTZ Prüfungen...", antwortete ich und sah sie mit einem fragenden Blick an. Wie viele Lehrer wussten nach dem Vorfall wohl, was zwischen mir und Remus ist?
Sie verstand und lächelte mild.
"Keine Sorge. Nur Professor Dumbledore und ich wissen Bescheid. Und Dumbledore versteht und akzeptiert ihre Liebe, genauso wie ich."
Erleichtert atmete ich auf, bedankte mich bei Madam Pomfrey, wünschte ihr einen schönen Tag und ging zurück in die Große Halle.
Die meisten Schüler hatten aufgegessen und bereiteten sich auf die letzten Stunden vor, Serina und ich hatten frei, da Professor Sprout heute wohl verhindert war.

Wir blieben an dem Slytherintisch sitzen, wie auch die anderen Schüler unseres Kurses. Remus ging an mir vorbei, zu seinem nächsten Unterricht. Während er das tat, streifte er mich mit seinem Arm sanft. Ich musste grinsen. Er kann es wirklich nicht lassen.
"Zauberschach?", fragte ich an meine Schwester gewandt, welche bejahte.
Das Schachbrett lag wenig später auf dem Tisch und die Figuren starrten sich hasserfüllt an.
Im Minutentakt schlugen sich die Figuren die Köpfe ab.
"Schach matt!", rief Serina lachend.
Lächelnd sah ich sie an und holte das Pergament von Snape heraus. Ebenso wie mein Exemplar von 'Zaubertränke für Fortgeschrittene'.

Trank der Lebenden Toten
Felix Felicis
Amortentia
Veritaserum

Ich entschied mich erst einmal nicht weiterzulesen.
"Accio Feder", damit holte ich sie aus meiner Tasche. Auch ein paar Rollen Pergament schwebten auf den Tisch vor mir. Veritaserum. Ich blätterte durch die Seiten des Buches.
"Nur wenige Tropfen dieses Gebräus reichen aus, um einer Person seine tiefsten Geheimnisse zu entlocken...", flüsterte ich.
Ich kopierte die Beschreibung, die Zutatenliste und die Anweisungen sorgfältig auf ein Pergament.
Anscheinend vergaß ich während des Lernens alles um mich herum, denn ich schaute erst auf, als meine Schwester mich anstieß.
"Amber, morgen ist Samstag. Gehen wir nach Hogsmeade?"
"Ich muss lernen... geh doch allein... Oder nimm Percy Weasley mit", scherzte ich, als sich der Rotschopf an uns vorbei schlängelte.
"Aus dem Weg, ich bin Vertrauensschüler!", äffte Serina ihn nach. Wir mussten lachen, vermutlich ein wenig zu laut.

Der Rest des Tages verstrich unglaublich schnell, da ich ihn mit lernen verbrachte. Ich hatte beinahe die ganze Liste mit den wichtigen Themen für Zaubertränke durchgearbeitet und mit Zauberkunst hatte ich auch schon angefangen. Müde fiel ich ins Bett und schlief schnell ein.

Äste peitschten mir ins Gesicht während ich durch den verbotenen Wald rannte. Meine Füße flogen über die Wurzeln, der Brustkorb bebend und die Atmung laut und schwer. Panisch sah ich mich um. Wohin?
Ein Heulen hinter mir. Nach links, an einem ungewöhnlich dicken Baum vorbei. Spinnenweben in meinem Gesicht. Klappern, wie von großen, bedrohlichen Kauwerkzeugen. Acht dunkle, riesige Augen starrten in meine. Unter ihnen zwei weit aufgerissene menschliche Augen.
"Amber! Amber, wieso hilfst du mir nicht?", die weibliche Stimme schrie schmerzerfüllt. Jetzt erkannte ich die Acromantula, welche sich vor mir aufbaute. Größer als gewöhnlich. Haarig.
Die Frau schrie. Sie kam mir bekannt vor. Ihr Gesicht so blutverschmiert. Hinter mir wieder dieses Heulen. Gelbe Augen. Blut. Schreie.
"Amber!"

Schweißgebadet schreckte ich hoch. Mal wieder. Diese Frau... Ihr Gesicht... Es war meine Großmutter. Nur was hatte die Acromantula damit zu tun? Ängstlich sah ich mich um. Alle anderen schliefen friedlich. Durch das kleine Kerkerfenster fiel das helle Mondlicht. Vollmond. Ich spürte einen starken Schmerz im ganzen Körper. Pulsierend, so wie das Blut in den Adern. Es fühlte sich an, als würde mein Körper deformiert werden. Verändert. In die Länge gezogen. Ich schlug die Bettdecke zur Seite. Alles war normal.
Ich entschied mich dazu, einfach die Augen wieder zu schließen. Die restliche
Nacht lag ich wach. Den Schlaf drängte ich verkrampft zurück. Zu groß war die Angst vor den Träumen. Und heute hätte Remus mich nicht trösten können.

Langsam wurde es hell draußen. Von der fernen Eulerei hörte ich die Eulen schreien. Neben diesen Rufen war es noch still, aber nicht mehr lange und das Schloss würde erwachen.
Es vergingen einige Stunden. Nun saß ich in der Bücherei und starrte aus dem Fenster. Kleine Gruppen machten sich auf den Weg nach Hogsmeade. Ich seufzte und betrachtete die hübsche Feder, welche ich von Remus zu Weihnachten bekommen hatte.
Sicherlich schlief er noch, war zu müde von seiner Verwandlung in der Nacht.
Ich schlug das Buch für alte Runen auf und studierte die Einträge auf Seite 274. Die braune Feder kratzte auf dem Pergament.
Bis zum späten Nachmittag holte ich alles nach, was ich nachholen musste.
Ein Mädchen mit braunen, buschigen Haaren stand auf einmal neben mir.
"Du bist Amber Parker, oder?"
"Ja. Granger?"
Sie nickte und übergab mir einen Brief.
"Von Professor Lupin, er wollte, dass ich ihn dir überbringe, da er selbst dich nicht stören wollte?", sagte sie in einem fragenden Ton.
"Danke", murmelte ich und öffnete ihn.
Granger blieb einen Moment stehen, merkte durch meinen Blick aber, dass sie gerade nicht erwünscht war und ging.

Hallo Amber,
Komm um 22:00 Uhr bitte durch den Geheimgang im Schloss zur Heulenden Hütte. Ich muss etwas dringendes mit dir besprechen. Ich liebe dich.
Remus

Ich seufzte. 'Ich muss etwas dringendes mit dir besprechen.' Was soll das bedeuten? Der Brief glitt zusammengefaltet in meine Tasche und ich widmete mich noch einmal meiner Runenübersetzung. Bis ungefähr halb neun verbrachte ich meinen Tag in der Bibliothek und ging dann in meinen Schlafsaal, um meine Sachen abzulegen.
21:22 Uhr. Serina spielte im Gemeinschaftsraum mit dem Drittklässler Blaise Zabini Zauberschach. Ich schlich mich leise aus dem Raum.
"Lumos", flüsterte ich und die Spitze meines Stabes entflammte. Schnell lief ich den Geheimgang zur heulenden Hütte entlang, bis ich in dem kleinen, zerfallenen Gebäude stand.

"Professor?" (Remus Lupin Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt