48: Lieblingsplatz

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Lucas:

„Jetzt sagt doch was dazu", bitte ich meine Eltern, als wir beim Essen sitzen.
Mein Vater schnaubt. „Was sollen wir denn dazu sagen? Zuerst bekommst du ihre Krankheit und dann wirst du selbst zu einem Schwulen. Wahrscheinlich hat das HIV irgendetwas mit deinem Hirn gemacht" Den letzten Satz murmelt er nur, da er weiß, dass das unmöglich ist.

Wie wunderbar, dass meine Eltern nur an meine Geschlechtskrankheit denken, wenn ich ihnen meine große Liebe vorstelle.
Vielversprechend.

„Ich bin nicht schwul, Dad, ich bin pansexuell. Das bedeutet ich verliebe mich in den Charakter eines Menschen unabhängig vom Geschlecht"
Jetzt schnaubt er böse belustigt. „Musste es deshalb ausgerechnet so eine Transe sein?"

Ich sehe, wie Cas schockiert der Mund aufklappt.

„Sag mal geht's noch?", frage ich aufgebracht. „Also erstens ist Transe eine Beleidigung, die du nicht aussprechen solltest, zweitens ist an transsexuellen Menschen oder Transvestiten nichts schlimmes, es sind immer noch Menschen, die eben das ausleben was sie fühlen. Da gehört viel Mut dazu, den andere niemals aufbringen könnten. Und 3. Selbst wenn Cas transsexuell oder Transvestit wäre. Who cares? Ich liebe ihn mit all seinen Ecken und Kanten, doch diese Sexualität wäre bestimmt keine davon."

Mein Vater presst die Zähne zusammen, sowie ich, wenn ich angespannt bin, meine Mutter ist einfach nur still.
Ich atme tief durch, bevor ich weiter spreche. „Ihr müsst es ja gar nicht verstehen. Das einzige, was ich will ist Akzeptanz, mehr nicht. Ich bin immer noch ich, ob ich jetzt einsam in meinem Zimmer vor mich hinvegetiere oder mit Cas glücklich bin. Entscheidet ihr, welche Variante ihr lieber habt, aber ich hab meine Wahl getroffen"
Danach stehe ich auf und ziehe Cas mit auf die Beine, damit wir hier verschwinden können.

Ich hab mich ja echt auf alles vorbereitet gehabt, nur nicht auf das.
Ich dachte, sie würden mit seinen Sexgeschichten ankommen oder mich fragen, wie es kommt, dass ich mich überhaupt in einen Jungen verlieben konnte, aber sowas?
Was gibt meinen Vater das Recht, meinen Freund als eine Transe zu bezeichnen?
Schlimm genug, dass er überhaupt findet, so etwas sei falsch, aber nur weil Cas sich mehr um sein Äußeres kümmert als andere Jungs, heißt das doch noch nichts.
Und selbst wenn, für mich würde es nichts ändern, selbst, wenn er Titten und eine Vagina hätte.

Wir fahren schon eine Weile im Auto, ohne richtig nachzudenken, wohin steuere ich meinen Lieblingsplatz an. Es handelt sich um eine kleine Brücke im Wald, unter der ein Fluss hindurch fließt.

Als wir dort ankommen, sieht Cas sich verwirrt um. „Was machen wir hier?"
Ich küsse seine Hand. „Ich zeig dir meinen Lieblingsplatz"
Er nickt, wir steigen aus.

Während wir dorthin laufen, lege ich den Arm um ihn. „Du nimmst das nicht ernst, was mein Dad gesagt hat oder?" Ich werfe ihm einen forschenden Blick zu.Ich
Er schnaubt. „Dein Dad hat nicht mal Ahnung, wovon er redet. Wer hat denn bitte schön festgelegt, dass Nagellack, Make up oder Schminke nur was für Frauen sein darf? Seit Jahrtausenden schminken sich Männer auch, meistens nur die hochangesehenen. Außerdem soll er sich mal die richtig erfolgreichen Bands aus seiner Zeit anschauen und mir einen Musiker zeigen, der nicht schon mal geschminkt war. Nur weil ich mir manchmal vorstelle, dass es einfacher ist eine Frau zu sein, heißt das nicht, dass ich auch gerne eine wäre oder eine sein will. Ich bin männlich, ich liebe es ein Typ zu sein und andere Typen zu lieben und dabei das zu tun, was mir gefällt und womit ich mich wohlfühle. Ich bin immer noch ich und wer das nicht versteht, der dann mich mal am Arsch kratzen.
Außerdem wenn dein Dad mich so nicht mag, wird er mich auch nicht mehr mögen, wenn ich aufhören würde hin und wieder Schminke tragen oder so. Und ich bin mir sicher, er hat im Prinzip auch gar nichts gegen mich oder mein Verhalten, sondern eher dagegen, dass du darauf stehst"
Beim letzten Satz grinst er mich an, wofür er ein Lächeln bekommt.

Wir erreichen die Brücke, ich hebe ich kurzerhand hoch und setze ihn auf dem Gerüst ab. „Und wie ich darauf stehe", gebe ich zu, während ich mich zwischen seine Beine stelle.
Er legt die Arme auf meinen Schultern ab und lächelt, als er sich umsieht.
Wir sind zur perfekten Zeit gekommen, sodass gerade die Sonne sich beim Untergang in der Wasseroberfläche spiegelt.
Wie verzaubert sehen wir dabei zu. Er legt den Kopf auf meinem ab und ich kuschele mich an seine Brust.
Er tut immer so, als sei er ein totaler Lauch, aber ich vermute, er hat irgendwo ein geheimes Fitnessstudio versteckt, in dem der regelmäßig trainiert.

Als die Sonne dann immer weiter untergeht, drückt Cas mir einen Kuss auf den Kopf, kurz bevor er mein Kinn nach oben drückt, sodass ich ihn ansehen kann. „Danke, dass du mich hierher gebracht hast. Das ist echt wunderschön"
Ich lächle, während er mit Daumen und Zeigefinger meinen Kieferknochen entlangfährt. „Genau wie du"
Daraufhin muss er ebenfalls lächeln und beugt sich runter um mich küssen zu können.
Es ist ein seltsames Gefühl, das auch mal nach oben zu machen, ist aber nicht schlecht.

„Ich liebe dich, Lucas Blake", flüstert er gegen meine Lippen, als er mir wieder aus seinen blauen Augen entgegenblickt.
„Ich verehre dich, Castor Greed" und das ist die Wahrheit.
Vielleicht glaube ich an keinen Gott und gehörte keiner Religion an, ich weiß nicht, ob es Himmel oder Hölle gibt oder ein Leben nach dem Tod, es gibt genau eine Sache, auf die ich mich verlassen kann und zwar, dass Castor alles ist, was ich will und brauche, um auch nur irgendwie glücklich zu sein.

Liebe ist auch nur eine Sucht (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt