11)

2.8K 99 0
                                    

"Oh, Hallo Mr. Evans. Ich wusste nicht das ich sie störe, ich wollte nur Jenna ihre Jacke vorbeibringen, die muss sie wohl vergessen haben", er steht einfach so da, ganz verdutzt, behält aber die Fassung.

Sein Blick lässt von meinem Vater ab, vor Angst er könnte mich entdecke rutsche ich auf den Boden und ziehe mich vorsichtig in Richtung Wohnzimmer, raus aus seinem Blickfeld.

"Du sollst da sitzen bleiben hab ich gesagt". Mein Vater schmeißt die Tür vor Ryans Nase zu und kommt wütend auf mich zugestampft.

"Kannst du denn nicht einmal hören, verdammte Scheiße. Wie kannst du meine Tochter sein, du bist dümmer als jedes Stück Brot", er schreit so unfassbar laut, das ich Angst habe, dass man es vor der Tür noch hört.

Er schlägt mir wieder ins Gesicht und trifft genau mein Auge. Verdammt. Ich schreie laut auf, kanns mir nicht verkneifen, die Schmerzen sind zu groß.

Er setzt wieder an, hält allerdings inne, als laut an der Tür geklopft wird, eher hämmert.

"Du gehst hoch in dein Zimmer und ich vertreibe diese Eckel. Und das du deine Jacke bei irgendeinem Kerl zu Hause vergisst geht auch gar nicht, da reden wir später drüber. Nur damit du dich schon mal drauf gefasst machst".

Nein, nein. Was soll das. Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich meine Jacke am Samstag bei ihm vergessen habe, wie konnte mir das passieren und warum bitte bringt Ryan die Jacke mir nicht in die Schule mit. Wir haben uns doch heute gesehen, da hätte er mir die doch auch geben können.

Ich kann einfach nicht mehr, wann hat das alles endlich ein Ende? Voller Schmerzen im ganzen Körper ziehe ich mich Stufe für Stufe die Treppe hoch, als ich fast oben angekommen bin, öffnet mein Vater die Tür.

"Ich will ja wirklich nicht stören, aber die Jacke", durch einen kleinen Schlitz kann ich erkennen, wie er demonstrativ die Jacke hochhält.

Ich hatte für einen kurzen Moment die Hoffnung, dass er mich hier raus holen würde, dass er mich beschützen würde, oder das er einfach für mich da wäre. Aber nein, es wäre wahrscheinlich auch zu viel erwartet. Wir kennen uns kaum, er hat mich schon einmal gerettet, noch einmal würde an ein Wunder grenzen.

Langsam stütze ich mich ab, die Tür ist wieder geschlossen und mein Vater mit einem neuen Bier im Wohnzimmer. Als ich den Fernseher laufen höre, bin ich beruhigt und mache mich vorsichtig auf den Weg in mein Zimmer.

In meinem Bad mache ich vorsichtig meine Haare zusammen um mir mein Gesicht besser anschauen zu können. So ein Mist, dass bekomme ich im Leben nicht abgedeckt. Ich werde mir wieder etwas einfallen lassen müssen, das letzte mal bin ich schon mit dem Fahrrad gestürzt, dieses mal vielleicht wieder die Treppe oder beim Fenster putzen von der Leiter, die beiden hatte ich lange nicht mehr. 

Das kalte Wasser betäubt für kurze Zeit die frischen Wunden und lässt mich tief durchatmen.

Enttäuscht denke ich an Ryans freundlichen Blick meinem Vater gegenüber, hat er uns wirklich nichts gehört? Wundert er sich nicht wenigstens ein bisschen, oder ist es ihm einfach egal. Auf der anderen Seite, hat das natürlich auch was gutes, schließlich wird er mich so bestimmt nicht drauf ansprechen und die Situation eben ist auch nicht noch mehr eskaliert.

Erschöpft lege ich mich in mein Bett und sofort fallen mir die Augen zu. Schnell schlafe ich ein, in einen aufgewühlten, unruhigen Schlaf. 

Mit einem Schreck wache ich auf, mein Traum muss wohl nicht so schön gewesen sein. Schweißgebadet sitze ich aufrecht im Bett. Er ist vollkommen dunkel in meinem Zimmer. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass wir 5 Uhr morgens haben.

Da ich sowieso kein Auge mehr zu bekomme steige ich langsam aus meinem Bett. Ich mache das Licht an und tapse leise in mein Badezimmer. Als ich das Haargummi aus meinen zerzausten Haaren ziehe zucke ich zusammen. Vorsichtig wage ich einen Blick in den Spiegel.

Mein Auge ist heftig angeschwollen und schimmert in verschiedene Farben. Meine Arme und besonders meine Handgelenke sehen allerdings schlimmer aus. Genervt stöhne ich auf. Die Schmerzen sind mir relativ egal denn dafür gibt es Schmerztabletten und man gewöhnt sich dran, aber dieses elende Versteckspiel schaffe ich nicht mehr lange. Kein ganzes Jahr mehr, dann bin ich 18 und kann von hier weg. Nur wohin ist dann die Frage.

In Gedanken versunken ziehe ich mich aus und stelle mich unter die Dusche. Das lauwarme Wasser brennt auf meiner Haut und beteubt die Schmerzen für einen kurzen Moment. Aber nur die äußerlichen, innerlich lässt sich nichts mehr einfach so verdrängen. Ich fühle ich schrecklich. Elend.

Fertig angezogen mache ich mich dran mich zu schminken. Ich überschminken ebenfalls die noch sichtbaren blauen Flecken an meinem Dekollete und an meinen Armen.

Halbwegs zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Meine nassen, braunen Haare legen sich an meine Wangen. Meine Augen sehen matt aus. Ich fühle mich verloren, so als ob ich in diesem Moment in meiner eigenen Welt gefangen bin. Ich wünschte so sehr alles hier wäre nicht real. Das es nicht mein Leben ist sondern nur ein beschissener Traum in dem ich gefangen bin.

Seufzend komme ich in die Realität zurück und schnappe mir meinen Föhn.

Nachdem ich mich komplett fertig gemacht habe und meine Tasche für die Schule gepackt habe gucke ich auf die Uhr. Wow, ich hab es echt geschafft zur genau der selben Uhrzeit fertig zu werden wie sonst auch immer wenn ich über eine Stunde später aufstehe. Naja normalerweise dusche ich auch nicht so lange und muss mich auch nur im Gesicht schminken, oder gar nicht.

Ich gehe die Treppe runter, versuche dabei leise zu sein, weil es durchaus sein kann, dass mein Vater noch man schlafen ist. Was wiederum bedeutet, dass ich ihn besser nicht wecke um dadurch sein Zorn noch mehr auf mich zu lenken.

Unten in der Küche sehe ich schon Mum am Herd stehen. Sie macht Pancakes, dass macht sie fast immer wenn sie das von Dad wieder gut machen will. Aber ein Wort darüber verlieren tut sie im Leben nicht, sie hat es noch nie ausgesprochen, nicht mal angedeutet. Sie tut immer so als ob nie irgendwas gewesen wäre. Trotzdem wissen wir alle ganz genau, dass in dieser Familie etwas gewaltig schief läuft. 

Mum schaut mich zwar an, aber immer nur kurz, besonders dann, wenn sie es nicht erträgt zu sehen was er wieder mit mir gemacht hat, oder dann wenn sie selbst ihre Wunden und den Schmerz in ihren Augen zu verstecken versucht.

Nach kurzer Zeit kommt Nathan runter, er schaut mich nicht an, fängt nur an still sein Essen zu essen. Nach dem ich aufgegessen habe, verlasse ich wortlos die Küche und mache mich dann auf den Weg zur Bushaltestelle.

Aus unerklärbaren Gründen wünsche ich mir irgendwie, dass wieder dieses schwarze Auto mit den getönten Scheiben neben mir hält, tut es aber nicht. Es fährt nicht mal an mir vorbei.

Als der Bus kommt quetsche ich mich in den überfüllten Bus mit den ganzen kleinen Kindern. Die Grundschule liegt leider Gottes nämlich genau neben unserer Schule, nicht zu vergessen, dass wir an unserer Schule alleine schon genug 5 Klässler haben, die schon genug nerven.

Puh endlich geschafft. Erleichtert komme ich mit Gedränge aus dem Bus raus und schnappe nach frischer Luft. Ich betrete das Schulgebäube und gehe zu meinem Spind.

Ich öffne die Spindtür und hole mein Buch raus. Nachdem ich alles zusammen habe mache ich mich mit gesenktem Kopf auf den Weg zu dem Raum in dem ich gleich Unterricht habe.

Erschrocken falle ich rücklings auf den Boden nachdem ich gegen jemanden gelaufen bin. Meine Bücher und Zettel verteilen sich im Flur. Mein Blick richtet sich auf die Person über mir.

****
1297 Wörter
Na wer das wohl sein wird?
Das denkt ihr?

SAVE MEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt