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Als Nathan wieder nach Hause kommt springe ich zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe runter. Sein Gesicht lässt selbst die kleinste Hoffnung in mir schwinden. 

"Na schön, wirst du mir dann wenigstens sagen wer es dann war?" Vor Erleichterung hätte ich beinah laut aufgeatmet, kann mich aber in der letzten Sekunde noch zusammenreißen. 

"Nathan, das ist meine Sache, misch dich da einfach nicht ein. Es ist sowieso schon peinlich genug, dass du zu Ryan gegangen bist und da bestimmt einen Aufstand gemacht hast"

"Ich konnte ja nicht wissen das Ryan den ganzen Abend auf seine Schwester aufpassen musste, außerdem war es am naheliegendsten so wie ihr euch immer anguckt"

"Wie gucken wir uns denn an, ist das etwa jetzt auch schon verboten?" Er kann nicht einfach über meinen Kopf hinweg entschieden was gut und was schlecht für mich ist. So läuft das nicht, auch wenn er mein großer Bruder ist. 

"Nein, mein bester Freund darf nicht einfach meiner kleinen Schwester hinterher gucken. Das ist widerlich und gegen den Freundschaftskodex"

"Jetzt werd mal erwachsen, Jenna ist alt genug um sich ihren Freund alleine aussuchen zu können, und du redest von Freundschaftskodex, wir sind nicht mehr in der 5ten Klasse, wir können uns verlieben in wen wir wollen"- Melli steht am Treppengeländer gelehnt und schaut Nathan ernst an. Dieser starrt sie nur an und scheint über die Bedeutung ihrer Worte nicht nachzudenken.

"Ihr hast du erzählt wer es war?", fragt er stattdessen ungläubig

"Ja und ich könnte es dir auch erzählen schließlich sind wir in einem Alter, in dem man mittlerweile offen über seine Gefühle reden kann, aber das geht nur wenn der andere nicht gleich über einen Urteilt. Vielleicht solltest du das auch mal probieren, dann bräuchte ich auch kein Geheimnis daraus zu machen"

Ich gehe hoch in mein Zimmer, Melli folgt mir. Sie scheint sauer zu sein, denn ihre Brauen sind eng zusammengezogen und werfen tiefe Furchen in ihre Stirn. "Ist schon okay, der bekommt sich wieder ein", will ich sie beschwichtigen, mit mäßigem Erfolg, "das ist einfach Unglaublich, in all den Jahren habe ich nie bemerkt wie kindisch und kleinkarriert er eigendlich ist. Er wird niemals akzeptieren was ihr beiden habt, und wie lange soll ich noch darauf warten bis er mich endlich anspricht? Jahre? Nein danke, der kann mir jetzt wirklich mal gestohlen bleiben"

"Jetzt mach mal halblang Melli, er ist ja nur zu mir so weil ich seine kleine Schwester bin und irgendwann wird er sich wohl mal einen Ruck geben können und sich trauen. Ich weiß ganz sicher das er auf dich steht"

"Mhm", murmelt sie und lässt sich auf mein Bett fallen, beinah in der selben Sekunde schreckt sie hoch und hält sich die Hand vor den Mund. "Ih, sorry aber ich möchte eigentlich nicht da liegen wo ihr beiden letzte Nacht, naja du weißt schon". Lachend gehe ich in meinen Kleiderschrank und suchen mir was zum Anziehen raus. Mit einem Jeansrock, den ich mal endlich wieder tragen kann, da zur Zeit keine blauen Flecken oder Schürfwunden an meinen Beinen sin, und einem hellen Top komme ich zurück ins Zimmer.

Melli steht noch immer in der Mitte, offensichtlich unschlüssig über ihre nächste Handlung. "Komm lass uns in den Park gehen", schlage ich vor, auch um aus diesem Haus zu flüchten.

Im Park angekommen setzen wir uns, mit einem Eis vom Eiswagen, auf unsere Lieblingsbank. 

"Und?", fragt Melli nach einer Weile in der wir nur schweigend gegessen und auf den kleinen See vor uns geblickt haben.

"Was denn?" frage ich sie zurück, da ich nicht verstehe was sie hören will.

"Und wie wars, letzte Nacht, mit Ryan meine ich"

"Es war, hm eigentlich kann ich es nicht mal so wirklich beschreiben"

"Weil es unbeschreiblich gut war, oder du nicht weißt wie" - "ersteres", platzt es aus mir raus, was uns beide zum schmunzeln bringt. "Nun erzähl schon wie es passiert ist".

"Ok, also er war bei mir um mir zu sagen, dass ihm die Freundschaft zu Nathan wichtig ist und er da eigentlich nichts riskieren will. Daraufhin hab ich ihn dann angepisst gefragt ob er deswegen extra hergekommen ist, ich meine das hätte er mir ja wohl auch einfach schreiben können. Und dann hat sich die Situation irgendwie verändert und wir haben uns wieder geküsst aber es war viel, es war einfach viel leidenschaftlicher als sonst. Und als wir dann im Bett lagen, so kurz bevor es passiert ist, hat sich das ganze irgendwie nochmal verändert. Er war viel sanfter und so zärtlich und verdammt, in dem Moment habe ich wirklich geglaubt er liebt mich"

"Und jetzt glaubst du das nicht mehr? Das klingt doch total toll"

"Ja schon, aber ich weiß nicht. Irgendwie habe ich Angst davor, dass er mich auch nur so sieht wie alle anderen die er schon hatte, oder davor, dass er sich einfach nicht mehr bei mir meldet und alles so ist wie vorher, oder dass ich die einzige bin, die diese Gefühle hat".

"Das glaube ich nicht, ich meine klar war es am Anfang ein bisschen komisch das er plötzlich wieder an die Interesse gezeigt hat, aber wie er dich immer anschaut, oder was du mir eben erzählt hast, das klingt nicht nach dem Aufreißer Ryan, sondern nach einem ehrlichen und aufrichtigen Ryan. Und ich glaube er hätte auch die Freundschaft zu Nathan nicht riskiert, wenn es ihm nicht genauso viel bedeutet hätte wie dir"

Ich schweige und schaue statt sie lieber die Enten im See an. Irgendwie ist es ein komisches, unbekanntes aber auch gutes Gefühl jemand der mich so gut kennt über Ryan und mich reden zu hören. So als ob es uns gibt, als ob das was wir haben wirklich real ist.

***

962 Wörter

Was meint ihr wie Ryan wohl dazu stehen wird, kann er seine alten Muster ablegen?

SAVE MEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt