Tim

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Es dauerte nicht mehr lange, dann ging es mir besser. Kaum schaffte ich es aus dem Bett begann deswegen gleich wieder das Training. Hoodie war bereits auf einer Mission (er sollte einen Vergewaltiger abknallen- etwas, was er nur allzu gerne tat) und Toby musste Recherche betreiben. Jeff hatte momentan eine besonders blutrünstige Phase, weshalb ich gegen ihn erst später antreten wollte, Sally wollte lieber eine Teeparty veranstalten (nein, danke), Ben hockte Tag und Nacht vorm PC, da eine Spiele-Plattform bald ihren großen Sale hatte, Laughing Jack war damit beschäftigt Süßigkeiten zu machen, Helen suchte neue Farbe, EJ war jagen und Judge Angel hatte sich schon seit langem nicht mehr blicken gelassen. Kurzum: Mein Trainingspartner war Tim. Auch wenn er mich am Anfang skeptisch beäugte:
„Bist du dir sicher, dass du nicht noch einen Tag warten willst?"
„Ich bin eine Proxy."
„Und unser Boss hat Verständnis für sowas. Er will uns an unsere maximalen Grenzen bringen, nicht brechen."
Ich verdrehte die Augen.
Mit Helen wäre das einfacher
„Ich sag schon Bescheid. Können wir jetzt anfangen?"
Er nickte und stellte sich in Position. Tim hatte sowohl für Messer als auch für Schusswaffen was übrig, zog jetzt jedoch sein Messer. Ich nahm meinen Dolch, genoss das Gefühl von Leder, welches langsam warm wurde. Wir schauten uns kurz in die Augen. Danach verschwamm alles in einem Durcheinander aus Bewegungen, Rollen, Klirren von Klingen, Tritten und Schlägen. Der Puls wurd nur langsam schneller; so sehr war ich doch nicht aus der Übung gekommen. Wie eine Kriegstrommel untermalte er das Gefecht, trieb mich an und ließ meine Reaktionsgeschwindigkeit steigen. Ich war im Präsens und gleichzeitig in einer anderen Welt. Keine unnötigen Gedanken, keine Sorgen. Alles was zählte war der Kampf. Am Anfang genoss ich es sehr, ich war frei und konnte alles rauslassen, ich war nützlich. Doch dann fiel es mir auf: Tim kämpfte nicht richtig. Normalerweise war er Feuer und Flamme für einen richtigen Trainingskampf. Er nahm seine Pflicht sehr ernst und übte deshalb fast jeden Tag. Doch nun blockte er zum größten Teil und griff nur halbherzig an. Schließlich hatte ich keine Lust mehr: Mit einer Mischung aus wütend und frustriert entwaffnete ich ihn schnell, das Messer flog ein paar Meter weiter und landete dumpf auf dem Waldboden, schmiss mich auf ihn, drückte ihn nieder und starrte ihn mit meinem Blick nieder:
„Was ist heute los mit dir? Sag's mir!"
„Du willst wissen, was mit mir los ist?"
Ich runzelte die Stirn:
„Das habe ich doch gesagt!"
„Das willst du wirklich wissen?"
Mir riss langsam der Geduldsfaden und dass dieser Mistkerl dabei so ruhig blieb machte es nicht besser:
„Ja, verdammt!!"
Die Welt drehte sich, jetzt lag er über mir, drückte mein eines Handgelenk neben mir auf den Boden. Ich war unachtsam gewesen und während die Feuchtigkeit des Waldes langsam durch meine Kleidung kroch verfluchte ich mich deshalb. Tims Blick war seltsam. Im Nachhinein kannte ich diesen Blick aus meiner Schulzeit, doch in diesem Moment wollte ich ihn nicht erkennen. Ich war zu perplext um mich zu wehren. Mit der anderen Hand umfasste Tim mein Gesicht, dann lagen auch schon seine Lippen auf meinen. Dieser Kuss war anders als der mit Helen. Stürmischer, weniger innig. Ich mochte ihn nicht. Tim presste seine Lippen gegen meine, drückte mit seiner Hand mich näher ran. Ich erwiderte nicht, doch das schien ihn nicht zu stoppen. Wahrscheinlich registrierte er das nicht. Die Luft wurde langsam knapp und ich begann mich zu wehren, doch ihn juckte es nicht, stattdessen biss er mir auf die Unterlippe, wodurch sich mein Mund einen Spalt öffnete, was er sofort ausnutzte um mir seine Zunge in den Hals zu schieben. Nun entfernte sich seine Hand von meinem Gesicht, ging weiter runter, über meine Brüste. Das Gefühl mich übergeben zu wollen kam nicht nur daher, dass seine Zunge meinen Würgreflex auslöste. Ich tastete mich mit einer Hand über den Waldboden, meinen Dolch suchend. Hätte ich gekonnt, hätte ich erleichtert aufgeseufzt, als ich das Metall unter meinen Fingerspitzen fühlte. Langsam, Stück für Stück zog ich es zu mir ran.
Nur noch ein kleines bisschen...ein kleines bisschen, komm schon!
Ein dumpfes Aufschlagen ertönte:
„TIM!!"
Helen. Und ich hatte ihn noch nie so wütend erlebt. Ich spürte, wie Tim unachtsam wurde; genau in diesem Augenblick bekam ich meinen Dolch zu greifen. Der Moment war perfekt, ich zögerte nicht lange und schnitt ihm damit im Gesicht. Endlich löste er sich von mir. Sofort rappelte ich mich auf und entfernte mich von ihm und schaute Helen an, welcher mir einen kurzen Seitenblick zuwarf, bevor er sich wieder auf Tim konzentrierte. Nun sah ich auch, was heruntergefallen war: Helens Einmachglas mit frischem Blut.
Doch das Blut an ihm war nicht der Grund, weshalb er so wild wirkte. Tim wischte sich über die Wange; mein Schnitt war ziemlich lang. Auch ich leckte mir kurz über die Unterlippe, schmeckte das Metallische vom Blut. Tim versuchte sich selbstsicher zu geben, doch man erkannte, dass Helens Auftreten ihn verunsicherte. Wenn auch nur kurz, denn danach schien auch bei ihm die Wut hochzubrodeln:
„Helen."

Unter der Oberfläche - a Bloody Painter lovestory Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt