Free fallin'

138 12 3
                                    

"Grover? Ich glaube, ich kann mich nicht mehr halten!"
Thalia wusste nicht, wie lange sie schon da hing. Sie klammerte sich mit einer Hand an einen Ast, mit der anderen umklammerte sie Grovers Handgelenk. So baumelten sie in etwa sieben Metern Höhe an einer riesigen Fichte. Und um den Fass den Boden auszuschlagen konnten sie tief unter ihnen das Bellen und Knurren mehrerer Hunde hören. Thalia fürchtete nichts mehr als die Höhe. Und Grover schien sich vor Hunden zu fürchten. Na toll. Es war ja ein Wunder, dass sie noch bei Bewusstsein war. Sobald sie nach unten sah, drehte ihr Magen eine Ehrenrunde. Und langsam, langsam lösten sich ihre Finger von der rauen Rinde. Alles tat ihr weh, weil sie nicht nur sich selbst, sondern auch Grovers zusätzliches Gewicht mit nur einem Arm halten musste. "Bitte Thalia", wimmerte Grover. "Halt nur noch ein bisschen aus."
Doch es war zu spät. Die letzte Kraft verließ sie und sie stürzten, stürzten, stürzten in scheinbar endlose Tiefe. Und dann kamen sie doch auf. Unsanft. Furchtbar unsanft. Thalia hatte das Gefühl, dass jeder einzelne Knochen in ihrem Körper gebrochen war. Plötzlich hörte sie ein bedrohliches Knurren. Und Grober schrie. In einer anderen Situation hätte sie sicher gelacht, denn er klang wie eine Ziege. Aber jetzt, da ihr ein riesiger schwarzer Hund mit roten Augen seinen heißen, stinkenden Atem ins Gesicht blies, hätte sie eigentlich selbst gern geschrien, doch ihre Brust war wie zugeschnürt. Mit der Hand tastete sie über den Waldboden, bis sie Grovers Hand fand und drückte sie. "Denk nicht daran, was passiert", sagte sie leise. Ihre Stimme war rau und der Hund hatte jetzt begonnen mit großem Interesse seine Nase in sie zu bohren und sie zu beschnüffeln. "Denk an das, was passiert ist. Die schönen Dinge. Ich meine, es sind doch schöne Dinge passiert oder?" Und leise, kaum hörbar, erzählte sie Grover von den Dingen, die er schon wusste. Von dem Tag, an dem er sie im Schloss gefunden hatte. Wie sie die anderen gefunden hatten. Von dem Haus. Von Grimm. Von den Bildern. Und die Angst verschwand aus seinen Augen, er entspannte sich und sah sie dankbar an. Doch das war nicht das einzige, dass sich veränderte. Die Hund hoben plötzlich die Köpfe, als hätte sie jemand gerufen und trotteten davon. Dann gab es ein hohes, zischende Geräusch und alles begann sich zu drehen. Thalia und Grover, noch immer schwer verletzt, lagen einfach auf dem Boden. Dann war alles weiß. Verwirrt regte Thalia sich. Die Schmerzen waren weg. Langsam, vorsichtig richtete sie sich auf. Nichts schien gebrochen. Sie sah sich um. Nichts. Ein leerer weißer Raum. Nur Grover, der am Boden saß und sich den Kopf rieb. Sie sah an sich hinunter. Keine Anzeichen darauf, dass sie sieben Meter in die Tiefe gestürzt war. Obwohl, doch. Ihr Bogen war weg. Im selben Moment stieß Grover ein überraschtes Meckern aus. "Meine Flöte! Meine Panflöte ist weg!"
Sie nickte. "Mein Bogen und mein Köcher auch. Aber hey, wir leben noch."
Er rappelte sich auf. "Da wäre ich mir nicht so sicher. Dieser Ort wirkt nicht sehr real."
Da hätte er allerdings recht. Es war absolut gar nichts da. "Wir können uns ja mal umsehen. Vielleicht finden wir etwas."
Er nickte und so gingen sie los. Schweigend. Nur Grovers Hufe klapperten und Thalias Schuhe quetschten manchmal auf dem weißen Boden. "Danke", sagte er nach einer Weile. "Das du mich vorhin beruhigt hast. Du weißt schon, als du erzählt hast."
Sie lächelte und in ihren Augen leuchtete ein verschmitzter Funke. "Dafür sind Freunde doch da."
Er sah sie überrascht an. "Freunde?"
"Natürlich Freunde. Ich habe diese ganze Scheiße nicht mit dir durchgestanden, ohne einen Freund zu gewinnen."
Er lächelte. "Ich glaube, mich hat noch nie jemand als Freund bezeichnet."
"Na, jetzt hast du ja mich am Hals." Sie wuschelte ihm grinsend durch die Haare. Dann gingen sie weiter ins Ungewisse.

Währenddessen in dem einsamen Haus im Wald hörte man ein schmerzerfülltes Stöhnen. "Diese dummen, dummen Kinder. Wieso versauen sie alles? Ich hatte das doch alles so gut geplant! Und jetzt zerstören sie den Plan... Oh, ich werde es ihnen schon noch zeigen... Das waren nur vier, die anderen werden schon noch ein blaues Wunder erleben." Grimms Lachen drang bis nach draußen zu Blackjack, Ella und Mrs O'Leary, die sich besorgt ansahen. Sollten Sie etwas machen?

Helden des MärchenwaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt