Kapitel 4 - Ashton (ü)

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Ich halte Skylar so fest an mich gedrückt, dass ich Angst habe, ich breche ihr noch was. Sie ist gerade so verletzlich, dass es wehtut, und ich frage mich, wie lange ihre letzte richtige Umarmung her ist.

Ich muss ehrlich gesagt selbst etwas mit den Tränen kämpfen, so sehr berührt mich ihre Geschichte. Ich glaube, Sky hat keine Ahnung, wie gut ich sie verstehen kann. Wie gut ich das Gefühl kenne, jemanden so sehr zu vermissen, dass alles wehtut. Dass man lieber sterben würde, als das Gefühl weiter zu haben.

„Es wird alles gut" flüstere ich Sky immer wieder zu, und sie nickt nur leicht an meiner Schulter.

„Du brauchst diesen Pulli, nicht wahr?" frage ich irgendwann, und wieder spüre ich ihr Nicken. Gibt es nicht irgendeine Möglichkeit, diesen Pulli zu bekommen? Skylars Tränen scheinen unendlich, und mir will einfach nicht einfallen, was ich dagegen tun kann.

Ich würde ihr eigentlich sogar meinen kompletten Kleiderschrank zur Verfügung stellen, doch ich ahne jetzt schon, dass das nichts bringen wird.

Aber irgendwie zweifle ich auch etwas daran, dass der Pulli ihres Bruders sie jetzt beruhigen wird, ich glaube, er würde sie sogar noch trauriger machen. Und das will ich nicht, auf keinen Fall. Auch wenn ich Sky nicht unglaublich mag – ihre Schluchzer und das Zittern ihres Körpers gehen mir bis ins Mark. Noch nie habe ich einen Menschen so gesehen, und am wenigsten hätte ich es von Sky erwartet.

Ich dachte, sie hätte abgesehen vom Tod ihrer Mutter ein gutes Leben. Ich dachte, sie wäre eine hochnäsige Tusse, die sich ab und zu abends „zufällig" von ein paar Kerlen mitnehmen lässt, doch das hier – das hätte ich nie erwartet.

„Es tut mir leid" höre ich Sky plötzlich leise murmeln, und etwas erschrocken bewege ich sie so, dass sie mir in die Augen schauen kann. „Was hast du gesagt?" frage ich, und Sky schaut mich aus ihren knallroten Augen an. „Es tut mir leid" flüstert sie, und ich schüttle den Kopf. „Wieso denn?" flüstere ich ebenfalls, und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, weshalb wir flüstern. „Naja... ich bin hier einfach aufgetaucht, und ich habe gesehen, dass du mich nicht hierhaben willst – also versuch gar nicht erst, es zu leugnen. Dann das mit der Polizei, und jetzt... wollte ich sogar für einen verdammten Pulli aus dem Fenster springen. Ich bereite bisher nur Probleme."

Ich starre Skylar kurze Zeit mit offenem Mund an, dann lächle ich. Nur leicht, aber ich lächle, und ich habe keine Ahnung, weshalb.

Mit dem Daumen wische ich wieder ihre Tränen weg, dann lege ich meine Hände auf ihre Schultern. „Sky, du musst dich für nichts entschuldigen. Ich bin hier derjenige, der sich entschuldigen sollte. Ich habe mich danebenbenommen, weil ich nicht wusste, wie ich reagieren soll. Ich wusste nicht, was passiert ist – mit deinem Vater und Jace. Ich dachte ehrlich gesagt, du willst nur billig wohnen, doch ich habe mich getäuscht, und das ist mir eben klargeworden. Es tut mir leid, Sky. Du bist hier willkommen, nur damit du's weißt. Und ich kann das mit dem Pulli nachvollziehen... sehr gut sogar. Du machst keine Probleme, okay? Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du Gefühle hast."

Jetzt schaut Sky mich lange an, dann lächelt sie ebenfalls – und ich schwöre, dieses Lächeln löst irgendwas in mir aus. „Danke" sagt sie fast wortlos, und ich grinse jetzt mittlerweile wie ein Idiot.

„Kannst du noch schlafen?" fragt Sky irgendwann, und ich schüttle den Kopf. „Nein, ich glaube nicht. Du?" Sky schüttelt ebenfalls den Kopf, und so sitzen wir uns wieder eine Weile stumm gegenüber.

Plötzlich habe ich eine Idee: wir könnten aufs Dach klettern. Das habe ich schon oft gemacht, und es ist nicht sehr schwer. „Komm mal mit" sage ich, stehe auf und halte Sky meine Hand hin. Etwas verwirrt schaut sie mich an, dann greift sie nach meiner Hand und lässt sich von mir auf die Beine ziehen. „Was hast du vor?" fragt sie leise, und ich zwinkere ihr zu. „Komm einfach mit. Es wird dir bestimmt gefallen." Kritisch schaut Sky mich ein paar Sekunden lang an, dann zuckt sie mit den Schultern und schliesst sich mir an. „Ich vertraue dir mal" murmelt sie, und ich grinse. „Es ist nichts Schlimmes" sage ich noch, und Sky nickt nur.

Weglaufen ist keine LösungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt