2. Kapitel

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Don't tell someone to get over it. Help them to get through it - Sue Fitzmaurice

Kennt ihr auch solche Tage, wo man schon beim Aufstehen merkt das man lieber im Bett geblieben wäre? Heute war definitiv so ein Tag. Nichts hat so wirklich geklappt, wie ich es wollte. Eigentlich hatten sich mehrere Schüler zu einem Gespräch angesagt, aber bis auf zwei, sind die anderen nicht erschienen. Als ich nachgehakt hatte, meinten sie nur es habe sich schon erledigt. Teenie's in der Pubertät, immer für eine Überraschung gut. Ich glaub im Moment sind meine Nerven eh nicht die besten. Natürlich darf das keiner merken. Wie sagt Susi immer? "Tante Ally...immer schön lächeln und winken. Derjenige ärgert sich vielmehr wenn man freundlich bleibt." Ganz schön schlau für eine 8 jährige.

Die Begegnung mit Paddy, will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Ob Nico wohl etwas ahnt? Ohne Grund wird er mich nicht vorbei geschickt haben. Nur was hat er davon, wenn er mich schickt? Nico und er sind seit einer halben Ewigkeit befreundet. Warum schaut er nicht nach dem Rechten? Meint er nicht, Paddy würde sich ihm eher anvertrauen? Nico schrieb mir noch am selben Abend, ob denn alles in Ordnung bei Paddy sei. Mit einem knappen Ja speiste ich ihn ab. Ich denke nicht das Paddy es Recht wäre, wenn ich ausplaudern würde, wie es wirklich ist. Eine ganze Woche ist es schon her, das ich bei ihm gewesen bin und so langsam schwindet meine Hoffnung, dass er sich noch melden wird. Ob ich nochmal bei ihm vorbei fahren soll? Doch ich schüttel den Gedanken schnell wieder ab. Das käme ziemlich blöd rüber. Ich werde warten müssen, bis er sich meldet. Hoffentlich.

Zum Glück ist jetzt Wochenende. Zwei Tage süßes nichts tun. Gerade war ich einkaufen und hab alles Nötige für einen relaxxten Abend besorgt. Chips, Schokolade und Wein. Nachher koche ich noch Spagetti Bolognese. Zwischen mir und einem gemütlichen Abend auf der Couch, trennt nur noch ein paar Minuten Fahrt. Tief in Gedanken versunken packe ich meinen Einkauf, auf den Beifahrersitz. Fiona und Sandra haben mich gefragt ob ich nicht Lust hätte tanzen zu gehen. Doch das war noch nie so wirklich meins. Ich finde dabei kann man sich so schlecht unterhalten. Kaum hab ich mich ins Auto gesetzt, klingelt mein Handy und eine mir unbekannte Nummer taucht auf dem Display auf. Wer könnte das denn sein? Vielleicht ist das ja Paddy? Schon als ich den Anruf annehme, höre ich am anderen Ende ein Baby schreien. Ich würde lügen, wenn ich sage das ich nicht erleichtert darüber wäre. "Paddy? bist du es?", frage ich vorsichtig nach. Keine Antwort. "Paddy?", frage ich erneut. Erst nach einem weiteren Moment, antwortet er: "Sie hört einfach nicht auf zu weinen... Ich kann nicht mehr." Seine Stimme klingt müde und verzweifelt. Ich atme einmal tief durch und bin froh, dass er sich gemeldet hat. "Weißt du warum sie weint? Fühlt sie sich warm an? Oder klingt es als ob sie Schmerzen hat?", frage ich und versuche möglichst ruhig zu bleiben. Ich hänge das Handy in die Fernsprecheinrichtung und starte den Wagen. "Ich weiß nicht.", sagt er und klingt überfordert. "Sie weint einfach, seit Stunden. Ich kann sie einfach nicht beruhigen. Sie mag nicht trinken und nicht schlafen. Ich hab sie getragen, hin und her geschaukelt, aber nichts hilft. Ich kann nicht mehr... Ich will einfach, dass sie endlich aufhört zu schreien. Ich will einfach nur noch schlafen!", antwortet er und klingt resigniert. "Ich mache mich sofort auf den Weg und bin in 20 Minuten bei dir.", sage ich ruhig.

Schneller als normal, fahre ich meinen Wagen durch die Straßen. Paddy hörte sich so fertig an. Kaputt. Geschafft. Überfordert. Hoffentlich bin ich schnell bei ihm. Hoffentlich kann ich ihm helfen. Als ich mein Auto schließlich vor seinem Haus parke, geht sofort die Tür auf und Paddy erscheint, mit Maja auf dem Arm. Die kleine weint noch immer und Paddy sieht nicht nur richtig verzweifelt aus, sondern auch bedeutend schlechter als bei unserer letzten Begegnung. Die Ringe unter den Augen sind noch dunkler geworden und ein deutlicher Bartschatten ist zu erkennen. Die Haare sind mittlerweile strähnig und die Klamotten komplett schmutzig. Ich atme tief durch, schnappe mir meine Einkäufe und gehe zur Tür. Als ich bei ihm bin schauen mich verzweifelte, dunkelblaue Augen an. "Sie hört einfach nicht auf!", sagt er verzweifelt. "Lass uns reingehen.", sage ich sanft. Er zögert einen kurzen Moment und beißt sich auf die Unterlippe. "Es ist aber nicht gerade ordentlich.", gibt er vorsichtig von sich. "Alles gut. Mach dir keine Gedanken. Okay?", sage ich und er nickt. "Kann ich bei dir etwas im Kühlschrank verstauen?", hake ich nach und wieder nickt er. Ich folge ihm und er führt mich in die Küche. Noch immer schreit Maja und er schuckelt sie verzweifelt hin und her. Ich verstaue schnell, meine Sachen im leeren Kühlschrank und drehe mich dann zu ihm um. "Gib mir deine Tochter.", bitte ich ihn ruhig. Als ich spüre das er zögert, huscht mir ein Lächeln über's Gesicht. Er gibt sie nicht gerne ab. Vorsichtig legt er mir dann doch die schreiende Maja in den Arm und fährt sich dann über's Gesicht. Nervös beginnt er vor mir auf und ab zu laufen, während ich Maja sanft hin und her wiege. "Mir wächst alles über den Kopf. Ich weiß nicht mehr wo vorne oder hinten ist... Ich mein schau dich doch mal um, auf was für einer Müllhalde ich meine kleine leben lasse. Ich bin so ein verdammt mieser Vater!", sagt er verzweifelt. Während er sich immer weiter in Rage redet, höre ich ihm ruhig zu. Ich habe keinen Blick für das Chaos, welches in seiner Küche herrscht. Meine Aufmerksamkeit, gehört ganz ihm. Als er sich alles von der Seele geredet hat, bleibt er vor mir stehen und sieht mich an. Noch immer wiege ich Maja in meinen Armen, die nur noch leise wimmert.

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