74. Kapitel

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Als ich ihr leises Schluchzen höre, zieht sich alles in mir zusammen. Vorsichtig drehe ich mich zu Ihr um. Mir schnürt es den Hals zu. Sie steht mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern , vor mir. Immer wieder wischt sie sich mit dem Ärmel meines Pullovers übers Gesicht. Ich würde sie gerne in den Arm nehmen, doch die Angst ist groß das sie mich von sich stößt. Wieder schluchzt sie leise. Ich schlucke schwer und gehe einen Schritt auf sie zu. "Ich will mich nicht streiten.", sage ich leise. Sie hebt den Kopf und sieht mich mit Tränen in den Augen an. Ich liebe diese Frau hier vor mir. Mit all ihren Ecken und Kanten, aber im Moment bringt sie mich an meine Grenzen. Ich würde ihr so gerne helfen. Ihr beistehen, aber sie lässt mich nicht. "Was soll ich tun?" Ihr Blick, ihre Stimme hat etwas flehendes. Ich strecke meine Hand aus und streiche ihr eine Träne von der Wange. "Du....du...seit 3 Tagen ignorierst du mich! Frage ich dich etwas...bekomme ich keine Antwort! Du schiebst mich gerade so weit von dir....Ich verstehe das es dir mit dem ganzen gerade nicht gut geht, Alenia. Aber warum lässt du mich dir nicht helfen? Du sprichst nicht mit mir, sondern liegst lieber den ganzen Tag auf dem Sofa...Er macht gerade wiedereinmal dein Leben kaputt und du stehst daneben und siehst zu. Aber es hängt doch nicht nur dein Leben mit dran...verstehst du das? Es ist doch auch mein Leben. Ich liebe dich...ich will für dich da sein...." ,gestehe ich mit brüchiger Stimme. "Heute hast du mich weggestoßen, mich alleine gelassen und dann komme ich her und du... Du bist bei einer anderen Frau. Ich will nicht dass mein Leben kaputt geht, ich will dich nicht verlieren, aber es ist so schwer. Weißt du wie lange ich gebraucht habe um hier anzukommen?" ,sagt sie mit unsicherer Stimme. Ich atme tief durch. "Ich hab dich allein gelassen? Dich weggestoßen? Ich hab 1 Stunde versucht dich zu überreden mitzugehen! Ich kann nicht den ganzen Tag zu Hause bleiben. Dann werde ich verrückt. Maja muss unter Menschen. Jimmy muss auch ab und an vor die Tür." , ich atme tief durch und streiche mir durch die Haare. Kurz blitzt der Gedanke auf das sie eifersüchtig sein könnte, doch dann schiebe ich den Gedanken schnell weg. "Die Frau mit der ich mich unterhalten habe ist Hennings Frau! Sie ist Musiklehrerin an einer Privatschule. Das war unser Thema." , ich suche ihren Blick und muss leicht lächeln. Schuldbewusst sieht sie mich an. "Ich dachte... Ich dachte... Scheiße!",rutscht es ihr heraus. Betreten sieht sie mich an. "Hennings Frau?",fragt sie leise. "Ja Hennings Frau." , sage ich schmunzelnd. Also doch eifersüchtig.

"Meinst du mir ist es leicht gefallen zu gehen? Ständig hab ich Angst das dieser Psycho irgendwo lauert....das ich nicht gut genug auf euch aufpasse." Ich seufze leise und gehe wieder einen Schritt auf sie zu. "Ich sehe dir an, das dich das viel Überwindung gekostet hat." , ich lege meine Hand an Ihre Wange und sehe wie sie die Augen schließt. Sie legt Ihre Hand auf meine. Diese, wenn auch nur kleine Berührung, tut unheimlich gut. "Ich weiß dass ihr raus müsst, ich werde ja auch langsam verrückt, aber... Es ist schwer. Als ich Majas Teddy gefunden habe... Ich wollte ihr ihn nur kurz bringen weil ich doch weiß wie wichtig er ihr ist." ,murmelt sie leise. "Und du hast ihn ihr gebracht...obwohl du Angst davor hattest." , behutsam streiche ich ihr mit dem Daumen über die Wange. "Ich weiß das es schwer für dich gerade ist...aber irgendwie...es wirkt als würdest du es einfach geschehen lassen..." ,gestehe ich leise. Ich bringe ein gequältes Lächeln zustande. Ich mache wieder einen Schritt auf sie zu, jetzt trennen uns nur noch wenige Zentimeter. "Jetzt wo ich hier bin, vielleicht kann ich ja noch etwas bleiben? Aber... Ich glaube ich schaffe das nicht alleine.", sagt sie leise. "Du bist doch nicht alleine." , sage ich leise. Ich lege meine Hände auf ihre Hüften.Sie seufzt leise. Kaum dass ich sie berühre entspannt sie sich, sichtbar. "Du bleibst bei mir?",fragt sie kaum hörbar. "Warum sollte ich gehen?" , frage ich leise. "Ich bin immer da....du musst ...du brauchst nur etwas sagen und schon bin ich bei dir." , versuche ich es ihr begreiflich zu machen. Nachdenklich sieht sie mich an. Sie beißt sich auf die Lippen. "Einen Penny für deine Gedanken." , sage ich kaum hörbar. Sie schluckt und sieht mich weiterhin an. "Vorhin...da...da bist du gegangen. Aber vielleicht hab ich diesen Schubs gebraucht. Wärst du geblieben, würde ich immer noch auf der Couch sitzen." , sagt sie kaum hörbar. Sie lässt ihren Kopf nach vorne sinken und lehnt ihre Stirn gegen meine Brust. "Es ist alles so schwer...ich weiß nicht wohin mit mir. Ich weiß nicht wie ich aus meinem Loch wieder herauskomme." , gesteht sie leise. "Ich bin bei dir. Du bist nicht alleine...ich bin bei dir. Ich reiche dir doch meine Hand...du musst sie nur ergreifen." ,sage ich leise. Ich löse eine Hand von ihrer Hüfte und halte ihr meine Hand entgegen. Vorsichtig ergreift sie sie. "Hältst du meine Hand?",will sie wissen. "Egal wohin du gehst." Sie blickt auf unsere Hände und verschränkte unsere Finger miteinander. "Ich musste vorhin gehen...." ,sage ich leise. "Ich weiß. Es ist okay, wärst du nicht gegangen wäre ich auch nicht gegangen." , sie lächelt vorsichtig. "Ich bin immer nur einen Anruf entfernt...wenn ich mal nicht in deiner Nähe bin." Ich lehne meine Stirn an Ihre und genieße die Nähe, die sie das erste Mal seit Tagen zulässt. "Ich habe dich vermisst.", murmele sie. "Ich war doch gar nicht lange weg." ,schmunzle ich. "Aber ich war weg. Peter hat es fast nochmal geschafft, aber dieses Mal lasse ich ihn nicht gewinnen, ich Kämpfe." , versichert sie mir und sieht mich an. "Du schaffst das Ally!",sage Ich und nehme vorsichtig Ihr Gesicht in meine Hände. Sanft küsst sie mich. Ich schließe die Augen und erwidere den Kuss, wie sehr hat mir das gefehlt. Ich seufze in den Kuss hinein und schlinge meine Arme um sie. "Ich liebe dich!" Ich schließe sie fest in meine Arme. "Ich liebe dich auch." ,sagt sie und sieht mich an. "Du bist nicht allein. Niemals! Ich bin immer bei dir." ,versichere ich ihr nochmal. "Ich schaffe das." , murmelt sie und kuschelt sich in meine Arme. "Ich weiß." , sage ich lächelnd. Ich schließe meine Augen und lehne meinen Kopf an Ihren.

Auch wenn die nächsten Wochen immer wieder ein auf und ab sind, so geht es doch voran. Ally verschließt sich nicht mehr vor der Außenwelt. Nein. Schritt für Schritt kämpft sie sich zurück. Am Anfang waren es nur kleine Spaziergänge im Garten, mit der sie gegen ihr Angst ankämpfte. Für andere unbedeutend, doch für Ally bedeutete es alles. Sie blieb immer länger draußen, bis es für sie wieder das selbst verständlichste auf der Welt war. Als sie sich dann im Garten wieder sicher fühlte, nahm sie den nächsten Schritt in Angriff. Sie machte mit Maja und Jimmy, kleinere Spaziergänge durch den Ort. Oft ohne mich, denn sie wollte es unbedingt allein schaffen. Sie wollte endlich wieder dieses kleine Stück Freiheit zurück haben. Die Spaziergänge wurden immer länger. Bis sie mich eines Tages voller Freude anrief. Sie hatte es bis zu ihrer Lieblingsstelle am Strand geschafft. Als sie wieder nach Hause kam strahlte sie übers ganze Gesicht. Ich konnte in diesem Moment kaum in Worte fassen wie stolz ich auf sie war. So geht es immer weiter ein Stückchen vorwärts. Mittlerweile haben wir es Mitte September und Allys Therapeutin hat nichts mehr dagegen, das sie wieder arbeiten geht. "Es wird ein weiterer Schritt, in die Normalität sein. Es wird Frau Ahrens gut tun, wieder einen normalen Alltag zu haben. Ich bin da sehr zuversichtlich. Haben sie vertrauen in sie. Sie schafft das." , versicherte mir Dr. Naumann. Ab und an begleite ich Ally zu einer Ihrer Sitzungen. Es hilft auch mir über meine Ängste zu reden. Darüber das ich Angst habe, das Peter hinter jeder Ecke lauert. Das ich Ally einmal nicht genügend beschützen kann. Ich vertraue Ally. Ich weiß das sie das alles schafft, aber Peter läuft immer noch frei herum. Zwar hat er sich nicht wieder blicken lassen, aber man weiß ja nie. Es hilft Ally und mir, mit Dr. Naumann zu sprechen. Unsere Beziehung, unser unsichtbares Band was uns verbindet festigt sich dadurch nur noch mehr. Wir lernen darüber zu reden, ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen. Auch Nico geht mittlerweile regelmäßig zur Therapie. Er hat eingesehen, das es ihm gut tut mit jemand ausstehenden zu sprechen. Ally hat ihre Wohnung jetzt gekündigt. Sie kann sich nicht wieder vorstellen, dorthin zurück zugehen. Wir haben an einem Abend lange darüber gesprochen und ich freue mich, das sie jetzt auch offiziell zu mir ziehen wird. "Hier ist mein Zuhause. Hier fühle ich mich wohl und sicher." , hatte sie gesagt, während sie sich an mich kuschelte. Für alle anderen war das nicht wirklich überraschend. Es hat nie wirklich jemand damit gerechnet, das sie bei mir irgendwann auszieht.

Der Kontakt zu Majas Großeltern festigt sich auch immer mehr. Sie sind mittlerweile fester Bestandteil, in Majas und unserem Leben. Auch der Kontakt mit Christina und Mark ist wirklich gut. Die 4 verstehen sich wirklich gut mit Allys Familie. Es ist immer wieder witzig zusehen, wie die beiden Opas um Majas Aufmerksamkeit buhlen. Ich muss heute noch über die entsetzen Gesichter der beiden lachen, als Maja beide Links liegen ließ und schnurstracks auf Ally zukrabbelte, als diese von der Arbeit kam. "Das muss so bei der Mama sein." , lachte Hans. Ja ja. Meine kleine Prinzessin entdeckt immer mehr die Welt. Sie wird immer mobiler. Ich werde diesen Moment nie vergessen, wie sie an einem Sonntag der erste Mal krabbelte. Zwar Rückwärts aber immerhin. Ally und ich sprangen sofort von der Couch um Maja hoch zunehmen. Sehr zu deren Missfallen. Sie schimpfte ordentlich drauf los und zeigte uns deutlich was sie von dieser Unterbrechung hielt. Ich seufze und schnappe mir die beiden Kaffeetassen. "Da mein Schatz." , lächle ich und reiche Ally Ihre Tasse. Sie sitzt im Schneidersitz in ihrem Hängesessel und lächelt mich dankbar an. Maja sitzt in Ihrer Schaukel und brabbelt vor sich hin. Ich setze mich auf einen der Stühle. Ally stellt Ihre Tasse auf dem Tisch ab und erhebt sich. Sie setzt sich seitlich auf meinen Schoß und schlingt ihre Arme um meinen Hals. Zärtlich küsst sie mich. "Danke das du soviel Geduld hast." , sagt sie kaum hörbar. Ich umarme sie und sage: "Dafür nicht...ich würde ewig auf dich warten." Noch immer erträgt sie allzu intime Berührungen nicht. Wir tasten uns vorsichtig heran. Klar ist es nicht immer einfach, aber für Ally würde ich alles tun. "Nächste Woche kommen Patricia und Maite." , seufze ich und ziehe Ally näher an mich. "Ich freu mich schon." , kichert Ally. "Maite hat mir versprochen, alte Fotos mitzubringen." ,grinst Ally. Oje. "Na hoffentlich vergisst sie es." , seufze ich. Ich freue mich schon die beiden wiederzusehen. 

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