35. Kapitel

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Ich bin so nervös. Gleich bin ich bei Paddy und Maja. Ich kann es kaum erwarten. Sicherlich wird er überrascht sein, wenn ich vor seiner Tür stehen werde. Er wird definitiv nicht mit mir rechnen. Eigentlich gehen ja alle davon aus, dass ich noch in der Klinik bin. Gestern hatte ich mit Dr. Wagner mein Therapiegespräch. Sie findet, dass ich auf einem guten Weg bin. Das ich große Fortschritte gemacht habe und dabei bin zu lernen, über meine Gefühle zur reden. Sie findet es einen großen Schritt, dass ich mich Paddy anvertraut habe. Das ich vor meinen Gefühlen nicht mehr davon laufe. Als sie dann sagte, dass sie keine Bedenken hätte und das ich nach Hause könne, war ich davon sofort begeistert. Natürlich wollte ich so schnell wie möglich nach Hause. Es geht mir gut, ich fühle mich stabil und es käme mir falsch vor länger in der Klinik zu bleiben. Ich rief Fiona an, die sofort einwilligte mich abzuholen. Als sie schließlich vor der Klinik stand, spürte ich diese angenehme Nervosität in mir aufkommen. Unbändige Freude darauf, meine Freundin wiederzusehen. Auf der zwei stündigen Rückfahrt, sprachen wir über Gott und die Welt. Kaum ein Thema ließen wir aus. Nur Paddy verschwieg ich. Das hätte echt den Rahmen gesprengt. Sie weiß das ich in der Klinik war, weil es mir nicht gut ging. Aber den wirklichen Grund weiß sie nicht. Ich bin einfach noch nicht so weit, ihr mein größtes Geheimnis anzuvertrauen. Als sie mich vor meiner Wohnung absetzte, versprach ich mich so schnell wie möglich zu melden. Es wird mal wieder Zeit für einen Mädelsabend. Ich brachte schnell meinen Koffer rein und schnappte mir meine Autoschlüssel. Ich wollte mich gar nicht lange hier aufhalten. Ich wollte einfach zu meinen beiden Lieblingsmenschen.

Als ich bei Paddy ankomme, sehe ich schon das sein Auto fehlt. Hm.. Ist er etwa nicht da? Wir haben 9 Uhr früh. Aber anrufen geht auch nicht, denn dann würde er sofort wissen, dass ich da bin. Ich parke das Auto vor seinem Haus und zücke den Haustürschlüssel. Ich atme tief durch und öffne die Tür. Ich streife durch das leere Haus und kann gar nicht glauben, dass es schon zwei Monate her ist, als ich das letzte Mal hier war. Nichts hat sich verändert, alles ist wie gehabt. Selbst mein Plan hängt immer noch am Kühlschrank. Was aber neu ist in der Küche stehen zwei Hundenäpfe auf dem Boden und im Wohnzimmer liegt ein Hundekörbchen. Hat er sich etwa einen Hund zugelegt? Vielleicht ist er ja auch bei Nico und Vanessa? Ich könnte gleich zu Ihnen fahren und so alle überraschen.

Nervös stehe ich jetzt vor Nico's und Vanessa's Haus. Ich stehe mit einer Tüte voller Brötchen vor der Tür. Nachdem ich geklingelt, habe dauert es etwas, bis mir geöffnet wird. Vanessa steht vor mir und schaut mich mit großen Augen an. "Guten Morgen, sie hatten Brötchen bestellt?", rufe ich lachend. Erst als Maja erfreut quietscht und mich anlächelt bemerke ich sie. Ist Paddy etwa auch hier? Noch immer hat Vanessa keinen Ton gesagt. Ihr Mund steht offen und sie beginnt leicht ihren Kopf zu schütteln. Nach einem weiteren Moment der stille fragt sie mich: "Was machst du denn hier?" Sie umarmt mich freudig und gibt mir Maja, die sich sofort an mich kuschelt. "Du bist aber nicht abgehauen?", sieht sie mich skeptisch an. Ich schüttele lachend den Kopf. "Nein, nein keine Angst! Ich bin entlassen worden und dachte ich überrasche euch. Was macht Maja bei euch? Ist Paddy auch da?" Ich versuche nicht allzu aufgeregt zu klingen. Vanessa umarmt mich wieder und sagt: "Oh ich freu mich so." Dann nickt sie grinsend und sagt: "Ja, der war mit Nico zusammen grillen. Männerabend mit Nico's alten Freunden. Ich glaub Chris ist auch da." Etwas irritiert sehe ich sie an. Wieso weiß sie nicht wer sich in ihrem Haus befindet? "Du glaubst? Hast du sie noch nicht gesehen? Es ist schon nach zehn...", hake ich amüsiert nach. "Ja ich glaube.", lacht sie. "Ich hab heute Nacht nur verschiedene Stimmen aus dem Wohnzimmer gehört. Nico und Paddy waren definitiv dabei und ich denke Chris auch. Allzu nüchtern klang das nicht." Sie grinst mich an und ich schüttel lachend den Kopf. "Aber jetzt komm doch erstmal rein.", freut sie sich und zieht mich mit sich in die Küche.

"Wo sind die Mädels?", ich nehme am Tisch Platz und sehe Vanessa dabei zu wie sie zwei Tassen aus dem Schrank nimmt. "Bei den Nachbarn spielen. Die beiden wollten nur Müsli zum Frühstück. Ich wollte für uns gerade Frühstück machen, also kommen deine Brötchen genau richtig. Einkaufen war ich heute auch schon.", antwortet sie und lächelt leicht. Ich lächele Maja auf meinem Arm an, die interessiert mit eine meiner Haarsträhnen spielt. Der Frühstückstisch ist bereits halb gedeckt und in der Kaffeemaschine blubbert der Kaffee. "Wo schlafen unsere drei Saufnasen denn? Ins Schlafzimmer hast du Nico doch bestimmt nicht gelassen oder?", frage ich grinsend. "Der hat gar nicht versucht ins Schlafzimmer zu kommen!", lacht Vanessa. "Ich denke die drei sind im Wohnzimmer. Denn da ist die Tür zu." Sie stellt mir eine Tasse Kaffee hin und setzt sich mir gegenüber. "Aber jetzt erzähle doch erstmal... Wie geht es dir? Du siehst soviel besser aus als vor ein paar Wochen.", sagt Vanessa und lächelt mich an. Ich nicke und lächle. "Es geht mir auch super und deswegen durfte ich gehen. Sollte ich merken, dass es doch noch nicht geht kann ich anrufen und wiederkommen. Aber ich gehe nicht davon aus." Also erzähle ich ihr als erstes einmal von meinem Aufenthalt in der Klinik. Das ich gelernt hab, dass es mir hilft über das Geschehene zu reden. Natürlich brennt es mir auch unter den Nägeln, ihr von Paddy und mir zu erzählen, entscheide mich dann aber doch dagegen.

"Paddy hat uns das mit Peter erzählt... Also das du ihn gesehen hast.", sagt Vanessa ernst und sieht mir in die Augen. Zögerlich nicke ich und sage schließlich: "Ja, ich hatte ihn darum gebeten ich wollte mir den Besuchstag nicht damit kaputt machen." Zustimmend nickt Vanessa, doch dann seufzt sie und sieht mich traurig an. "Nico war völlig außer sich... Aber Paddy hat es geschafft ihn einigermaßen zu beruhigen. Das Gewalt keine Lösung sei... Wir haben sogar Chris angerufen und nachgefragt ob das stimmt das Peter wieder da ist.", sagt sie und ich sehe auf Maja, die mit meiner Hand spielt. "Naja Ende vom Lied war, das Chris bestätigte das Peter wieder da ist... Aber er war selbst sogar nicht davon begeistert. Die drei haben sich dann zum Grillabend verabredet... Aber ich fürchte Nico hat sein Wort nicht gehalten.", sprudelt es aus ihr heraus. Ihrer Stimme hört man an, dass sie enttäuscht ist. "Was? Welches Wort? Dass er sich nicht betrinken will?", frage ich irritiert, ich verstehe nur Bahnhof. Sie seufzt und schüttelt den Kopf. "Nein das er Peter keine verpasst... Aber ich hab ihn heute gesehen. Der sieht aus wie von einer Dampfwalze überrollt. Dickes geschwollenes Auge und dick verbundene Nase. Sah aus wie gebrochen... Als er mich gesehen hat, hat er sofort die Flucht ergriffen.", sagt sie leise. Ich muss schlucken und spüre einen Knoten in meinem Magen. "Meinst du wirklich, dass Nico...", ich schüttele den Kopf. Nico hat schon einmal zugeschlagen, das weiß ich. Aber ich hatte gehofft, dass er es nie wieder tun würde. "Ich kann mir das nicht vorstellen, vor allem nicht, wenn es Zeugen gibt!", murmle ich. "Ich weiß... Zumal Paddy ihm nochmal, das Versprechen abgenommen hat. Aber sind wir doch mal ehrlich... Verdient hat es Peter. So wie sich das beim Telefonat angehört hat... Dann hat Peter es auch bei Nina versucht...", schimpft Vanessa. Erschrocken sehe ich sie an. "Was? Bei Chris seiner Nina? Oh mein Gott, das wusste ich nicht...", fassungslos schüttele ich den Kopf. "Verdient hin oder her, ich finde Gewalt einfach nie den richtigen Weg. Was soll das bringen?", bringe ich nur wenig überzeugend hervor. Ich würde lügen, wenn ich sage ich fände es nicht gut das Peter Prügel bezogen hat. "Du weißt ich finde es auch keine gute Lösung... Aber in dem Fall... Vielleicht hatte er einen Grund? Peter ist ein Drecksack.", sagt sie leise und sieht mich an. Ich sage nichts und nicke nur. "Nina und Chris haben ihn angezeigt... Aber mehr als Bewährung gab es nicht.", erzählt sie weiter.

Ich bewundere Nina für ihre Stärke. Sie hat das geschafft, wozu mir die Kraft und der Mut fehlte. Frau Dr. Wagner ist der Meinung, dass ich ihn immer noch anzeigen könnte. Sie ist felsenfest davon überzeugt. Dr. Wagner meinte sie hätte das in Ihrer Laufbahn schon ein paarmal gehabt, das Opfer sich erst Jahre später dazu entscheiden Anzeige zu erstatten. Die Chancen stehen für eine Verurteilung gar nicht mal so schlecht. Der Umgang mit Opfern von Sexualstraftaten hätte sich stark verbessert. Doch ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nicht ob ich diesen Schritt gehen kann. Ob ich dazu stark genug bin. Ich müsste so vielen Leuten davon erzählen, die es jetzt einfach noch nicht wissen. Ich weiß einfach nicht ob ich das kann oder ob ich das überhaupt will. Es war schon schwer genug Paddy davon zu erzählen. "Vielleicht klären uns die Jungs ja auf.", reißt Vanessa mich aus meinen Gedanken. "Sollen wir die drei Schnapsdrosseln mal wecken gehen?", frage ich grinsend. "Klar, aber nicht nur einfach wecken. Oder was meinst du?", grinst sie mich breit an. "Na an ein sanftes Weckgeflüster hatte ich nicht gedacht. Wer trinken kann, kann auch aufstehen!" Ich lege Maja in ihre Babywippe und bedeute Vanessa mitzukommen. "Oh jetzt bin ich gespannt.", kichert Vanessa und folgt mir.

Vorsichtig öffne ich die Tür und linse in das halbdunkle Wohnzimmer. Es stinkt bestialisch nach Alkohol, Schweiß und wie es eben riecht wenn drei Männer in einem Raum geschlafen haben. Ich höre lautes Schnarche. Ich grinse Vanessa an, zähle mit den Fingern bis drei und reiße dann schwungvoll die Tür auf. "Guten Morgen meine Lieben! Es ist bereits viertel vor Elf, draußen scheint die Sonne, es ist herrlichstes Wetter und ich bin wieder da!" Ich reiße die Vorhänge auf und helles Sonnenlicht fällt auf die Drei. Ich muss mir ein Kichern verkneifen, Paddy liegt zusammen gequetscht auf dem 2er Sofa, Chris lehnt am Sofa, hat den Kopf nach hinten gelegt und ist derjenige der fürchterlich schnarcht. Nico hat sich halb unter dem Couchtisch zusammengerollt. Einfach nur ein Bild für die Götter.

 Einfach nur ein Bild für die Götter

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