Kapitel 22

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"Ich frage mich, wie der neue Lehrer wohl sein wird." Summte Marie nachdenklich, als sie neben Gilbert an seinem Schreibtisch sass und Kreise auf seine Handfläche zeichnete.

"Ich weiss nicht. Hoffentlich ist er nett." Gilbert stützte sein Kinn auf seine Hand und bewunderte seine schöne Verlobte. Er fragte sich, wie er so viel Glück haben konnte.

"Ich habe gehört, dass sie eine Frau ist." Marie warf Gilbert einen Blick zu. "Das heisst, sie muss nett sein."

"Warum? Weil sie eine Frau ist? Du bist eine Frau und du bist nicht nett." Gilbert lachte, als er beobachtete, wie sich der Schmollmund auf ihren Lippen bildete und ihre Augen sich spielerisch verengten.

"Fuchs? Welcher Fuchs?" Marie und Gilbert drehten sich um, um zu sehen, was Anne so beunruhigte, dass sie ihre Stimme hob.

"Der mit dem dunklen Schwanz, der Hühner gestohlen hat." Antwortete Moody ihr und zuckte mit den Schultern, als wäre es keine grosse Sache, wenn er sterben würde.

"Nun, hier ist kein Fuchs. Wie wäre es, wenn du die Waffe weglegst?" meldete sich Gilbert und Marie erschrack leicht über sein plötzliches sprechen. "Ich will lebend die neue Lehrerin kennen lernen."

"Monsieur Clumsy sera la mort de nous tous." Marie kicherte. Gilbert warf ihr einen fragenden Blick zu, doch bevor sie antworten konnte, öffnete sich die Eingangstür und eine Frau stolperte mit vollen Armen herein. Sie liess versehentlich den Globus fallen und dieser rollte über den Boden und blieb vor Billys Füssen stehen.

"Schon habe ich euch die Welt zu Füssen gelegt, was?" Ms. Stacey lachte. "Guten Morgen allerseits."

"Guten Morgen." Antworteten alle zurück.

"Bitte sehr junge Lady."Billy reichte Ms. Stacey den Globus und grinste sie an.

"Mein Name ist Ms. Stacy." Miss Stacey lächelte zurück, ihre Augen wanderten zu der Waffe über seiner Schulter. "Bitte bring das Gewehr nach draussen. Waffen gehören nicht ins Klassenzimmer."

"Sicher, das wollte ich gerade tun." Billy suchte nach Worten. Er verliess schnell das Klassenzimmer und Marie sah ihm nach.

"Er ist in die neue Lehrerin verknallt." Flüsterte Marie Gilbert grinsend zu, als sie bemerkte, dass er lachte.

"Wirklich ein hübsches Klassenzimmer. Sehr viele Fenster. Ich sehe gerne ins Grüne." Ms. Stacy ging nach vorne zum Lehrertisch. Sie warf ihre Sachen darauf und begann, ihren Mantel auszuziehen. Sie sah die Schüler mit einem Lächeln im Gesicht an.

"Niemand hat bemerkt, dass du auf der Seite der Jungs sitzt." Murmelte Gilbert zu Marie und warf einen Blick auf ihre kleine Gestalt.

"Also dann. Lernen wir uns mal kennen. Bitte steht auf. So, bitte schiebt die Tische zur Seite und setzt euch auf den Boden." Befiehlt die Lehrerin.

"Auf den Boden?" Fragte Josie mit angewiderten Stimme.

"Wir bilden einen Kreis, und werden uns vorstellen." erklärte Ms. Stacy. Alle schoben widerwillig die Tische und Bänke an die Seiten des Raumes und erschufen eine grosse leere Fläche in der Mitte des Klassenzimmers. Sie sassen alle im Kreis, Marie und Gilbert sassen nebeneinander, mit seinem Arm, der natürlich um ihre Taille gelegt war, zog er sie näher an sich.

"Ihr sagt zwei Worte die euch beschreiben. Verwendet dazu den ersten Buchstaben eures Vor- und Nachnamens" Erklärte Ms. Stacy die Übung. "Ich fange an. Muriel Stacy. Mutwillig. Schullehrerin."

Anne beobachtete die Lehrerin mit Sternen in den Augen.

"Wir fangen an mit..." Ms. Stacy überflog die Klassenliste in ihren Händen. "Ruby Gillis."

"Romantische..." Ruby stand auf. "Göre?! Ruby Gillis."

"Ausgezeichnet!" Lobte die Lehrerin.

"Ruby ist verrückt nach..." fing Anne an zu erzählen, bevor Ms. Stacy sie unterbrach.

"Gilbert Blythe?"

"Oh, ähm..." Gilbert nahm ungeschickt seinen Arm von Marie und stand auf. "Global"

"Er ist ein Jahr um die Welt gereist" Fügte Anne hinzu.

"Belesen." Beendete Gilbert, bevor er sich wieder hinsetzte. Marie stupste seine Schulter und kicherte.

"Alle halten ihn für den besten Schüler." gab Anne hinzu.

"Amaryllis Bonnefoy."

"Amoreux... und..." Marie stand auf und summte, als sie nachdachte.

"Wunderschön?" Schlug Gilbert vor und zwinkerte seiner Verlobten zu.

"Merci. Et belle." Marie kicherte und zwinkerte Gilbert zu.

"Du bist Franzosin?" Fragte Ms. Stacy bewundert.

"Oui."

"Gilbert Blythes und ihr Vater haben eine Heirat zwischen den beiden vereinbart." Erklärte Anne. Marie seufzte und setzte sich wieder neben ihre Liebe.

"Priscilla Andrews." Ms. Stacy ignorierte Anne.

"Pragmatisch... Aktuell." Gab Prissy stehend zuversichtlich zu.

"Sie hat unseren alten Lehrer am Altar stehen lassen." Tratschte Anne. Alle sahen Anne geschockt, da sie nicht erwartet hatten, dass sie dies der neuen Lehrerin sagen würde.

"Vielleicht teilst du deine Kommentare mit der Klasse." Ms. Stacy warf Anne einen warnenden Blick zu.

"Es ist kein Geheimnis, das Prissy die Verlobte unseres Lehrers war, aber vor der Hochzeit geflohen ist." Erklärte Anne. Marie sah zu, wie alle Freude Prissys Gesicht verliess, ein Ausdruck der Traurigkeit ersetzte ihn. "Ich informiere sie gerne über jeden in Avonlea, denn ich war selbst Aussenseiterin und weiss, wie schwer es sein kann-"

"Nicht nötig mir Klatsch aufzutischen. Das dulde ich nicht." schnitt Ms. Stacy sie ab.

"Aber nichts was ich sage ist geheim." Versuchte Anne sich zu rechtfertigen.

"Wenn jemand will, das ich etwas weiss, sagt der Betreffende mir" sagte Ms. Stacy. "Du bist als nächste dran. Wie ist dein Name?"

"Anne... Anne Shirley-Cuthbert." Anne stand zögernd auf. "Anne. äh..."

"Sicher fällt dir später etwas ein. Setz dich. Bitte such mich nach dem Unterricht auf." Sagte Ms. Stacy, nachdem sie Annes plötzliches Schweigen bemerkt hatte. "Moody Spurgeon?"

Die Schule ging schnell zu Ende und alle gingen, um sich ihre Mäntel und Hüte zu schnappen. Marie stand an einem Schreibtisch und wartete auf Gilbert, während er mit der Lehrerin sprach. 

"Daher hoffte ich, Sie würden mir Nachhilfe geben." Gilbert bettelte fast. "Ich habe viel aufzuholen und meine es ernst mit der Medizin. Sie ist meine Berufung."

"Mein Mann hat seine Studien beschleunigt und konnte frühzeitig aufs College." Ms. Stacy nickte verständnisvoll.

"Ihr Mann?!" Fragte Anne aufgeregt und machte Marie damit Angst.

"Ich bin verwitwet, offen gesagt." antwortete Ms. Stacy ihr.

"Oh, wie tragisch." Anne seufzte glücklich.

"Wie auch immer. Mit viel Fleiss könntest du die Schule früher abschliessen und nächstes Jahr mit Medizin anfangen." enthüllte Ms. Stacy. Marie blickte traurig nach unten, als sie realisierte, dass Gilbert sie früher verlassen konnte, als sie es sich wünschte.

"Ich mache alles, was nötig ist!" Sagte Gilbert eifrig.

"Treffen wir uns vor dem Unterricht. Morgens, und legen gleich los." Ms. Stacy lächelte ihn an.

"Danke! Danke viel mals!" Gilbert grinste glücklich. Er drehte sich um und ging schnell zu Marie und küsste sie glücklich.

"Gilbert." Marie steiss ihn schwer atmend von sich. "Wir sind in der Schule."

"Richtig, entschuldige." Er drehte sich um und sah die grinsende Lehrerin und den grinsenden Rotschopf an."Es tut uns leid."

"Geniessen Sie den Rest Ihres Tages, Mademoiselle Stacy." Marie nickte der Lehrerin höflich zu, ergriff Gilberts Hand und zog ihn aus dem Gebäude.

Snowy Days ∆ Gilbert Blythe  german translationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt