8. Kindheitserinnerungen

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Unabhängig davon, dass Cecilia keinerlei Erinnerungen an früher hatte, hatten sich die beiden Geschwister viel zu erzählen. Die junge Frau erzählte ihrem Bruder alles über die Legenden, von denen sie gelesen hatte. Immer noch hoffte sie, auf einem dieser Wege ihr Gedächtnis zurückzuerlangen.

Tristan hingegen erzählte von seiner Desertion wegen des bevorstehenden Angriffs auf Oliviana.
In ihrem alten Elternhaus in Teak diskutierten die beiden ausführlich ihr weiteres Vorgehen.

Dabei kombinierte der Bruder zuerst: "Wenn du für dein Gedächtnis eine Begegnung mit Lugia brauchst und wir den General in Oliviana mit unseren eigenen Kräften voraussichtlich nicht schlagen können, wie wäre es..."
"... wenn wir Lugia rufen, um Hermann den Arsch zu versohlen?"
Mit einem verschmitzten Grinsen nickte Tristan.

Daraufhin seufzte seine Schwester depremiert aus: "Ich hab bereits versucht, Lugia zu beschwören. Aber die Glocke ist nicht erklungen."
Der junge Mann fasste sich ans Kinn: "Stichwort Silberflügel."
"Ja, Lugias Feder. Angeblich zeigt es sich demjenigen, der sie trägt", bestätigte Cecilia.

Tristan verdrehte nachdenklich die Augen: "Wusstest du, dass unsere Mama Lugias Auserwählte war? Sie hatte einen Silberflügel. Nach ihrem Tod hat Franz diesen an ihre Eltern übergeben."

"Dann müssen wir im Haus unserer Großeltern danach suchen?", bohrte die junge Lady nach.
Er zuckte mit den Schultern und nickte: "Zumindest ein Anhaltspunkt, wo wir ziemlich sicher diese Feder herbekommen."
"Das ist... Wahnsinn...", stammelte sie: "Dann liegt die Lösung meines Problems in meiner Familie und ich weiß nichts davon?"

Amüsiert grinste der junge Mann: "Woher auch? Lugia hat dir deine Erinnerungen geklaut, auch schon vergessen?"
Seine Schwester winkte ab: "Pff, lass mich doch! Aber mal eine andere Frage; wo leben unsere Großeltern eigentlich?"

Seine Mundwinkel zuckten nach unten: "Gar nicht mehr. Aber in Oliviana steht ihr Haus; wo unsere Mama auch her war."

Damit war das Ziel festgelegt. Die gedächtnislose Lady hatte wenig Mitspracherecht und ihr blieb nichts anderes übrig, als diesem fremden Kerl, der sich als ihr Bruder vorgestellt hatte, zu vertrauen. Schon wieder war sie auf fremde Hilfe angewiesen, denn Cecilia hatte selbst überhaupt keine Ahnung.

Witzig befand die Auserwählte die Situation ja schon; sie sollte irgendwie an den Silberflügel gelangen, um ihr Gedächtnis wieder zu gewinnen - aber ohne ihr Gedächtnis war sie bei der Suche nach dieser sagenumwobenen Feder aufgeschmissen.
Sie war vom Beginn an auf fremde Hilfe angewiesen.
Ob Lugia so die reine Seele seines Auserwählten testete?
Irrwitzige Gedanken... Als könnte je ein Mensch verstehen, was sich ein legendäres Pokémon denkt.

Tristan legte sich Stiefel und Umhang an und trat als erster in den Morgennebel, der das Haus und die Bäume geheimnisvoll umhüllte. Die Sonne würde es heute nicht schaffen, hinter den Wolken hervorzukommen.

Genauso düster war es in den Gassen von Teak, die die beiden Geschwister auf Arkani hinter sich ließen; keine Menschenseele hatte sich vor die Tür verirrt. Nur manchmal spürte Cecilia, wie sie von neugierigen Augenpaaren bespitzelt wurden. Es hatte schon sein Gutes, dass der General in Viola mit der Mobilmachung nach Oliviana beschäftigt war. So konnte der Deserteur mit der Königshelferin ungehindert durch die Stadt reiten.

"Nur ein Problem...", begann ihr Bruder: "Ich bin zwar über Schleichwege in die Stadt reingekommen, aber ich weiß nicht, wo sie im Westen hinausführen... Das heißt, Arkani muss über die Stadtmauer springen, wenn es dir recht ist."

Die westliche Pforte; Cecilia war zuversichtlich: "Ich kenn den Wachmann da drin persönlich. Wir können passieren. Uns geschieht schon nichts."
"Auf dein Wort..." Er wies Arkani an, hineinzugehen und die Pforte zu passieren.

Pokémon - Die Legende von Johto (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt