29. Die zweifache Flucht

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"Pssst, Kini, halt bloß die Schnauze", ermahnte Valentin den großen Feuerhund.

Für die Behandlung von Arkanis Verletzung hatte er das Pokémon in Elenas Haus gebracht. Seit Tristans Verhaftung kümmerte sich um das kaputte Hinterbein.

Das ansonsten so friedfertige Pokémon konnte angesichts der groben Umgangsweise seines Pflegers nicht anders als zu knurren. Valentin hingegen wollte jegliche Laute, die aus dem Haus hätten dringen können, vermeiden. Hätte man ihn dort zusammen mit Tristans Pokémon gefunden, hätte der General sofort Bescheid gewusst.

"Wenn Tristan dich so verwahrlost zurückbekommt, dann kann ich mir was anhören, weißt du. Ich weiß, dass es weh tut, aber da musst du durch", flüstertete Valentin mit erklärenden Worten auf Arkani ein.

Sein Plan stand fest; heute Nacht würde er sich in den Kerker von Ebenholz hinunter schleichen und mit Bisaflors Hilfe Tristan aus dem Gefängnis holen. Zu diesem Zweck hatte Valentin sogar schon ein Tauboss aus der Truppenarmee entwendet, um es für die Flucht nach Merbaum oder einem Ort nach Tristans Wahl zu verwenden.

Gerade in den ersten Tage fürchtete er eine besonders strenge Bewachung des Kerkers, weswegen Valentin ein paar Tage für seine Aktion abwartete.

Nach der Behandlung kraulte Valentin Arkani das Fell: "Heute Nacht geht's los, Kini. Heute holen wir dein Herrle aus dem Kerker. Freust du dich? Aber wir müssen vorsichtig sein. Vielleicht brauch ich später deine Hilfe, mit Flammenwurf oder so. Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du mich dann auch unterstützt."

Den Tag über hatte der dürre Soldat ein mulmiges Gefühl im Bau. Er fürchtete die ganze Zeit über, zu Hermann gerufen und verhört zu werden, obwohl er noch gar nichts Schlimmes getan hatte.

Die Gerüchte um Ethan machten auch bei den johtolesischen Soldaten die Runde und erreichten Valentin. Der befand für sich, dass er so ein Leben, aufgebaut auf dem Betrug eines ganzen Landes, niemals führen könnte. Er hatte nur das Pokémon des vermeintlichen Verräters gepflegt und konnte deswegen schon kaum noch schlafen.

Immerzu fürchtete er ertappt zu werden. Die für heute geplante Aktion machte es nicht besser. Aber er wusste, dass er zur Tat schreiten und seinem Freund helfen musste, denn Tristan hätte das Gleiche für ihn getan.

Beim Abendessen saß Valentin mit seinen Kameraden am Tisch, geistig völlig abwesend und nachdenklich; er fragte sich, was er im Falle seines Scheiterns für Konsequenzen zu tragen hätte. Seine Ohren dröhnten und er nahm die Worte seiner Umwelt überhaupt nicht mehr wahr. Sein einziger Gedanke galt seiner Mission.

Nachts im Bett wartete Valentin, bis er um sich herum nur noch Geschnarche hörte. Schon komplett angezogen lag er bereit; genau wie Tristan nach der Schlacht um Viola. Ob der damals auch so nervös war?

Tristan hatte es damals vergleichsweise gut; konnte er doch damals einfach zur Stadtmauer und flüchten. Eine Befreiungsaktion vor der eigentlichen Flucht war nochmal eine ganz andere Aufgabe. Aber Valentins Entschluss war unumstößlich. Er machte sich auf den Weg von der großen Zeltstadt beim Krater zum Turm samt Kerker im südlichen Ebenholz.

Das halbe Jahr, in dem er bereits in Ebenholz gedient hatte, kamen Valentin jetzt zu Gute. Im Gegensatz zu den anderen 2.500 Soldaten kannte er sämtliche Gassen und Schleichwege durch die Stadt. Unentdeckt erreichte er den Turm. Zwei Mann hielten vor dem Tor Wache, welche er beseitigen musste.

Er entsandte sein Bisaflor und flüsterte: "Schlafpuder."

"Verdammt, was soll das?", rief einer aus, bevor beide geradewegs zu Boden fielen und schliefen. Valentin gelang ohne weiteren Krawall und Lärm ins Innere des Turmes. Ohne Sicht tastete er sich an den kalten Gemäuern entlang in der Hoffnung, auf den Treppenabgang ins Verlies zu stoßen. Der Boden war so uneben, dass er zu stolpern fürchtete und sich dabei das Genick zu brechen.

Pokémon - Die Legende von Johto (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt