9. Die Schlacht um Oliviana

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Auf dem Leuchtturm, von wo aus man über die Dächer der gesamten Stadt und noch viel weiter blicken konnte, waren nach einer Woche immer noch keine johtolesischen Truppen in Sicht.

Bernd lehnte an der Brüstung, als er zufrieden gen Norden blickte, und konnte sich einen abwertenden Kommentar gegenüber Julius, Albert und Lorenz nicht verkneifen: "Hay, keine Truppen! Ihr habt mich doch nur verarscht! Gut, dass ich keine Mauer erbauen ließ!"

Am nächsten Vormittag waren die drei Gäste wieder in das kahle Rathaus eingekehrt, um Bernd von der Notwendigkeit von Verteidigungsmaßnahmen zu überzeugen. Mit ihrem Vorhaben, die Einwohner vor einem Angriff zu warnen und sie zur Verteidigung aufzurufen, waren sie auf taube Ohren gestoßen. Jeder, den sie am Marktplatz oder sonst wo angesprochen hatten, wandte sich mit einem Schmunzeln ab; es glaubte niemand daran, je das Ziel eines Angriffs werden zu können. Und so blieben die Einwohner und deren Kapitän untätig.

Stur wie nie saß Bernd hinter seiner massiven Holztheke: "Wie oft denn noch? Oliviana hat sich aus allem rausgehalten! Niemand wird uns je angreifen!"
Julius knirschte die Zähne: "General Schiner ist das völlig egal! Er ist besessen davon, dass du mit Kanto zusammenarbeitest! Er kommt, zu 100 Prozent!"

"Pah." Der Kapitän reckte seine Nase in die Höhe: "Mit dir hab ich sowieso noch ein ernstes Wörtchen zu reden, mein Freund."
Der junge Teaker runzelte die Stirn und sagte nichts.

"Du brauchst gar nicht so tun, als wüsstest du nicht, was ich meine.... Die Leute auf offener Straße anzusprechen und sie vor einem Angriff zu warnen; was sollte das werden? Willst du Unruhe stiften? Willst du meine Leute hier nervös machen?"

Julius konnte nicht anders als auszuprusten: "Nervös? Ein bisschen mehr Nervosität würde euch nicht schaden! Ihr alle nehmt die Gefahr nicht ernst."

"Weil es keine Gefahr gibt", knurrte Bernd aus und fügte an: "Und jetzt verschwindet endlich aus meiner Stadt. Euer lächerliches Gerede kann ich mir wirklich nicht mehr antun."

Lorenz, Albert und Julius wandten sich kopfschüttelnd vom Kapitän ab; ihren Blick ließen sie aber nicht von ihm. Eiseskälte umhüllte den jungen Kerl; er hatte versagt! Mit langsamen hallenden Schritten ging er auf das Rathaustor zu, kaum glaubend, dass er nichts erreichen konnte.

Seine beiden Begleiter stellten Mutmaßungen an: "Wahrscheinlich arbeitet er wirklich mit Kanto zusammen. So wie er sich gegen Hilfe sträubt."

Julius rollte die Augen und griff nach der Klinke, um das Tor zu öffnen. Doch war jemand von außerhalb schneller, der sich mit seinem gesamten Körpergewicht dagegen stemmte. Nur langsam öffnete sich das Holztor und ein Sonnenstrahl fiel durch den freigelegten Spalt hindurch.
"Da kommen schon die Kantosi", spottete Albert.

Der Junge von außerhalb quetschte sich durch den schmalen Spalt, der für ihn gerade groß genug war. Er hängte noch am Tor fest, als er schon aus tiefster Kehle schrie: "Kapitän!"
Panik begleitete ihn, so viel war sicher.

Lorenz warf einen Blick auf seinen Kumpel: "Ich glaub nicht, dass der 'n Kantosi ist..."
Endlich gewann der Bube den Kampf gegen das Tor und rannte zur Theke des Kapitäns. Julius hielt die Luft an; weswegen hatte der Junge es so eilig?

Mit großen Ohren wandten sich die drei Gäste wieder in Richtung Bernd und lauschten angestrengt den Worten des Kleinen.
Der keuchte angestrengt aus: "Eine Nachricht des Leuchtturmwächters." Dabei drückte er dem Kapitän ein zusammengerolltes Papier in die Hand.

Mit verzogener Augenbraue entrollte Bernd die Nachricht und las mit einem Seufzen vor: "In etwa drei Kilometern Entfernung erblicke ich ein Heer aus Soldaten auf uns zumarschieren. Bitte um Reaktion - der Leuchtturmwächter am 25.11.53 um 9:32 Uhr."

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