16. Ein kleines Geheimnis

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Theo war es nicht entgangen, dass seine beste Freundin nicht mehr dieselbe war. Den blonden Jungen schockierte es, als seine Freundin ihm das Herz ausschüttete. Zum ersten Mal gestand Elena ihre Absicht, zusammen mit ihrem Stani wieder abzureisen.

Doch stattdessen hatte der junge Leutnant die Flucht ergriffen und ist ihr zuvor gekommen.  Theo biss sich auf die Lippen, als er an die Worte der Jugendlichen zurückdachte: "Und das obwohl er sang- und klanglos aus Merbaum verschwunden ist..."

So klanglos war die Abreise des schwarzhaarigen Mannes eben nicht, wie Elena wohl vermutete. Der Kumpel lag in seinem Bett und starrte an die Decke. Verschiedene Gedanken krochen ihm ins Gehirn; ob es nicht doch besser wäre...?

Mit erhöhtem Puls rappelte er sich auf und beugte sich zu seinem Nachtkästchen. Er öffnete die Schublade und kramte einen eingegrabenen Papierumschlag heraus. Es war jener Brief, den Tristan für Elena zurückgelassen hatte.

Mit verzogenen Augenbrauen und halbgesenkten Augen begutachtete Theo das Papier kritisch: "Hm..."

-Elena-, stand auf dem Briefumschlag; wahrscheinlich war es die schönste Handschrift, die der Junge je gesehen hatte. Alleine das war schon wieder zum Haare raufen!

Tristan, dieses Phantom; er war einfach perfekt! Er war der Held, der Elena nach Hause brachte und sie rettete. Er hatte ein perfekt trainiertes Pokémon, er war gebildet und gutaussehend und schlau.

"Und dann hast du auch noch so eine Handschrift!", rief Theo empört aus und ließ den Brief auf seine Bettdecke fallen, seine beiden Fäuste auf die Matratze schlagend.

"Aber eigentlich können nur Mädchen so schön schreiben", lachte er in sich hinein: "Hihi, Tristan, du bist ´n Mädchen."

Wieder griff der Junge nach dem Brief und hielt ihn vor sich; -Elena-. Es interessierte ihn brennend, was darin stand.
Wahrscheinlich verbarg sich hinter dem strahlenden Helden auch noch ein Poet, der nur so mit schönen Worten vor sich hinsäuselte. Oh, wie Theo ihn hasste!

Andererseits war es auch kein Zustand, wie Elena in den letzten Wochen drauf war. Sollte er ihr den Brief nicht doch besser geben, auch auf die Gefahr hin, dass das Mädchen ihm den Kopf abreißen würde? Vielleicht ginge es ihr hernach besser, wenn sie wusste, was Tristan ihr noch zu sagen hatte.

Theo stieg mit zittrigen Beinen aus seinem Bett. Schon jetzt hatte er Angst vor der Übergabe.
"Warum gleich nochmal hab ich ihr den Brief unterschlagen?", fragte der Junge. Dann erhob er seinen Zeigefinger, als wüsste er die Antwort: "Ah, weil ich ein Depp bin, richtig!"

Tatsächlich aber hatte der Junge gehofft, dass Elena so schneller und besser von diesem Leutnant weg käme, wenn sie nicht auch noch seine geschriebenen Wunderwerke lesen würde. Im Grunde tat er es nur zu ihrem Besten. Dass sich das Ganze jedoch ins Gegenteil umkehrte, hatte Theo zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geahnt.

Der blonde Junge wartete einen günstigen Moment ab. Edgar war in der Schule und die Eltern waren zum Arbeiten unlängst außer Haus.

Elena war wie immer als letzte aufgestanden und taumelte schweigend in die Küche. Vor dem Frühstück brauchte man sie nicht ansprechen, das wusste ihr Kumpel. Doch zu seinem Schock packte das Mädchen ihr geschmiertes Brot in den Rucksack und wollte das Haus verlassen. Theo nahm all seinen Mut zusammen und warf sich zwischen Elena und die Haustür.

Sie verzog das Gesicht: "Was soll der Scheiß? Ich muss los!"
Ob das der richtige Moment war, mit der Wahrheit rauszurücken? Der Junge kaute auf seinen Lippen: "Du Elena... Tristan."

Sie kniff die Augen zusammen: "Hör mir mit dem auf! Hat dir mein Nervenzusammenbruch vor ein paar Tagen noch nicht gereicht?"
"Was? Nein. Ich meine dir das doch nicht böse. Ich, oh Ho-Oh...", Theo verdrehte die Augen und legte seine Hand auf die Stirn: "Wie soll ich dir das nur erklären?"

Die Jugendliche wich zurück und blickte skeptisch auf ihren Kumpel: "Was ist los?"
Mit glasigen Augen blickte er ihr entgegen: "Bevor du schreist; es tut mir wirklich leid. Ich dachte damals, es wäre zu deinem Besten..."
Er griff in seine Hosentasche und hielt ihr mit gesenktem Kopf den Brief unter die Nase: "Der ist von ihm. Hat er dagelassen, als er abgereist ist."

Mit offenem Mund blickte Elena auf ihren Kumpel: "Du hast mir meinen Brief unterschlagen?"
Theo verdrehte die Augen und vergrub sein Gesicht wieder in seinen Händen: "Tut mir echt leid. Du weißt ja, dass ich ihn nicht wirklich mag und deshalb..."

"Und deshalb stiehlst du Briefe von ihm? Du bist doch nicht ganz dicht", keifte sie und riss dem Jungen den Brief aus der Hand.

Sofort wandte sie sich ab und begutachtete den Umschlag. -Elena-, stand darauf in Tristans kunstvoller Handschrift. Sie erkannte diese anhand der Notizen wieder, die er früher in den Essenspaketen für sie abgelegt hatte.

Theo wagte es nicht, schon einen Blick auf die Jugendliche zu werfen, aber trotzdem war er neugierig: "Willst du ihn nicht lesen? Mich würd´s wirklich interessieren, was er dir zu sagen hat."

Sie warf einen kritischen Blick auf ihn, als hätte sie sich gerade verhört: "Ähm, wie bitte...?" Der Junge winkte ab: "Schon gut, war nur ´n Witz. Das ist natürlich privat." Sie stampfte auf den Boden: "Du kannst froh sein, dass ich dir nicht den Kopf abschlage, du Volldepp!"

Endlich machte er den Weg zwischen Elena und der Haustür frei, sodass sie hinausstürmen konnte.
Sie musste sofort weg. In diesem Haus würde ihr nur die Decke auf den Kopf fallen. Vielleicht würde Theo auch eine Tracht Prügel ernten.

Nur weg hier! Wieder trat das Mädchen ihre gewohnte Wanderung in den Norden an. Obwohl schon seit Tagen Schnee fiel, fühlte sich der Tag heute eisiger an als zuvor. Ob sie sich das nur einbildete und sie nicht auch wegen der Kälte in ihrem Herzen fror?

Mehrmals verfing sich Elena in den Wurzeln, die unter der Schneedecke begraben lagen. Sie rückte näher ran an das Flussufer, wo der Boden aus Kies und Fels war und es keine Stolperfallen gab.

Der Wald lichtete sich und schon bald erreichten sie und Dragonir den Lieblingsplatz. Das Mädchen befreite ihren Felsen vom Schnee, stellte den Rucksack ab und kramte darin. Zuerst aß Elena das Brot.

Aber ihre Gedanken hingen woanders. Schon beim Essen hatte sie vor lauter Nervosität so einen trockenen Mund, dass sie ihr Frühstück kaum hinunter brachte. Ihre Hände waren schwitzig, ihr Herz tobte. Und sie fühlte eine Übelkeit wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Als Elena aufgegessen hatte, starrte sie Löcher in die Luft.

Einerseits interessierte es sie brennend, was Tristan ihr noch sagen wollte. Andererseits wollte sie keine Gründe mehr hören. Sie wollte ihn hassen. Würde er jetzt seine Abreise begründen, so könnte sie ihn nicht mehr hassen. Und was dann? Aber hatte Elena erst nicht gesagt, sie wollte wenigstens eine gelogene Begründung für seine Abreise? Dem Grunde nach wusste sie überhaupt nicht, was sie wollte...

"Schlimmer kann´s nimmer werden", zuckte sie mit den Schultern und kramte aus ihrem Rucksack den Brief hervor. Mit ihrem Daumen fuhr sie über die Schrift des Umschlags; -Elena-. Mit einem Seufzer überwand sie sich und öffnete den Brief.

So; den gab es schließlich auch noch - Tristans Brief.
Hier hab ich einen Cut gemacht. Das nächste Kapitel wird wieder länger^^

Pokémon - Die Legende von Johto (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt