Teil 9

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Jungkook p.o.v
Mittlerweile habe ich mich wieder beruhigt. Ich musste einfach. Ich konnte und wollte nicht den ganzen Tag im Badezimmer sitzen und mir die Augen ausheulen. Heute ist nämlich Freitag und laut meinem Vater würde ich ihn heute endlich wiedersehen.

Heute dürfte er von seiner Geschäftsreise wiederkommen und mich nach den schlimmen Wochen abholen. Ich kann es kaum abwarten, endlich komme ich wieder raus hier. Zwar nur für wenige Tage, aber diese sind es mir wert. Ich will nicht mehr eingesperrt sein, ich brauche Abstand von Taehyung und muss wieder einen klaren Kopf bekommen.

Ich blicke mir durch den Spiegel noch einmal in meine roten verweinten Augen, drehe mich dann um und gehe aus dem Badezimmer. Mein Frühstück steht noch unangerührt auf dem Tisch, während Taehyung seines mittlerweile schon gegessen hat. Mein Blick wandert durch den Raum und bleibt bei dem Jungen hängen. Dieser steht mit dem Rücken zu mir und blickt aus dem Fenster.

Als er meine Schritte hört, dreht er sich um und blickt mich an. Es kommt mir so vor als würde die Zeit stehen bleiben, während wir uns in unsere Augen blicken und ich beginne mich in seinen zu verlieren.

Doch anders als bei den anderen Malen bin nicht ich derjenige, der den Blick zu erst von ihm wendet, sondern er blickt als erster weg und geht zu seinem Kleiderschrank. Er nimmt sich frische Kleidung aus diesem und geht dann einfach an mir vorbei ins Badezimmer. Dabei würdigt er mir keinen weiteren Blick.

Diese Aktion lässt mein Herz sich wieder schmerzhaft zusammenziehen und ich blicke ihm hinterher. Dennoch ich sollte eine Sache dabei nicht vergessen, es ist genau das was ich wollte. Ich hatte mein Ziel erreicht, nur bin ich unzufrieden mit diesem.

Sobald die Tür ins Schloss fällt, blicke ich wieder vor mich und lande mit meinem Blick bei meinem Essen. Aus irgendeinem Grund ist mir der Appetit vergangen, weshalb ich mir diesen Teller nehme und mich auf den Weg zum Mülleimer mache.

Doch kurz bevor ich das Essen in den Müll schmeiße, hält mich ein kurzes Räuspern davon ab, weshalb ich mich ebenfalls in die Richtung drehe, aus der ich dieses vernommen habe.

Ich schlucke einmal und sehe in seine Augen. Wieder fühlt es sich so an, als würde er mir mit einem Messer mitten in mein Herz stechen. Denn anders als in den letzten Tagen, besser gesagt Wochen, strahlen seine Augen wieder diese Kälte aus, welche er mir damals gezeigt hatte. Dann mustert er mich mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck, doch das nur für wenige Sekunden, denn kurz darauf zeigen seine Augen wieder pure Kälte und sogar einen leichten Hauch von Abneigung.

"Iss es bitte Jungkook. Es wäre Essensverschwendung und die Betreuer würden es bemerken" , ertönt die tiefe raue Stimme Taehyungs durch den Raum.

Nachdem er seinen Satz zu Ende gesprochen hat, dreht er einfach um und schließt die Tür wieder. Sekunden später höre ich wie er den Schlüssel der Tür dreht und dann das Wasser anstellt.

Ich stehe hier immer noch wie versteinert und sehe zu der Stelle vor der bis gerade eben noch Taehyung gestanden hatte.

Diese Kälte weckt alte Erinnerung. Wie er mich jeden Tag anbrüllte, wie er mir jeden Tag einen Schlag verpasste, wie er jeden Tag dafür sorgte, dass ich begann das Leben zu hassen anstatt zu lieben.

Doch was hatte ich erwartet?

Dachte ich wirklich Taehyung würde meinen Worten nicht nachgehen und um mich kämpfen? Dachte ich wirklich ich bin es wert, dass man um mich kämpft?

Ehrlich gesagt, ich habe mir mal wieder zu viele Hoffnungen gemacht. Dachte mir, an jedem Wort müsste doch auch ein kleines Stückchen Wahrheit liegen. Dachte, ich sei ihm wirklich so wichtig, wie er versucht hatte mir zu erklären. Dachte, er würde um mich kämpfen.

Ich weiß jedes Wort, welches meinen Mund verlassen hatte, verletzte ihn. Doch wie habe ich mich wohl in den letzten Jahren gefühlt? Ständig wurde ich von der Person, welche ich liebe, fertiggemacht. Wurde ausgelacht, wurde geschlagen, wurde angeschrien. Zu dieser Zeit hatte er mich mehr als nur verletzt. Er hatte dafür gesorgt, dass ich keinen Sinn mehr im Leben sah.

Doch was tat ich?

Ich ließ mich weiter anschreien, ließ mich verprügeln und alles mit mir machen, damit ich ihm helfen konnte. Ich blieb bei ihm, egal was er sagte oder machte. Ich kämpfte um ihn, kämpfte darum seinen Stern wieder strahlen zu sehen, kämpfte für eine Liebe, an welcher ich letzendlich nur zerbrach.

Verlange ich zu viel? Ist es zu viel verlangt, dass ich möchte, dass man nun auch um mich kämpft?

Vielleicht ist es zu viel verlangt, vielleicht mag es egoistisch von mir sei, vielleicht auch dumm, vielleicht auch lächerlich, aber ich will einfach sehen, dass ich einem Menschen, nein um genau zu sein diesem Menschen so wichtig bin, dass er um mich kämpft, egal was auch passieren mag. Egal was ich sage, wie ich mich verhalte, was ich tue, er würde bleiben und um mich kämpfen.

Nur wieso tat Taehyung nun das komplette Gegenteil?

Ich weiß, ich sagte ihm diese Worte, ich weiß ich verletzte ihn. Aber er hatte mich auch verletzt. Ich blieb und er geht.

Wisst ihr, die Worte die er mir sagte, waren im Gegensatz zu meinen noch harmlos. Und indirekt waren meine sogar eine Art Hilferuf. Ein Ruf nach ihm, denn was hilft mehr als die Liebe und Zuneigung der Person, welche man vom ganzen Herzen verehrte?

Ich sollte das Ganze wohl sein lassen oder nicht? Mir diese ganzen Fragen stellen, mir so viele Gedanken darüber machen, mir den Kopf darüber zerbrechen.

Seine Taten haben für sich gesprochen. Ich bin ihm nicht wichtig. Ich bedeute ihm nichts. Er wird nicht um mich kämpfen, denn ich bin es nicht wert.

Nach etlichen Minuten der Stille, in welchen ich bloß nachdachte, ertönt ein lautes Klopfen und ich drehe mich zur Tür.

Mein Vater? Ist er nun endlich wieder da?

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Will I Forgive You?//TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt