Von Ivana hatte ich gelernt, dass man bei Pferden keine lauten Geräusche von sich geben durfte, da sie sich sonst erschrecken könnten. Die Angst, genauso schnell wieder unten zu sein wie oben ließ mich meinen Mund versiegeln. Panisch krallte ich meine Finger in den Sattel. Er war bequemer als erwartet, doch auf dieses Wissen hätte ich genauso gut verzichten können. Mutig riskierte ich einen Blick nach unten und bereute es. Ich hatte eigentlich keine Höhenangst, doch wenn man bedachte, dass nur eine plötzliche Bewegung des Pferdes ausreichte und man am Boden lag war es schon ziemlich mulmig. Zu allem Unglück schnaubte Thunder unter mir unruhig und begann sich zu bewegen. "Entspann dich." Sagte Ezra, welcher auf einem großen braunen Pferd saß. "Ich bin entspannt!" fauchte ich ihn an. Er lachte nur und schüttelte seinen Kopf. "Nein bist du nicht. Setzte dich gerade hin. Hör auf deine Pobacken zusammen zu pressen und lockere deine Beinmuskeln. Thunder ist so nervös, weil du nervös bist. Gib ihm das Gefühl, dass alles in Ordnung ist." "Und wer gibt mir das Gefühl das alles in Ordnung ist?" protestierte ich, befolgte jedoch seinen Rat und richtete mich auf. Nach einigen tiefen Atemzügen gelang es mir auch, mit meinen Beinen nicht mehr zu klammern. Thunder wurde ruhiger und so konnte ich aufhören meine Pobacken zusammen zu pressen. "Sehr gut gemacht. Dann wollen wir mal los." Ezra trieb sein Pferd an und meins folgte ihm einfach hinterher. Es war ein sehr komisches Gefühl auf einem Pferd zu reiten. Die animalischen Bewegungen erschwerten es mir in den Laufrhythmus herein zu kommen.
Doch es klappte und nach einiger Zeit konnte ich meine Finger ein bisschen lockern. "Siehst du? Ist doch gar nicht so schlimm." "Ja es ist toll." meinte ich sarkastisch "Kann ich jetzt bitte wieder runter?" ich wollte es nur schnell hinter mich bringen und mit beiden Beinen wieder fest am Boden stehen. "Wir haben doch gerade erst angefangen. Aber wenn du dich dabei wohler fühlst, können wir eine kleine Runde drehen." meinte Ezra und bog in einen der Wege ein, die durch den angelegten Wald führten.
"Nimm die Zügel in die Hand." Er wies mich an, was ich zu tun hatte, und da ich mir denken konnte, dass er nicht eher aufhört, bis ich einigermaßen zurecht kam auf einem Pferd, tat ich, was er mir sagte. "Genau. Aber nimm sie kürzer. So hängen sie da einfach nur rum und du hast keine Verbindung zum Pferdemaul. So. Und jetzt machst du leichte Bewegungen nur mit deiner Hand. Immer abwechselnd. Erst rechts, dann Links. Sehr gut." "Wofür ist das gut? Was soll das bringen?" Ich fühlte mich idiotisch mal mit der einen, dann wieder mit der anderen Hand an den Zügeln zu zuppeln. "Das ist um die Verbindung zum Pferd zu halten und damit das Pferd aufmerksam auf dich und nicht auf anderes ist. Außerdem macht Thunder so den Hals rund und entlastet dadurch seinen Rücken." Es kam mir vor, als würde ich Unterricht haben und mir wurde bewusst, dass ich die Schule mal so gar nicht vermisste. "Kann ich jetzt absteigen?" ich wollte endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen spüren! "Noch ein bisschen Geduld. Du gewöhnst dich doch grade daran. Hast du denn immer noch Angst?" "Nein ..." sagte ich nach kurzem Zögern "Angst vor Pferden habe ich nicht mehr. Aber man muss es ja nicht übertreiben!" Ich hatte Glück, denn der Stall war schon wieder zu sehen. Als wir davor zum stehen kamen stieg Ezra ab und brachte sein Pferd weg, ich jedoch, nicht wissend wie genau ich eigentlich herunter kommen sollte, blieb oben sitzen, bis Ezra zurück kam. "Möchtest du doch noch weiter reiten?" Ein Schmunzeln auf dem Gesicht verriet mir, dass er genau wusste, dass ich ohne seine Hilfe nicht vom Pferd kam. Ich starrte ihn nur böse an. "Geh mit deinen Füßen aus den Steigbügeln, schwinge das Rechte Bein über den Sattel und lasse dich nach unten fallen." Ich brauchte einige Anläufe, bis ich es schaffte mich einfach so fallen zu lassen. Ich landete auf den Zehenspitzen , verlor das Gleichgewicht und wäre nach hinten weg gekippt, hätte Ezra mich nicht aufgefangen. Er schloss seine Arme um meinen Bauch und ich ließ mich noch weiter an seine Brust gedrückt. "Die Landung müssen wir aber noch üben." lachte er. Es war ein ehrlich amüsiertes lachen, das schön geklungen hätte, lachte er nicht über mich. "Aber dafür haben wir ja morgen genügend Zeit." Ich riss mich los und drehte mich zu ihm um. "Morgen?" "Ja. Ich dachte jetzt, wo du keine Angst mehr vor Pferden hast können wir den nächsten Schritt wagen und dich dazu bringen Reiten zu lieben." Er lachte leise in sich hinein, drehte sich um und nahm das Pferd mit in den Stall.
Es begann zu regnen gerade als wir im Schloss waren. "Wie ... wie lange wohnst du schon hier?" Wir saßen im 'Wohnzimmer' Es war ein schöner Aufenthaltsraum in dessen Kamin ein warmes Feuer brannte. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie kam es mir so vor, als wäre jetzt gerade der perfekte Augenblick, um Ezra diese Frage zu stellen. Schweigend guckte er mich an. Seine blauen Augen durchbohrten mich. "Schon sehr lange." Sagte er nach langer Zeit. Als ich ihn weiterhin fragend anstarrte fügte er hinzu "Ich lebe schon fast mein ganzes Leben lang hier. Ich habe mitbekommen wie das Schloß erbaut wurde. Damals war es noch nicht so groß und pompös. Allerdings tun Veränderungen mit der Zeit gut." "Und wie alt ist das Schloß?" Fragte ich zaghaft weiter. Das Alter des Schlosses interessierte mich reichlich wenig aber wenn er sagte er hat miterlebt, wie es erbaut wurde, so konnte ich sein Alter ungefähr errechnen. "Warum fragst du mich nicht einfach wie alt ich bin?" Ezra hatte sich im Sessel zurück gelehnt und guckte mich interessiert an. Ich fühlte mich ertappt und wurde rot. "Du hättest mir entweder das Alter genannt ab dem du nicht mehr gealtert bist oder mir gar nichts gesagt." erwiderte ich eine Spur zu trotzig. "Du kennst mich besser als ich gedacht hätte. Das überrascht mich." Auch mich überraschte es. Warum konnte ich ihn so gut einschätzen? "Das Schloß wurde 1241 erbaut. Damals war es in dem besitzt eines anderen schwarzen Magiers. Er nahm mich als Lehrling auf." Verblüfft über die vielen unerwarteten Informationen starrte ich ihn nur sprachlos an, bis mein Bewusstsein registrierte, dass er 1241 gesagt hatte. Das Schloß war 773 Jahre alt! "Du bist älter als 780 Jahre!" Ezra hatte die Beine überschlagen, seinen Ellenbogen auf die Armlehne gestützt und sein Kinn in die Hand gebettet. In nachdenkliches schweigen vertieft guckte er mich einfach nur an. "Und nur weil du ein schwarzer Magier bist, lebst du noch?" "Das hat nichts mit schwarzer Magie zu tun, sondern nur damit, dass ich ein Magier bin." Das musste ich erst einmal verdauen. Ich stand auf und ging ans Fenster. Ich war froh, mehr über ihn zu erfahren. Das alles machte mich einfach neugierig. Aber jetzt, wo ich es wusste war es schwer zu begreifen. Er sah so jung aus. Kaum älter als ich.
Ich spürte eine Präsens hinter mir. Langsam und zärtlich strich Ezra mir die Haare nach hinten. "Es ist schon spät. Kommst du schlafen?" Ich nickte wandte mich um und folgte ihm.
Ich hatte es warm an seiner Brust. Der Wind pfiff ums Gebäude und ich zitterte allein schon bei dem Geräusch. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie kalt es draußen sein musste.
"Schlaf gut" flüsterte Ezra noch, bevor wir beide ins Reich der Träume entglitten.
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L'Histoire d'Avelle
FantasyAvelle verbrachte ihr gesamtes Leben in England. Doch scheinbar ohne jeden Grund zogen sie weg, zu der vornehmen und unausstehlich arroganten Familie ihrer Mutter. Die 17-jährige hasste das Leben dort. Als sie allerdings ein Familiengeheimnis herau...