Kapitel 29

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In Pulli und Jogginghose saß ich einfach nur da und starrte in die Flammen. Mit meinen Fingern kämmte ich mir durch die noch feuchten, mittlerweile hüftlangen Haare, als plötzlich ein Gesicht in den Flammen erschien. "Du hattest unrecht Sièl." Sagte ich leise. "Ich werde hier noch mit 30 Jahren festsitzen. Ich bin unsterblich." "Das habe ich mitbekommen. Glück für mich. Du bewahrst mich davor hier mit dem Magier zu versauern. Die Gespräche mit dir sind um einiges interessanter - wenn auch sehr selten." Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Schön das wenigstens die Bewohner dieses Schlosses daraus Vorteile ziehen können." meinte ich sarkastisch. Ich merkte wie sich jemand neben mir nieder ließ. Nachdem Sièl Ezra einmal höflich zugenickt hatte zum Gruß verschwand er und ließ mich mit ihm allein. Erwartungsvoll blickte ich zu ihm, in der Hoffnung, er würde mir sagen, warum er mich störte. Doch anstatt etwas zu sagen hielt er ein altes Buch in die Höhe. "Was ist damit?" fragte ich ihn, nicht wissend, was er mir mit der Geste sagen wollte. "Ich denke ich sollte dich heute Abend nicht allein lassen. Ich werde stumm neben dir sitzen und das Buch lesen" ich hatte keine Lust zu streiten und da ich wusste, dass Widerworte nichts bringen würden, schwieg ich,wandte mich von ihm ab und starrte weiter ins Feuer.

Es entstand eine unangenehme Spannung zwischen uns, die mich unruhig auf dem Sofa hin- und her rutschen ließ. Nach einigen Minuten hielt ich es nicht mehr aus und stieß einen genervten Säuftser aus. Ezra guckte leicht irritiert von seinem Buch hoch zu mir. Um diesen etwas peinlichen Moment zu unterbrechen warf ich einfach das erste Wort in den Raum, das mir durch den Kopf kam. "Warum?" Ezra starrte mich nur noch verwirrter an. Wow, ich hatte es geschafft aus einer peinlichen Situation eine noch peinlichere Situation zu machen. Schnell ließ ich mir irgendeine Frage einfallen, die ich ihm stellen könnte, was gar nicht so schwer war. "Warum schwarze Magie? Ist man als Magier nicht schon mächtiger als Zaubrer?" Lange sagte keiner was und ich rechnete schon nicht mehr mit einer Antwort, als Ezra zu sprechen begann. "Ich wurde 1231 in einem kleinen Dorf hier in der nähe geboren. Meine Mutter war eine Hexe, mein Vater ein Magier. Zu dem Zeitpunkt herrschte Krieg unter Magiern. Ich war zehn, als mein Vater mit in die Kämpfe verwickelt wurde. Er mischte nur mit, um meine Mutter und mich vor den vielen Magiern und Magierinnen im Dorf zu schützen. Zu dem Zeitpunkt ließ sich auch der schwarze Magier hier nieder und baute das Schloß. Vier Jahre später wurde mein Vater durch die Kämpfe getötet. Ich war damals vierzehn. Meine magischen Kräfte waren noch nicht ausgeprägt und noch nicht stark genug für mächtige Zauber, um mich und meine Mutter beschützen zu können. Also ging ich in die Lehre des schwarzen Magiers und verstärkte so meine Kraft, um mich und meine Mutter zu schützen." Ich war überrascht so viel persönliches über ihn zu erfahren, wo er doch sonst immer so verschwiegen war. In meinem Kopf spielten sich seltsame Bilder ab. Ein kleiner Ezra, im Alter von 14, so alt wie meine Schwester, wie er in die Lehre eines schwarzen Magiers ging, um seine Mutter zu schützen. Ich war gerührt. Mit solchen triftigen Hintergründen hätten ich nicht gerechnet. Eher damit, dass er es der Macht wegen tat. Lange sprach keiner von uns ein Wort.

"Wie kam es, dass du Herr dieses Schlosses wurdest? Sagtest du nicht, ein anderer schwarzer Magier hätte hier einst gewohnt?" Ich musste den Moment nutzen und ihn fragen, solange er mir mehr erzählen würde. Ezra, den ich scheinbar aus Gedanken geholt hatte, holte noch einmal tief Luft und fuhr fort. "Eine Ausbildung zum schwarzen Magier in so jungen Jahren dauerte lange und war aufwendig. Ich beherrschte noch nicht mal mein ganzes magisches Potenzial, welches sich erst mit sechzehn völlig ausprägt. So blieb ich einige Jahre hier. Nur gelegentlich konnte ich meine Mutter besuchen und gucken, ob es ihr gut ging. Ich war siebzehn, meine Ausbildung war fast abgeschlossen. Nur noch das, was wir in dieser Nacht machten trennte mich davon, mich als schwarzen Magier bezeichnen zu können. Jedoch hatte ich ein seltsames Gefühl in der Nacht und ich bat meinen Lehrer mich zu meiner Mutter zu lassen, um zu sehen, dass alles in Ordnung war. Doch er verneinte und verlangte, dass ich mich weiter auf meine Aufgabe konzentrieren solle. Ich versuchte noch lange ihn davon zu überzeugen, aber er ließ sich auf keine Diskussion ein. Am nächsten Tag ging ich sobald ich konnte runter ins Dorf. Das Haus, in dem sie gelebt hatte war verbrannt. Einiges glühte noch immer blau, ein Zeichen dafür, dass es kein normales Feuer war, dass vergangene Nacht das Haus zerstört hatte. Ich lief zwischen den Überresten, um irgendetwas zu finden, das mir Hoffnung geben könnte, sie sei noch leben. Doch das Gegenteil ließ finden. Ich möchte dir Details ersparen."Sein Blick war verzerrt, doch als er mich ansah erkannte ich den zärtlichen Ausdruck in seinen Augen. "Wütend auf meinen Lehrer, dass er mich in der Nacht nicht hat nachsehen lassen, ging ich zurück und brachte ihn in meiner Wut um. Auch hier möchte ich dich nicht mit Einzelheiten belasten." Zum Ende hin wurde seine Stimme brüchig. Ich war geschockt. Ich hatte mit vielem gerechnet, jedoch nicht damit. Er hatte in seiner Wut einen Menschen umgebracht! Doch er hatte seine Mutter verloren. Ich konnte seinen Schmerz nachvollziehen und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ezra schien mit seinen Gedanken in weit entfernten Zeiten zu sein. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er noch nicht oft darüber geredet. Ein Gefühl trieb mich zu tun, was ich machte. Langsam rutschte ich zu ihm herüber, umschloss seine Hand, die in seinem Schoß lag, und küsste ihn auf die Wange. Überrascht über mein Tun drehte Ezra seinen Kopf zu mir. Doch ich setzte mich einfach nur neben ihn und lehnte mich an seine Brust. Langsam schloss er mich in seine Arme. "Danke." flüsterte ich nach einiger Zeit. "Wofür?" "Dafür, dass du mir die Wahrheit erzählt hast." Wieder war es still. Doch es entstand keine unangenehme Spannung. Es war, als würden wir uns wortlos verstehen. "Avelle, du bist hier, weil ich es nicht mehr ertragen konnte allein zu sein." Flüsterte er leise. Ich spürte wie sich seine Hand verkrampfte, die ich in meiner hielt. Nun hatte er mich wieder sprachlos werden lassen. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Doch ich ahnte, dass er auf eine Reaktion wartete, so drückte ich einmal verständnisvoll seine Hand. Schweigend saßen wir da, genossen einfach nur die Anwesenheit des anderen, als Ezra sanft die Stille durchbrach."Soll ich dir vorlesen?" "Gerne." Er nahm das Buch in die Hand, welches er vorhin zum Erzählen zur Seite gelegt hatte und begann.

Es waren alte Märchen. Märchen, die nicht einmal die Gebrüder Grimm aufschreiben konnten, da sie zu deren Zeit schon in Vergessenheit geraten waren. Ezra las mir noch lange vor. Wir gingen erst zu Bett, als das Feuer im Kamin erloschen war und nur noch ein paar Überreste glühten.

"Warum hast du mir das alles heute erzählt?" Wir lagen im Bett, ich wie immer gegen seine warme Brust gelehnt. "Du hast mich gefragt." Erwiderte Ezra leicht irritiert. "Ich meine, hätte ich dir die Fragen gestern gestellt, hättest du zweifellos nicht geantwortet." "Schlaf jetzt." war das einzige, was ich als Antwort erhielt.

L'Histoire d'AvelleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt