Es war kein schöner Tag heute. Der Wind heulte ums Schloss. Riss an Bäumen und Ästen und peitschte die dicken kalten Regentropfen gehen die Fenster. Das einzig gute an dem Wetter war, dass wir so nicht ausreiten konnten. "Was hast du bei dem Wetter immer gemacht, als du allein warst?" Mir war langweilig. Ich vermisste den Trubel um mich herum, den eine Familie mit sich brachte. "Gelesen, gezaubert, ... Am liebsten habe ich mich früher an Wetterzauberei versucht an Tagen wie diesen." "Wetterzauberei?" Das klang vielversprechend. Es würde bestimmt nicht langweilig werden und anschließend wieder sonnig und warm.
Der Sommer war nun endgültig vorbei.
"Nichts führ kleine Hexen. Das ist weit fortgeschrittene Magie, die dich vor Anstrengung das Leben kosten könnte." Entgeistert starrte ich ihn an. Das 'kleine Hexe' ignorierte ich.
"Aber wir können so zaubern. Es wird sowieso Zeit, dass du komplett zaubern kannst. Komm her." Ezra deutete mir auf dem Sofa ihm gegenüber Platz zu nehmen. Mir wurde jetzt, wo ich genauer darüber nach dachte mulmig bei dem Gedanken mit Ezra zaubern zu lernen. Doch ich setzte mich auf den mir zugewiesenen Platz. "Du erinnerst dich an die Grundlagen?" Ich nickte zur Bestätigung. "Gut. Als Magier kenne ich nur wenige Zauberformeln, da ich keine brauche. Jedoch habe ich ein Buch", zwischen uns auf dem Tisch erschien ein altes, verstaubtes Buch," in dem viele Formeln mit Erklärungen stehen."Zu Anfang war ich skeptisch, ob das lernen mit Ezra überhaupt funktionieren könnte, doch es war spannend und lustig. Wir probierten beide die unterschiedlichsten Zauber, wobei er mich, aus Angst ich könne mich überanstrengen, nicht all zu viel zaubern ließ. Jedoch merkte ich nicht, dass mich auch nur einer der Zauber schwächte. Es wurde ein toller Tag.
Der Herbst blieb verregnet. Wir beschäftigten uns im Schloss. Lasen Bücher und er übte weiter mit mir Zaubern. Oft wollte ich ihn noch weitere persönliche Fragen stellen, doch er ging nie auf eine davon ein.
Der Oktober näherte sich dem November. Und auch die letzten Blätter fielen nun von den Bäumen.
Wie so oft stand ich am Fenster und schaute hinaus. Zu dieser Jahreszeit hatte ich immer viel mit meiner Familie und Freunden gemacht. Ich vermisste sie alle. Stumm rollten mir Tränen über die Wange und hinterließ heiße Spuren. "Was ist los?" Warme Arme schlossen sich von hinten um meine Taille. Ich ließ mich vollkommen in die Umarmung sinken und schmiegte meinen Kopf an seine Brust. Mit der Zeit hatte ich seine Berührungen zu schätzen gelernt und wehrte mich gegen keine mehr. "Ich vermisse sie." brachte ich mit kratzender Stimme heraus. " Im Herbst habe ich viel mit meinen Freunden und meiner Familie unternommen." Lange Zeit sagte niemand von uns etwas. Doch dann holte Ezra tief Luft und fragte "Was willst du von mir hören?" "Gar nichts. Ich habe dir nur deine Frage beantwortet." Ich antwortete ganz ruhig. Es war klar, dass er darauf empfindlich reagieren würde. Sanft löste ich seine Arme von mir, drehte mich um und setzte mich ihm gegenüber auf die Fensterbank. "Du weißt genau, dass ich sie alle vermisse." Eigentlich wollte ich ihn gar nicht zur Rede stellen, aber es nervte mich, dass er immer so pampig reagierte. "Avelle was wird das?" "Ich habe nur keine Lust, das du immer so empfindlich beim Thema 'meine Familie' bist!" "Warum musst du es denn ansprechen?" "Du bist wie ein kleines Kind! Frag mich doch demnächst nicht was los ist! Dann brauche ich es nicht anzusprechen! Solltest du aber fragen musst du mit der Wahrheit umgehen können. Dass ich sie vermissen werde war doch zu erwarten, als du dafür sorgtest, dass ich hier bleibe!" Ich war sauer. Wie konnte man sich nur in seinem Alter verhalten wie ein Zehnjähriger? "Ich kann es nicht haben wenn du unglücklich bist. Dafür mag ich dein Lachen viel zu sehr." gestand er mir leise. Es raubte mir jeden weiteren Vorwurf. Ezra schaffte es doch immer wieder mich zu überraschen. "Avelle, ich möchte das du glücklich bist. Hier." "Ezra, ich habe mich jetzt schon langsam an all das gewöhnt. Ich habe meine Angst und meine Abneigung dir gegenüber ablegen können und die Tage hier sind meistens ... gut. Aber nichts desto trotz bin ich mehr oder weniger deine Gefangene. Ich weiß so gut wie gar nichts über dich. Ich trage Kleider, in denen ich fast keine Luft bekomme, saß gegen meinen Willen auf einem Pferd und ich habe niemanden außer dir. Ich bin siebzehn. Ich brauche meine Freiheiten. Doch statt dessen sitze ich hier fest, wie ein Vogel im Käfig.
Bitte verstehe mich nicht falsch. Meine Abneigung dir gegenüber habe ich wirklich schon seit langem ablegen können. Ich möchte auch nicht sagen, dass du mich gehen lassen sollst. Ich möchte nur, dass du mich verstehst." Meine Stimme war erstaunlich ruhig, dafür dass ich ihm gerade meine ganzen Probleme anvertraute. "Avelle. Ich ... ich kann dir nicht erklären warum ich tue, was ich tue. Und ich weiß wie du dich fühlst. Ich versuche aber alles, um dir das Leben hier abwechslungsreicher zu gestalten." Es drehte sich immer alles nur um ihn! Alles spielte hier in diesem Schloß! Ich konnte nicht mehr länger hier drin wie eine Gefangene sitzen! Ich wollte den Druck, der von der Kette ausging nicht mehr spüren! Ich wollte nicht länger hinter Gittern sein!Eine Welle ging von meinem Innersten aus. Pure Energie wurde freigesetzt. Sie drang durch meinen Körper nach außen hindurch, ließ mir meine Haare um den Kopf wirbeln und mit einem knirschenden Geräusch barst der rote Stein an meiner Kette. Wut wurde durch Überraschung ersetzt und statt des üblichen Drucks von dem Anhänger spürte ich eine angenehme Leichtigkeit. "Was hast du getan?" fragte ich Ezra. "Warum hast du den Stein gesprengt?" "Das war nicht ich. Das warst du." Überrascht war kein Ausdruck, der für Ezra passend gewesen wäre. Es wäre eine maßlose Untertreibung. "Aber wie konntest du die Kette zerstören. Damit hast einen meiner mächtigsten Zauber durchbrochen." "Aber ... wie das?" ich war vollkommen sprachlos. Wir standen inmitten vieler kleiner roter Splitter. An meiner Kette baumelte die Fassung des Rubins. "Ich möchte mit dir einen Test machen" meinte Ezra "Was für einen Test?" Fragte ich verwirrt. "Ganz einfach, mache nur genau das was ich sage." Er wartete auf eine Reaktion also nickte ich langsam, nicht schlauer als vorher. "Gucke dich genau hier um. Du siehst dort, rechts neben der Tür eine große Vase. Konzentriere dich auf sie." Gesagt getan, ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die alt und zerbrechlich - und vermutlich wertvolle - Vase. "Jetzt gucke dir den kahlen fleck Links neben der Tür an. Präge dir auch die Stelle genau ein." Ich kam mir vor wie in einem Psycho-Test. Resigniert schaute ich zu Ezra "Was soll das werden?" "Stell keine blöden Fragen, tu es einfach." knurrte er. Seine Laune war nicht wirklich gut. Wenn er so reizbar war, machte er mir immernoch Angst. So richtete ich meinen Blick auf die linke Seite der Tür. "Kannst du die Vase und die Stelle links neben der Tür deutlich vor deinem inneren Auge sehen, wenn du sie schließt?" Ich probierte es aus, konzentrierte mich auf Vase und Ecke und nickte, als ich es noch deutlich vor mir sah. "Gut. Lass die Augen zu und stelle dir jetzt vor, dass die Vase in der Linken Ecke steht. Lasse dir Zeit und stelle es dir richtig gut vor. Bis ins kleinste Detail." Es klang einfach, doch das erstmal im Kopf zu kombinieren war gar nicht so einfach. Ich brauchte lange, bis ich mir genau vorstellen konnte, wie die Vase mit all ihren Einzelheiten und kleinen aufwendigen Mustern auf der anderen Seite der Tür stand.
Ich merkte, dass ich den Test bestanden hatte an dem kleinen keucher, den Ezra austieß. Skeptisch öffnete ich die Augen. Zuerst schaute ich zu Ezra. Er schien nicht recht zu glauben was er sah. Ich folgte seinem Blick und Verstand. Anstatt auf der rechten Seite der Tür, stand die Vase, die ich mir genauestens eingeprägt hatte, nun auf der linken Seite. "Was ..." Mein Unterbewusstsein hatte die Fakten schon längst kombiniert und war zu einem Schluss gekommen, doch mein Gehirn wehrte sich noch gegen die Lösung. "Du willst wissen, was das bedeutet?" Fragte Ezra, ein ungläubiges Lachen schwang in seiner Stimme mit "Das ist einfach,
du bist eine Magierin."
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L'Histoire d'Avelle
FantasyAvelle verbrachte ihr gesamtes Leben in England. Doch scheinbar ohne jeden Grund zogen sie weg, zu der vornehmen und unausstehlich arroganten Familie ihrer Mutter. Die 17-jährige hasste das Leben dort. Als sie allerdings ein Familiengeheimnis herau...