„Konstantin, Gerold, meine geliebten Söhne. Kommt her zu mir", flüsterte die geschwächte Stimme des alten Mannes. Er lag in einem mit blauer Seide überzogenen Himmelbett und hatte den Kopf auf die Seite gedreht, um seine beiden Söhne besser sehen zu können. Konstantin und Gerold gingen auf Ansgars Bett zu.
„Ja, Vater", sagte Konstantin und setzte sich zu ihm auf die Kante. Gerold blieb etwas entfernt davon stehen.
„Meine Zeit auf dieser Welt ist fast vorbei", fing der König an zu sprechen.
„Sag so etwas nicht Vater! Ihr werdet wieder gesund!", unterbrach ihn sein jüngerer Sohn, doch der König fuhr unbeirrt fort:
„Konstantin, dieses Mal nicht mehr und deshalb habe ich euch beide herbeirufen lassen." Ansgar fing röchelnd an zu husten.
„Tritt auch du näher, Gerold", bat er nach der Hustenattacke seinen zweiten Sohn.
„Wie gesagt, ich werde nicht mehr lange leben und ich möchte mein Erbe gerecht an euch verteilen." Nachdem der Vater dies angekündigt hatte, horchte Gerold auf und ging tatsächlich auf das Bett des Königs zu.
„Aber Vater", schmeichelte er, „Ihr braucht euch darüber keine Sorgen zu machen. Wir werden das schon unter uns klären."
„Aber ich mache mir Sorgen. Und deshalb teile ich mein Reich jetzt auf, solange ich es noch kann." Er schaute Gerold ernst, aber dennoch liebevoll an.
„Du Gerold bist ein guter Kämpfer und mein erstgeborener Sohn." Dann schwenkte er seinen Blick zu Konstantin.
„Du Konstantin bist mein zweiter Sohn und ein gerechter, liebenswerter junger Mann. Ihr werdet beide gute Herrscher sein und ich liebe euch beide sehr, deswegen kann ich nicht entscheiden wer nach mir König werden soll."
„Aber Vater", unterbrach ihn Gerold schroff, „ich bin der Erstgeborene. Es ist doch ganz klar, dass ich König werde."
„Unterbrich mich nicht Gerold, aber du hast Recht, du wirst König sein." Gerold stieß einen Jubelruf aus, denn mehr wollte er nie erreichen.
„Aber auch du Konstantin wirst König sein", ergänzte Ansgar.
„Aber wie soll das gehen Vater? Ihr habt doch nur ein Königreich", stellte Gerold empört fest, "Ich werde auf keinen Fall mit meinem kleinen Bruder zusammen herrschen!"
„Keine Sorge, das musst du auch nicht. Ich werde das Königreich gerecht unter euch verteilen. Gerold, du bekommst den Norden des Reiches. Konstantin, du den Süden. Da die Burg genau in der Mitte steht, wird auch diese geteilt. Gerold gehört die nördliche Hälfte, Konstantin die südliche." Der König hustete wieder und meinte:
„Streitet euch nicht und seid gute Herrscher über eurer Volk. Ich werde auf euch herabsehen und aufpassen." Dann schloss Ansgar für immer seine Augen. Konstantin und Gerold standen noch eine Weile neben der Ruhestätte des Vaters. Während der Jüngere ihm schluchzend hinterhertrauerte, legte sich ein dunkler Schatten über Gerolds Gesicht.
„Nur damit das klar ist Konstantin, ich hätte alleiniger Herrscher und König werden sollen. Über das ganze Reich. Und das werde ich erreichen. Auch wenn ich mit deinem Teil des Landes Krieg führen muss", drohte Gerold seinem Bruder und stürmte wutentbrannt aus dem Schlafgemach des Königs.
Wie dieser befohlen hatte, wurde das Königreich Abraxxas in das nördlich Königreich Tirnanog und das südliche Königreich Arcadash aufgeteilt. Konstantin lernte eine wunderschöne Frau kennen und heiratete sie wenige Monate später. Sie wurde seine über alles geliebte Königin Freya. Er herrschte, wie es der Vater befohlen hatte, gerecht und wurde vom Volk geliebt.
Sein Bruder heiratete auch. Allerdings herrschte er, trotz der Bitte des Vaters gerecht zu sein, grausam über sein Volk und befleckte den Boden seines Königreichs mit dem Blut seiner Untertanen. Konstantin wollte ihn zur Vernunft bringen, doch die Versuche endeten in einem erbitterten Streit, welcher den Umzug Gerolds in eine eigene Burg in der Mitte Tirnanogs nach sich zog.
Viele Jahre des Waffenstillstands vergingen, in denen Konstantins Frau schwanger wurde und einen Sohn gebar. Sein Bruder bekam ebenfalls ein Kind, welches jedoch bei Weitem nicht so gut behandelt wurde, wie Freyas Sohn. Konstantin erhoffte sich, dass der Frieden lange Zeit beibehalten würde.
Doch was wie Frieden aussah, entpuppte sich lediglich als Vorbereitungszeit für Gerold, der noch immer von Gier getrieben war. So folgten viele blutige Auseinandersetzungen, aber keiner der Kämpfe blieb den Bewohnern Arcadashs so in Erinnerung, wie der, in der ersten Vollmondnacht des Jahres.
Hunderte Soldaten fielen, und mindestens genauso viele wurden verletzt. Auch Konstantin und seine Frau wurden in dieser Nacht ermordet. Der Einzige, der unbeschadet aus diesem Kampf hervorging war der junge Prinz, welchen das Königspaar vor ihrem Tod einer Kammerdienerin übergeben hatten. Diese sollte ihn in eine andere Welt bringen und somit für seine Sicherheit sorgen.
Die Bewohner Arcadashs schafften es Gerold und seine Männer, trotz der schweren Verluste, zu vertreiben, aber dessen Begierde nach dem ganzen Land blieb bestehen und so versuchte er immer wieder das Königreich Arcadash ganz für sich zu gewinnen.
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Abraxxas Erben
FantasyWir alle führen Kriege. Egal ob mit uns selbst, oder mit anderen. Jeder hat Feinde. Auch der 18-jährige Alexander, der nichtsahnend zwischen die Fronten zweier Königreiche gerät. Zweier Königreiche, die einst ein Ganzes bildeten und durch die gr...