Kapitel 24

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Es war dunkel.

Überall war es dunkel.

Er konnte nichts sehen.

Es herrschte Totenstille.

Dann wurde es plötzlich hell.

So hell, dass er schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen sah. Reflexartig schloss er seine Lider.

Auch die Geräusche kehrten zurück.

Hilferufe. Schreie.

Langsam öffnete er seine Augen wieder. Mit Entsetzen blickte er auf die Szene, die sich ihm darbot. Er kannte dieses Schauspiel schon so gut und dennoch hasste er es. Oder auch gerade deswegen. Wieso immer wieder dieser Traum?

Er blickte auf die Krieger und deren Gegner. So viel Hass, Wut und Tod. Überall lagen Leichen und der Boden triefte von dem dickflüssigen Rot, welches sich seinen Weg durch das Labyrinth aus Körpern suchte.

„Nein! ... Konstantin", hörte er verzweifelte Schreie einer Frau, welche, wie Alexander nun mit Schrecken feststellte, seine Mutter war. Seine leibliche Mutter.

Und er träumte davon. Von dem Tod seiner Eltern. Wehmütig betrachtete er den getöteten Mann. Das war sein richtiger Vater. Ein tapferer Mann, der im Kampf zusammen mit seiner Frau starb.

Und wer war schuld? Gerold!

Gerold hatte beide umgebracht. Früher war es zwar schlimm zu wissen, dass er ein Mörder war. Doch jetzt, wo er nicht nur irgendjemanden getötet hatte, sondern seine eigenen Eltern, brach Alexanders Welt restlos in sich zusammen.

Völlig verzweifelt fing er an zu schreien. Es konnte ihn sowieso niemand hören, oder sehen. Er schrie sich seine Seele aus dem Leib, bis er heiser in sich zusammenbrach.

„Alexander!", folgte Gerolds Gebrüll, doch der Junge achtete nicht darauf, er dachte nur an Eine.

Ruckartig wachte er auf,die Gedanken bei den leblosen Körpern seiner Eltern. Sie starben, wurden von Gerold getötet. Doch er schob den Gedanken zur Seite, denn für ihn zählte jetzt nur eines.

Beatrice.

Sie war noch immer bei ihm. Bei dem Mörder. Ganz allein und schutzlos. Und sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass er ein derart kaltblütiger Mann war.

Oder doch. Sie wusste, dass er gelogen hatte, was ihren Bruder anging. Doch das war noch lange nicht so schlimm, wie jemanden getötet zu haben. Und davon wusste sie definitiv nichts, denn wer sollte es ihr erzählt haben. Gerold? Der ganz bestimmt nicht. Sonst war ja niemand da, der es ihr gesagt hätte.

Er konnte sie doch nicht einfach bei diesem Tyrannen lassen. So ganz allein. Er konnte es einfach nicht. Nicht nachdem er jetzt endlich wusste, was er für sie empfand.

Deshalb packte er seine Kleidung und zog sie schnell an. Er griff nach seinem Schwert Xallax und steckte es in die Scheide, welche er sich um die Hüfte hing.

Vorsichtig verließ er das Zimmer, in dem er schlafen durfte, schlich auf Zehenspitzen im Gebäude herum und fand schließlich etwas Essbares, das er in einen braunen Beutel steckte. Alexander lief so schnell er konnte in die Stallungen des Schlosses, von welchen er feststellte, dass sie sich nicht sehr von Tirnanogs unterschieden, und öffnete leise die Boxentür zu Arcadash.

„Hallo, Süße", begrüßte er das erstaunte Tier. Er legte den Sattel auf und schnürte das Bündel mit dem Essen dahinter fest. Schließlich führte er sein Pferd nach draußen, wobei er hoffte, dass niemand den Klang von Hufeisen auf gepflastertem Untergrund hörte.

Abraxxas ErbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt