Kapitel 23

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„Ich hasse ihn!", schrie sie aus voller Kraft in ihrem Zimmer. Die Tür war verschlossen, sodass sie niemand hören konnte. Doch auch wenn es nicht so gewesen wäre, hätte es sie nicht interessiert.

Wie konnte er nur? Schon wieder einmal ohne ihr Einverständnis. Und sie, eine Idiotin wie sie war, kam auch noch freiwillig hierher zurück.

Warum war sie nur so naiv gewesen? Ja, sie wollte die Wahrheit herausfinden. Doch hatte sie das geschafft? Ihre Mutter hatte ihr alles erzählt, aber nicht Gerold, von dem sie es eigentlich hören wollte. Dieser bewahrte Stillschweigen und wich ihren Fragen immer sofort aus. Es war angeblich ja schon zu lange her. Ein liebender Vater vergisst doch niemals die Kindheit seiner Tochter. Oder etwa doch?

Niedergeschlagen ließ sie sich auf ihr Himmelbett fallen und starrte die Decke an. Er war ein Monster. Verschwieg ihr die Wahrheit, belog sie und besaß auch noch die Frechheit zu glauben sie wüsste es nicht. Es gab keinen Mörder, der Marlon getötet hatte. Er war am Leben.

Wie von der Tarantel gestochen setzte sie sich wieder auf und wiederholte ihre letzten Gedanken nochmals. Notger war unschuldig! Er wurde gefangen gehalten, obwohl er nichts getan hatte.

Schnell stand sie auf und eilte aus ihrem Zimmer. Sie durchquerte das Schloss und steuerte auf den Eingang des Kerkers zu. Der bewachende Soldat schenkte ihr einen kritischen Blick, ließ sie allerdings passieren, als sie behauptete der König hätte sie geschickt. Sie lief auf die Zelle zu, von der sie sich erinnerte, dass sich Notger dort befand.

„Hallo?", fragte sie mit stockender Stimme und blickte durch das vergitterte Fenster an der Zellentür, „Seid Ihr da?"

„Wo sollte ich denn sonst sein?", erinnerte Notger das Mädchen mit einem Hauch von Ironie an seine missliche Lage. Beschämt senkte Beatrice ihren Kopf und überlegte fieberhaft, wie sie weiter vorgehen sollte. Da sie an nichts anderes denken konnte, fiel sie direkt mit der Tür in das Haus.

„Hast du meinen Bruder umgebracht?"

„Marlon? Wieso sollte ich ihn töten?"

„Nicht so laut", ermahnte sie den Mann und warf einen vorsichtigen Blick auf die Wache, „Ich dürfte eigentlich überhaupt nicht hier sein." Er gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er leiser sein würde, sagte jedoch nichts mehr.

„Hast du ihn nun getötet, oder nicht?", stellte sie die Frage konkreter.

„Nein, er lebt", erklärte Notger der Prinzessin, „Zumindest tat er das noch, bevor ich hier eingesperrt wurde."

„Unser König ist kein herzloser Killer", mischte sich einer der gefangenen Männer aus der Zelle schräg gegenüber ein.

„Genau, er würde niemals so etwas machen", bekräftigte ein anderer die Unschuld Notgers.

„Wenn das nun geklärt wäre, könnt ihr ja alle endlich wieder eure verdammten Klappen halten!", schrie eine heisere Stimme aus der Zelle direkt neben Notgers, „Es ist doch nicht zu viel verlangt endlich seine Ruhe zu haben." Erstaunt blickte Beatrice in die Richtung des alten Mannes.

„Ignorier ihn einfach", gab Notger ihr einen Ratschlag, „Er ist ein sehr gefährlicher und äußert raffinierter Dieb." Er blickte das Mädchen mit hochgezogener Augenbraue an und Beatrice konnte sich das Lachen kaum verkneifen.

„Äußerst raffiniert erwischt zu werden", meinte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.

„Ich bin nicht nur ein gefährlicher Dieb", beschwerte er sich, „Ich bin der gefährlichste Meisterdieb in ganz Tirnanog."

„Hey, Taro", mischte sich eine weitere Stimme von weiter hinten im Gang in die Unterhaltung mit ein, „Du bist kein Meisterdieb."

„Natürlich bin ich einer!"

Abraxxas ErbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt