Kapitel 9

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Sie verließen das Burggelände wobei Alexander bemerkte, wie ihnen ein Soldat folgte. Auch dieser saß auf einem Pferd, hielt aber ein beträchtliches Stück Abstand zu ihnen.

Beatrice blieb immer wieder mal stehen, um sich zu Alexander umzudrehen. Dieser versuchte nicht vom Pferd zu fallen und lächelte sie verkrampft an.

„Du bist noch nie auf einem Pferd gesessen, oder?", unterbrach Beatrice schließlich das Schweigen und ließ ihren Hengst neben Alexanders gehen.

„Sieht man das?", fragte er besorgt. Beatrice schüttelte lachend den Kopf.

„Überhaupt nicht. Du musst gerade sitzen, die Beine nicht so verkrampfen und dich dem Schaukeln des Pferdes anpassen", erklärte sie und Arcadash wieherte zur Bestätigung.

„Das ist gar nicht so leicht", bemerkte er, während er versuchte die Tipps alle gleichzeitig zu befolgen.

„Das hat auch nie jemand behauptet."

„Doch, Julius hat das einmal zu mir gesagt", sagte Alexander mehr zu sich selbst als zu Beatrice, und er nahm sich vor, dass er, sobald er wieder zu Hause war, Julius einmal darauf anreden sollte.

„Hey, Cindy", versuchte Alexander auf sich aufmerksam zu machen, da sie ihn ignorierte und die Gegend beobachtete.

„Wer ist Cindy?"

„Kennst du nicht Cinderella?" Sie schaute ihn verdutzt an und schüttelte den Kopf.

„Woher sollte ich eine Cinderella kennen? Ich lebe auf einer Burg, in die niemand freiwillig kommt. Auch keine Cinderella."

Alexander sah Beatrice entgeistert an, denn selbst er hatte den Film sich schon hunderte Male mit seiner Schwester ansehen müssen. Doch Beatrice schüttelte wieder nur den Kopf und fragte schließlich:

„Und warum nennst du mich dann Cinderella, wenn das jemand ist, den du kennst?"

„Naja, Cinderella ist blond, hat keine Geschwister..."

„Und ist wunderschön, so wie du", vervollständigte er den Satz lächelnd für sich selbst.

„Ich habe Geschwister. Einen Bruder", offenbarte sie Alexander.

„Er war aber nicht auf der Burg, oder?"

„Nein, er ist schon gestorben. Schon als ich ganz klein war. Deswegen weiß ich auch nicht mehr viel über ihn, außer seinen Namen."

„Und wie hieß er?", fragte Alexander neugierig, als sie nicht weitersprach, „Tut mir leid, eigentlich geht mich das nichts an."

Sie verharrte einige Augenblicke wortlos, dann flüsterte sie leise:

„Marlon."

Die beiden schwiegen, denn Alexander wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er selbst hatte noch nie ein Familienmitglied verloren, sie schon, und dann auch noch den eigenen Bruder.

Er stellte sich vor, Sina wäre tot. Das wäre schrecklich, denn auch wenn sie hin und wieder echt nervig war, so war sie doch seine kleine Schwester und er hat sie sehr lieb.

„Komm, ich zeig dir das Land", sagte Beatrice plötzlich und mit einer Bestimmtheit, welche Alexander nicht erwartet hätte. Sie ritt wieder los und auch er setzte Arcadash in Bewegung, um ihr hinterher zu kommen. Beatrice blieb immer wieder mal stehen und zeigte ihm etwas während Alexander ihr interessiert lauschte. Sie hatte eine wunderschöne Stimme.

Als sie wieder einmal standen und Beatrice auf einen großen Baum deutete, kamen ihnen einige Soldaten entgegen, wobei einer von ihnen die Zügel eines Pferdes in der Hand hatte, auf dem ein gefesselter Mann saß. Seingraues Haar fiel in fettigen Strähnen in sein Gesicht und überdeckten einenTeil der tiefen Furchen, die dem Alter zu verdanken waren. Doch trotz seineslumpigen Erscheinungsbildes konnte man erkennen, dass dieser kräftige Manneinst hohes Ansehen erlangt hatte, denn er saß aufrecht und mit erhobenem Blickauf dem Reittier. Sie ritten an ihnen vorbei und alle nickten Beatrice und Alexander höflich zu. Der Grauhaarige allerdings starrte ihn nur eindringlich an, sodass er verlegen zur Seite schaute, aber der Gefangene ließ nicht von dem Jungen ab. Immer wieder riskierte Alexander einen Blick und jedes Mal waren diese braunen, mit grauen Sprenkeln besetzten Augen da, die ihn ununterbrochen mit blicken durchbohrten.

Abraxxas ErbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt