"Hm? Welche Antwort?" frage ich und sehe ihn groß an. "Du hast vorhin irgendwas vor dich hin gemurmelt. Und du meintest dass ich die Antwort erst bekomme, wenn ich ehrlich wäre. Ich war ehrlich. Also?" Verdammt. Daran MUSSTE er sich jetzt erinnern, oder? "Ich habe gesagt, dass ich dich auch vermisst habe." sage ich kurz und knapp. Je weiter ich es rauszögere, desto schlimmer wird es. Also Augen zu und durch. "Und dann hast du dich nicht einmal gemeldet." stellt der schwarzhaarige kalt fest und ich sehe wieder auf die Seite. "Das... war etwas komplizierter, als du dir das jetzt vorstellst..."
"Dann erklär es mir." Ich kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Würde er meine Sicht der Dinge verstehen? Die Emotionale Ebene? Stumm wartet Alucard brav, bis ich nicke. "Ich kann dir nicht versprechen dass du es verstehst, aber ich kann versuchen, es dir zu erklären." Ich will mich aufsetzen, werde aber von Alucard zurück gehalten. Ich sehe ihn kurz fragend an, lege mich aber wieder zurück. Wenn er es so will... "Wie du weißt, war ich nicht ganz untätig." fange ich an und er brummt zustimmend. Schließlich hat er die Tafeln mit den Formeln und den Zeichnungen gesehen.
"Anfangs musste ich selbst um mein überleben kämpfen. Kein fester Schlafplatz. Keine Arbeit. Hunger. Das Virus. Ich hatte nichts. Dann habe ich angefangen, kleinere gefallen einzulösen und bin über den ein oder anderen Kunden dann in die illegale Szene gekommen. Da habe ich als Auftragsmörder angefangen und gleichzeitig begonnen, das Virus mit den mitteln zu erforschen, die ich zur Verfügung hatte." "Mit keinen." unterbricht Alucard meinen Erklärungsversuch und ich nicke. "Ich bin in Labore eingebrochen, um mir Mikroskope für ein paar Stunden auszuleihen. Oder bestimmte Chemikalien. Das habe ich alles aufgeschrieben. Mein Leben bestand aus dem Virus, meinen Aufträgen und ausnahmsweise mal schlafen."
Alucard piekt mir mit einem seiner behandschuhten Finger in die Wange. "Nicht einmal Zeit für einen Anruf? Kein 'Mir geht es gut, ich forsche nur hier drübern!', oder wie?" Ich zucke mit meinen Augenbrauen einmal hoch und runter. "Und ich fürchte, dass mein Stolz auch einen Teil an der Schuld hat. Ich meine..." Ich seufze und rücke noch ein wenig zu seinem Oberkörper. "ICH bin abgehauen. ICH habe den Kontakt abgebrochen. ICH habe euch allen den Rücken zugekehrt..." Ich sehe zu ihm hoch und verziehe mein Gesicht. "Mein Stolz hat er mir verboten, auf Knien zurück zur Organisation zu kriechen."
Plötzlich spüre ich seine Hände an meinen Hüften und überrascht lasse ich zu, dass er mich einfach so hoch hebt und auf seinen Schoß setzt. Meine Beine packt er links und rechts von sich. "Dein Stolz? Hast du mal an uns gedacht? Wie WIR uns dabei gefühlt haben?" knurrt er und hält mich nun an meinen Schultern fest. "Das war nicht dein Stolz! Oder nur zu einem kleinen Teil. Du warst Egoistisch! Du hast nur an DICH gedacht! Wie es DIR am besten gehen könnte! Wie DU am besten überleben konntest! Und wie DU den Virus ALLEINE bekämpfen kannst!"
Meine Augen werden groß, als er mir das alles einfach so hinklatscht. Und in den nächsten Augenblicken kann ich auch nicht denken, weil nur seine Worte in meinem Hirn hallen. Ich senke meinen Kopf und zwinge mein Hirn dazu, sich einzuschalten. Er hat recht. Aber... "Es gibt einen Grund, Alucard." flüstere ich und hebe meinen Kopf, um ihn anzusehen. "Es gibt einen Grund, wieso ich zu einem einsamen Wolf verkommen bin und nicht zu einer Löwin, die in einem Rudel lebt!" Die roten Augen des alten blitzen auf. "Achja?" fragt er leise und bedrohlich und nun ist es kein gemütliches Lagerfeuer mehr in seinen Augen. Es ist ein Inferno.
Ich richte mich auf und weiß, dass mein rechtes Auge ebenfalls glüht. "Als einziges Mädchen in der Familie lernst du schnell, dich auf dich selbst zu verlassen. Die Männer? Damals haben die Männer gearbeitet. Wow. Wir Frauen auch. Aber wir mussten alles schmeißen und ich musste ALLES wissen! Wenn ich meinen Vater oder einen meiner Brüder gefragt habe, ob sie mir helfen konnten hieß es, dass wir Frauen ja doch so eigenständig wären und das wir alles selbst könnten. Also habe ich es selbst gemacht. Ich stand SEHR knapp davor, auf einem verdammten SCHEITERHAUFEN zu brennen!"
Mein Körper zittert. Aber nicht vor Angst wegen den Erinnerungen, sondern wegen Wut. "Mein damaliger Meister hat mich gerade noch retten können und den Teil kennst du ja." knurre ich nun und fahre dann nach einer kurzen Pause fort. "Ich habe ihn getötet, als er dann nicht nur mich, sondern auch andere vergewaltigen wollte. Ich habe ihn zerfleischt. Wie ein wildes Tier. Bin dann abgehauen und habe 254 Jahre alleine in einer Hütte im Wald gelebt! In den Bergen, weil man mich dort in Ruhe lies! Alles was ich jetzt kann, habe ich mir selbst beigebracht und ich habe mich NIE auf jemanden verlassen können!"
Ich hole tief Luft und meine Lippen kräuseln sich leicht und meine Zähne zeigen sich. "Ich habe Fernstudiengänge gemacht, um überhaupt irgendetwas sinnvolles zu tun zu haben. Und dann hat mich Seras in der Hütte gefunden, als sie auf der Suche nach jemand anderem war." Wieder lasse ich eine Pause entstehen und lecke mir über meine Lippen. "Ich bin keine Löwin. Ich bin eine einsame Wölfin, die sich einem Rudel angeschlossen, es wieder verlassen und wieder angeschlossen hat." Alucard hat sich alles mit einer ruhigen Miene angehört, aber keine Miene verzogen. Sondern einfach nur dagesessen.
"Tragische Lebensgeschichte. Da stimme ich dir zu. Aber was daran hindert mich jetzt wirklich daran, dich als Löwin und nicht als Wölfin zu sehen?" fragt er und ich bin baff. Hat... Hat er mir nicht zugehört? Er lässt seine Hände von meinen Schultern zu einen Händen sinken und hebt meine linke mit seiner rechten hoch. "Eine Löwin lebt und stirbt für die Familie. Beschützt die eigenen Jungen gegen fremde Männchen. Jagd und hält somit das Rudel über Wasser. Die Löwin ist diejenige, die das Leben und den Tod bestimmen kann." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Eine Wölfin auch." erwiedere ich und er fängt an zu grinsen.
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Vampirpest 2
FanfictionNachdem es Alexandra irgendwie geschafft hat, wieder aus Japan zurückzukehren, stellt sich ihr ein neues Problem in den Weg. Der Virus. Zwar hat sie ungefähr sechs Jahre lang theoretische Forschungen anstellen können, aber mit einer infizierten Freu...