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Für einen Moment musste Yoongi überlegen, wovor sein Gegenüber Angst haben könnte und sobald es ihm einfiel, hätte er sich selbst eine klatschen können. Jimin hatte Angst vor der Dunkelheit, vor etwas, das für Yoongi mittlerweile ganz normal war, immerhin musste er seine Stromrechnung, so gering wie möglich halten. Yoongi schüttelte kurz den Kopf als wolle er diese Gedanken jetzt verscheuchen und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt: „Hast du vielleicht dein Handy da? Dessen Taschenlampe ist sicherlich heller als mein Feuerzeug", daraufhin nickte der Jüngere und zog mit zitternden Händen das Telefon aus seiner Hosentasche. Kurz darauf leuchtete der Bildschirm auf und direkt darauf die Rückseite des Handys. Jimin legte es mit den Bildschirm nach unten zwischen sich und seinem Gegenüber, der ihn musterte. Als der Jüngere das bemerkte, errötete er. Seine Angst war ihm schon immer peinlich, aber jetzt schämte er sich ganz besonders davor. Deshalb brach er auch den Blickkontakt ab und schaute wieder auf seine Hände. Nach einer Weile legte sich eine andere Hand über seine, es war Yoongi, der nach Jimins Händen griff und dessen Stimme wenig später auch zu hören war: „Es gibt keinen Grund sich zu schämen, Jimin. Jeder hat vor etwas Angst." Diese Worte munterten den Angesprochenen etwas auf, aber er hatte trotzdem das Gefühl sich erklären zu müssen. Und so rutschte dem Jüngeren eher ungewollt eine Erklärung heraus: „Im Dunkeln werden sie lauter."

Diese Erklärung, die eigentlich nur noch mehr Fragen aufwarf, ließ Yoongi seine Stirn runzeln: „Wer wird lauter?", fragte dieser verwirrt. Und nach einer Weile, in der Jimin überlegte, wie er sich da wieder rausreden könnte, kam von diesem: „Die Gedanken." Es war die Wahrheit, denn ihm fiel nichts anderes ein und er war sowieso ein miserabler Lügner. Dennoch wollte er nicht näher darauf eingehen und deshalb redete er schnell weiter, bevor Yoongi weiter nachfragen konnte: „Wovor hast du denn Angst?" Jetzt war der andere dran mit überlegen, denn es gab ein paar Sachen, die er fürchtete und er war sich bei keiner sicher, ob er sie dem Jüngeren schon anvertrauen konnte. „Ich habe Angst davor, mir wichtige Personen zu verlieren?", das weckte Jimins Neugierde: „Inwiefern verlieren?"

Mit einem Seufzen beschloss Yoongi dem Jüngeren tatsächlich etwas über sein Leben zu verraten. Denn er wollte ihm zeigen, dass er ihm vertrauen könne und das ging am besten, indem er diesem auch etwas anvertraute. Also fuhr er sich nochmal durch die Haare und starrte auf den Teich während er anfing zu sprechen: „Zum Beispiel Jimin, meine kleine Schwester, ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, sie überhaupt noch sehen zu dürfen. Aber bei jedem Fehler drohen unsere Eltern mir, dass ich sie bald gar nicht mehr sehen darf und ich habe Angst, dass ich bald einen Fehler zu viel mache." Jimins Stimme klang bei der nächsten Frage vorsichtig und bedacht darauf, dem Älterem nicht zu Nahe zu treten: „Was für Fehler?" Und jetzt erst fiel Yoongi auf, in was er sich damit hineingeritten hatte, denn diese Angst ließ sich nur mit fast der ganzen Geschichte erklären: „Ich habe dir doch erzählt, dass ich die Schule abgebrochen habe." Jimin nickte nur, um seinen Gegenüber nicht zu unterbrechen. „Das hat meinen Eltern natürlich ziemlich widerfallen, sie haben mich rausgeworfen. Das selbst war nicht so schlimm, ich habe mich damals schon eine Weile nicht gut mit meinen Eltern verstanden." Er wuschelte sich erneut durchs Haar, löste den Blick dabei nicht von dem Wasser vor ihnen: „Doch die Trennung von Jimin tat weh, ich habe sie doch so lieb und muss sie beschützen." Yoongi drehte sich jetzt doch zu dem Kleinerem: „Ich habe lange diskutiert bis ich sie wiedersehen durfte, jetzt darf ich sie jede zweite Woche etwas mit ihr unternehmen. Aber meine Mutter droht mir jedes Mal damit das zu beenden, wenn ich sie etwas zu spät heimbringe oder sonst irgendwas mache, das die beiden stört."

„Oh", kam es von Jimin, denn er wusste keine bessere Antwort und obwohl der andere das verstand, machte diese karge Antwort ihn wütend: „Ja: Oh. Scheiße ist das!" Er stand auf und Jimin hatte schon Angst ab jetzt wieder allein zu sein, aber der Stehende fuhr sich nur übers Gesicht, um sich selbst beruhigen. Anschließend drehte er sich wieder zu dem Jüngeren und setzte sich neben ihn. Dieser schaute betreten auf seine Schuhspitzen und murmelte eine Entschuldigung, aber in nächster Sekunde widersprach der Ältere ihm wieder: „Es gibt nichts für das du dich entschuldigen müsstest. Ich schätze, dieses Thema geht mir nach wie vor etwas zu nah."

Feeling guilty || YOONMINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt