12. Dezember

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Nathan POV

Ich werde wach, als Finn mir einen sanften Kuss auf die Stirn gibt. "Ich hab für morgen einen OP-Termin gemacht. Ich will das hinter mich bringen." Schlagartig bin ich hellwach. Ich setze mich auf. "Morgen?! Finn, wir haben noch nicht mal mit unseren Kindern geredet." Er sieht mich beschwichtigend an. "Ich weiß. Deswegen sollen sie ja heute Abend herkommen. Und dann werde ich es ihnen sagen und morgen lasse ich mich operieren und an Weihnachten bin ich hoffentlich schon wieder zu Hause." Ich kann nichts gegen die Tränen machen, die mir plötzlich über die Wangen laufen. Finn sieht mich bestürzt an und wischt sanft über meine Wangen. "Hey, hey. Schatz, warum weinst du denn jetzt?" "Ich hab Angst. Und ich will Weihnachten nicht ohne dich verbringen." Finn bringt ein schwaches Lächeln zustande. "Das musst du doch auch nicht. Es wird alles gut gehen." Er zieht mich an sich und gibt mir einen Kuss. "Okay?" Ich versuche zu lächeln, auch wenn es vermutlich ziemlich bescheuert aussieht. "Okay. Lass uns Frühstücken. Ich bin echt hungrig." Finn lacht. "Oh, Überraschung."

"Und du denkst, sowohl Robin als auch Brandon werden heute Abend einfach spontan kommen?" Finn nickt. "Ja, genau. Brandon hat sogar schon geschrieben, dass er kann. Und Robin wird es ja wohl auch irgendwie hinbekommen." Ich widme mich wieder meinem Essen, beobachte dabei aber weiter Finn. Er hat sein Essen nicht mal angerührt. Besorgt sehe ich ihn an. "Schatz, du musst essen." Finn starrt sein Essen an und verzieht das Gesicht. "Mir ist schlecht. Ich will nichts essen." Das kam in letzter Zeit tatsächlich öfter vor, weswegen ich Finn ja dann überhaupt dazu gedrängt habe zum Arzt zu gehen. Dass er ein Chondrosarkom hat, hat mich dann schon etwas geschockt. Ich meine, Finn hatte zwar auch Schmerzen, aber er meinte das liegt bestimmt am Alter. "Iss jetzt dein Essen, Finn." Er verdreht die Augen. "Nathan, bitte. Ich will nicht." Seufzend nehme ich seinen Teller. "Okay, aber später isst du." Finn nickt nur und trinkt dann wenigstens seinen Kaffee.

Ich verbringe den Morgen damit, Finn ins Krankenhaus zu begleiten und mir die Vorbesprechung für die OP mit anzuhören. Ich würde mir bei der Erklärung der Risiken am liebsten die Ohren zu halten, auch wenn ich im Endeffekt sowieso weiß, was so alles passieren kann. Als Finn die Zelttel unterschreibt, stehe ich abrupt auf und gehe aus dem Zimmer.

Ich weiß selbst nicht, warum das gerade passiert ist. Vielleicht weil Finn ohne mich beschlossen hat, dass er schon morgen operiert wird. Vielleicht auch einfach, weil ich wirklich, wirklich Angst habe. Finn kommt nach kurzer Zeit zu mir und sieht mich besorgt an. "Nathan, was ist los?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Du hast ohne mich entschieden, das morgen zu machen und...mein Gott, ich hab einfach verdammt Angst um dich." Finns Blick wird unheimlich sanft. "Nathan, ich liebe dich. Und du weißt selbst, dass du mich nicht davon abgehalten hättest. Mach dir bitte nicht so viele Sorgen. Ich hab schon schlimmeres überlebt." Ich ziehe ihn an mich und gebe ihm einen Kuss. Dann nehme ich seine Hände in meine. "Ich liebe dich auch, Finn. Du hast recht. Wir kriegen das schon hin. Und Weihnachten wirst du zu Hause sein." Er sieht mich lächelnd an. "Ja, das werde ich. Wollen wir zum Italiener Mittagessen gehen?" Lachend nicke ich. "Natürlich. Denkst du ernsthaft ich sag dazu Nein?"

Mittlerweile sind wir wieder zu Hause. Finn hat sich erstmal hingelegt und ich bereite schonmal etwas für das Essen heute Abend vor. Mein Blick fällt aus dem Küchenfenster in unseren Vorgarten. Lächelnd betrachte ich die beiden Schneemänner, die Jane gestern mit Robin und Mike gebaut hat. Jane ist so ein süßes und liebes Mädchen und sie erinnert mich tatsächlich manchmal an meine verstorbene Frau Jane. Ich rechne es Mike und Robin wirklich hoch an, dass sie ihre Tochter tatsächlich nach ihr benannt haben. Ich verbringe wirklich sehr gerne Zeit mit meiner Enkelin und ich hoffe sehr, dass da vielleicht aber noch das ein oder andere weitere Enkelkind folgt. Wie es aussieht vielleicht ja auch seitens meines Sohnes. Finn reißt mich aus meinen Gedanken, als er in die Küche kommt und einen Arm um mich legt. "Du siehst gerade sehr glücklich aus. Woran denkst du?" "Enkelkinder." Finn lacht. "Ah, verstehe. Erstmal konzentrierst du dich aber am besten auf unsere Kinder, die bald vorbeikommen und Essen verlangen werden."

Brandon kommt gemeinsam mit Nolan, während Robin alleine kommt. Wir sitzen ziemlich lange schweigend beim Essen. Anscheinend traut sich keiner zu fragen, was los ist und Finn ist zu sehr damit beschäftigt zu überlegen, wie er erklärt, was Sache ist. Nolan legt irgendwann seine Gabel hin und sieht verwirrt in die Runde. "Kann vielleicht irgendwer mal irgendwas sagen? Ich finde es nämlich ehrlich gesagt echt grausam, wenn hier alle so schweigend sitzen." Brandon nickt. "Da hat er recht. Das passt vor allem auch gar nicht zu dieser Familie." Finn seufzt. Ich sehe ihn ermutigend an und greife nach seiner Hand. Er atmet erst tief durch bevor er anfängt zu reden. "Ich habe ein Chondrosarkom. Also einen bösartigen Tumor. Im Becken. Aber das ist überhaupt nicht so schlimm, wie es sich anhört. Ich werde morgen operiert und danach wird dann hoffentlich im Prinzip alles gut sein." Einen Moment ist es still. Dann sieht Robin Finn entgeistert an. "Dad! Du lässt dich morgen operieren und sagst uns das erst jetzt?! Was wenn du...oh mein Gott." Ich sehe Robin besänftigend an. "Ganz ruhig, Süße. Es wird schon alles gut gehen. Dein Dad schafft das. Und wir sind ja natürlich alle für ihn da." Brandon sieht zu Finn. "Also ist es so, dass man es gut entfernen kann? Und du hast keine Metastasen?" Finn nickt. "Genau. Es wurde glücklicherweise rechtzeitig erkannt." Brandon versucht zu lächeln, allerdings fangen seine Augen an, auffällig zu glänzen. Im nächsten Moment beginnt er zu weinen. Nolan zieht ihn an sich und streicht beruhigend über seinen Rücken. "Schatz, alles wird gut. Deinem Dad wird es gut gehen." Robin fängt nun ebenfalls an zu weinen. "Und wenn nicht?" Ich stehe auf und gehe zu Robin. Ich schlinge meine Arme um sie. "Robin, meine Süße, nicht weinen. Nolan hat recht. Es wird alles gut. Und Dad wird es gut gehen." Finn, der mittlerweile unheimlich erschöpft aussieht, wirft mir einen dankend Blick zu. Dann steht er auf und verzieht kurz das Gesicht. "Autsch. Ich würde ja echt gerne noch länger mit euch hier sitzen, aber ich bin echt müde. Vielleicht kommt ihr mich ja morgen Abend im Krankenhaus besuchen." Alle nicken sofort und nehmen Finn dann in den Arm.

Als Finn oben ist, sehen meine Kinder besorgt zu mir. Robin legt mir eine Hand auf die Schulter. "Wie geht's dir damit?" Ich seufze. "Naja, ich hab natürlich schon Angst. Aber...es ist Vorweihnachtszeit und das gibt mir irgendwie Hoffnung." Brandon grinst. "Weihnachtswunder und so?" Lächelnd nicke ich. "Ja, genau. Wir werden alle zusammen Weihnachten feiern. Ganz bestimmt."

Ich versuche möglichst leise ins Bett zu gehen, aber Finn wacht trotzdem auf, als ich mich neben ihn lege. "Sorry Schatz. Schlaf weiter." Er beugt sich über mich und gibt mir einen Kuss. Dann zieht er mir plötzlich meine Boxershorts aus. Lachend schalte ich das Licht wieder an. "Okay, noch nicht schlafen." Finn sieht mich grinsend an. "Man weiß ja nie, was morgen so passiert. Wer weiß, wann ich nach der OP wieder mit dir Sex haben darf und kann. Also sollten wir jetzt nochmal sehr, sehr guten Sex haben..."

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