21. Dezember

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Brandon POV

Es ist schön einfach so aufzuwachen. Ohne nerviges Weckerklingeln, sondern einfach, weil man halt von selbst wach wird. Ich sehe zur anderen Betthälfte. Nolan ist wohl schon aufgestanden. Ich bleibe noch einen kurzen Moment liegen, bevor ich aufstehe. Ich tapse ins Badezimmer und sorge dann vermutlich bei Nolan beinahe für einen Herzinfarkt. "Sorry, ich wusste nicht, dass du hier bist." "Schon okay. Guten Morgen übrigens." Ich lächle ihn an. "Guten Morgen. Hey, ich dachte, wir könnten heute Peter besuchen gehen. Und vielleicht lassen sie ihn ja mit uns zum Krankenhaus gehen, damit er und Dad sich sehen können." Nolan nickt lächelnd. "Das klingt doch nach einem Plan."

Nach dem Frühstück machen wir uns also auf dem Weg zu dem Altersheim, in dem Peter mittlerweile wohnt. Seine Frau ist noch deutlich jünger als er und geht noch arbeiten. Sie hat wohl nicht so die Möglichkeiten, sich um Peter zu kümmern. Peter freut sich riesig, als wir ins Zimmer kommen. Das ist unheimlich niedlich. Ich nehme ihn den Arm. "Hey Peter. Das ist mein Freund Nolan." Nolan streckt Peter die Hand entgegen. "Hallo, schön dich kennenlernen. Ich hab schon viel von dir gehört." Peter mustert Nolan von oben bis unten. Dann lächelt er. "Hi, find ich auch. Brandon, wie geht es deinen Dads?" Seufzend setzte ich mich. "Naja. Finn hatte ein Chondrosarkom, dass sie vor ein paar Tagen entfernt haben und jetzt muss er sich davon erstmal erholen. Das ist für meinen anderen Dad natürlich auch nicht so toll. Willst du die beiden sehen? Wir werden mal fragen, ob wir dich kurz entführen dürfen." Peter beginnt zu grinsen. "Bitte. Ich will hier raus. Das ist wirklich langsam langweilig hier."

Ich glaube, ich habe Peter noch nie so viel auf einmal reden gehört. Den ganzen Weg erzählt er uns von allem möglichen, was so in dem Altersheim passiert. Ich schiebe Peter durch den Flur des Krankenhauses und mittlerweile höre ich ihm irgendwie nicht mehr so wirklich zu. Nolan wirft mir einen amüsierten Blick zu und beugt sich zu mir rüber. "Redet er immer so viel?" Schmunzelnd schüttele ich den Kopf. "Nein, ich glaube er musste wirklich einfach dringend mal raus."

Als Finn Peter sieht, breitet sich ein glückliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. "Peter! Hey, wie schön, dich zu sehen." Peter grinst. "Hi. Was machst du denn für Sachen? Und keiner erzählt mir was. Meine Güte, wer ist das denn?" Mein anderer Dad sieht Peter etwas traurig an. "Peter, das ist Jane. Die Tochter von Robin und Mike." Peter nickt langsam. "Ach ja. Wie geht's euch allen?" Mein Dad lächelt. "Ganz gut. Ich muss mich zwar noch erholen, aber alles in allem läuft es ganz gut." Ich weiß, dass mein Dad das nur sagt, damit Peter sich keine Sorgen macht. Dad geht es echt nicht gut. Die Schmerzmittel haben starke Nebenwirkungen und mittlerweile bezweifeln wir alle, dass er Weihnachten nach Hause kann. Sein Zustand ist jetzt nicht kritisch oder so, aber eben auch nicht so, dass die Ärzte ihn am 24. einfach unbesorgt nach Hause entlassen werden. Aber in mir ist immernoch ein winziger Funken Hoffnung; dieser naive Teil in mir, der an Weihnachtswunder glaubt.

Die Zeit mit Peter ist wunderschön, aber gleichzeitig macht sie mich auch irgendwie traurig. Peter hat immer wieder nach Frank gefragt und ich glaube, er vergisst langsam auch immer wieder, dass er mit Lena verheiratet ist. Er hat sogar einmal von Mary geredet, aber wenigstens selbst bemerkt, dass Mary schon lange nicht mehr lebt. Es hat mir so leid getan, wie traurig es ihn jedes Mal gemacht hat, wenn wir ihm erklären mussten, dass Frank tot ist. Jetzt erzählt er gerade aber von früher und wirkt ziemlich glücklich.

"Robin, also Finns Mutter, ist mit mir mal feiern gegangen und hat versucht mir dabei zu helfen, eine Frau klar zu machen. Stellte sich aber raus, dass die Frau lesbisch war und nur an Robin Interesse hatte. Ich vermute immer noch, dass Frank in der Nacht einen Dreier hatte." Meine Dads sehen sich einen Moment verstört an, dann beginnen sie zu lachen. Finn schlägt sich die Hände vors Gesicht. "Oh mein Gott, das ist eine verstörende Vorstellung. Wobei es generell verstörend ist, darüber nachzudenken, dass die eigenen Eltern Sex haben." Ich sehe meinen Dad an und hebe eine Augenbraue. "Weißt du, was noch viel verstörender ist? Seine Eltern beim Sex zu hören. Ihr zwei wart nicht gerade leise. Ich habe verstörende Dinge gehört...und einmal gesehen."

Als ich elf war, bin ich einmal geradewegs in ihr Schlafzimmer reingelaufen als sie gevögelt haben. Und ich habe bis heute das Bild nicht aus meinem Kopf bekommen. Nathan vergräbt seinen Kopf an der Schulter meines anderen Dads. Für die beiden war das glaube ich genauso schlimm. Vorallem, weil ich danach viele Fragen gestellt habe. Finn lacht. "Oh ja, ich erinnere mich. Das tut mir sehr leid für dich. Aber für uns war das auch nicht schön." Nolan beginnt zu grinsen. "So wie ich Brandon kenne, hat er doch bestimmt danach Fragen gestellt." Mein andere Dad schaut hoch und lacht. "Oh ja. Allerdings hat es 'das Gespräch' dann später deutlich verkürzt." Nolan runzelt die Stirn. "Brandon war bis vor kurzem ungeoutet. Hat er dann die Hetero Version bekommen?" Dad grinst. "Beides. Ich meine, ich bin ja bisexuell und Finn ist ja auch ganz gut darin, trotz Homosexualität mit Frauen zu schlafen." Mein anderer Dad verdreht die Augen. "Dreißig Jahre später und noch immer hälst du mir diesen dämlichen Unfall vor." Dad lächelt nur und gibt meinem anderen Dad dann einen Kuss. Die Beziehung der beiden, sollte ich wirklich als Vorbild nehmen. Sie sind schließlich noch so glücklich wie vor dreißig Jahren.

Mittlerweile ist es schon recht spät und wir sind bereits im Bett. Nolan sieht mich irritiert an. "Brandon, was ist denn mit dir los? Da passiert ja gerade gar nichts." Seufzend setzte ich mich auf. "Okay, das klingt jetzt dumm, aber seit der Konversation heute Mittag ist das verstörende Bild meiner Dads wieder sehr präsent." Nolan beginnt zu lachen. "Verstehe. Hör auf, darüber nachzudenken. Ich kann dir hier viel, viel schönere Erinnerungen bescheren." Mit diesen Worten verschwindet er unter der Decke und beschert mir tatsächlich eine deutlich schönere Erinnerung...

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