18. Dezember

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Nathan POV

Es tut gut, im eigenen Bett aufzuwachen. Allerdings ist es furchtbar alleine aufzuwachen. Im Haus ist es so unheimlich still. Ich greife nach meiner Orthese. Es ist so seltsam, wenn niemand da ist, mit dem man reden kann. Ich will möglichst schnell zurück ins Krankenhaus zu Finn.

Als ich Finns Zimmer betrete, gefällt mir überhaupt nicht, was ich sehe. Finn sieht unheimlich erschöpft aus und ist total blass. Außerdem ist er nass geschwitzt, scheint aber zu frieren. Ich greife nach seiner Hand. "Schatz?" Als er antwortet ist seine Stimme nur ein Flüstern. "Mir geht's irgendwie nicht so gut." "Du siehst auch alles andere als gesund aus. Ich komme gleich wieder."

Ich gehe raus auf den Flur und spreche den Krankenpfleger an, der gerade aus dem Nebenzimmer kommt. "Guten Morgen. Meinem Mann geht's nicht so wirklich gut und-" Er unterbricht mich. "Dr Martin wird sicherlich gleich nach ihm schauen. Ich habe unheimlich viele Patienten um die ich mich noch kümmern muss." Ich deute auf den Pflegewagen. "Kann ich bitte Bettwäsche haben? Ich würde das Bett meines Mannes gerne frisch beziehen." Er hebt eine Augenbraue. "Wissen Sie denn überhaupt, inwieweit man ihren Mann bewegen darf?" "Ich bin übrigens Neurochirurg. Also würde ich sagen, ja." Der Pfleger wird rot. "Oh. Entschuldigen Sie bitte. Hier."

Mittlerweile war Dr Martin da und hat Finn gründlich untersucht. Er ist der Meinung, das sei einfach eine Reaktion auf die Schmerzmittel und es sollte ihm bald besser gehen. Ich bin mir da ja nicht so sicher, aber Dr Martin ist ein sehr guter Arzt und ich will ihm da dann eigentlich auch nicht widersprechen. Finn schläft jetzt jedenfalls und ich saß die ganze Zeit sinnlos da rum, bis ich jetzt auf die Idee kam, Brandon zu besuchen.

"Hi Dad. Komm rein." Ich betrete den Flur und sehe mich neugierig um. Brandon hat, vermutlich wegen Nolan, immer vermieden, dass wir in seine Wohnung kommen. "Wow, ihr habt es aber schön hier." Brandon lächelt mich an. "Danke. Ach, Nolan ist übrigens auch zu Hause. Er hat sich einen Magen-Darm Virus eingefangen." "Oh, der Arme." Mein Sohn beginnt Kaffee zu kochen. "Wie geht's Dad?" Seufzend setzte ich mich. "Nicht so gut. Er hat ziemlich krasse Nebenwirkungen von den Schmerzmitteln." "Scheiße. Hoffentlich wird es bald besser."

In dem Moment kommt Nolan in die Küche. Er ist ziemlich blass und hat wohl nicht sonderlich viel geschlafen letzte Nacht. Als er mich sieht, beginnt er zu lächeln. "Hi Nathan." "Hey. Ich hab gehört dir geht's nicht so gut." Er nickt. "Ja...ich hab gefühlt die ganze Nacht gekotzt. Aber naja, das wird schon wieder." Brandon schnippt plötzlich mit dem Finger. "Da fällt mir ein...Nolan war gestern dann beim Arzt. Bei Nate. Und jetzt hat er Fragen. Wollen wir uns ins Wohnzimmer setzen?"

"Also Brandon hat mir erzählt, dass du und Finn schonmal verheiratet waren. Und jetzt weiß ich, warum Jane Jane heißt." Lächelnd lehne ich mich zurück. "Ja, so ist es. Meine Frau Jane ist relativ jung verstorben. Sie hatte einen Hirntumor. Wir kannten uns davor schon seit dem Kindergarten und waren im Prinzip auch schon seitdem ein Paar. Wir dachten echt, das mit uns hält ein Leben lang. Aber dann kam der blöde Hirntumor. Nach Janes Tod hatte ich wirklich eine schwere Zeit. Ich hab zu viel getrunken und mir ging es wirklich beschissen. Und dann...naja, dann habe ich beschlossen einen Neuanfang zu wagen. Ich habe mich im St Mary Hospital beworben und naja...Finn war da damals Chefarzt. An dem Tag an dem ich ihn kennengelernt habe, hat er seinen Mann verloren. Nathaniel. Wir sind uns immer näher gekommen. Wir haben viel durchgemacht, aber irgendwann hat sich dann alles zum Guten gewendet. Hat Brandon dir mal von der Explosion erzählt, die es im Krankenhaus gab? Hätten wir da nicht wirklich, wirklich Glück gehabt, dann gäbe es Brandon jetzt gar nicht." Nolan sieht nachdenklich zu mir. "Ja, davon hat er erzählt. Wie ist das eigentlich mit Peter?" "Peter ist praktisch mein zweiter Schwiegervater. Das ist eine längere Geschichte. Peter ist jedenfalls total lieb. Er war immer für uns da und ist es auch eigenlich heute noch. Langsam wird er allerdings sehr vergesslich. Er ist aber auch schon ziemlich alt." Brandon grinst. "Ich find es irgendwie witzig. Hoffentlich lebt er noch lange." Nolan nickt langsam. "Okay. Leben deine und Finns Eltern eigentlich noch? Brandon erzählt nie was von Großeltern." Ich schüttele den Kopf. "Nein, Finns Mutter ist schon in seiner Jugend verstorben und meine Mutter ist auch schon ziemlich lange tot. Finns Vater ist vor acht Jahren verstorben und mein Dad...im September diesen Jahres."

Ich blinzle die Tränen weg, die in meine Augen steigen. Der Tod meines Dads geht mir doch immernoch näher als ich dachte. Er ist ja ziemlich alt geworden, aber sein Tod kam trotzdem plötzlich. Wir hatten an dem Tag morgens sogar noch zusammen gefrühstückt. Und Abends hat er sich plötzlich so oft übergeben, dass wir ihn lieber ins Krankenhaus gebracht haben. Da ging dann alles ziemlich schnell. Ich vermisse meinen Dad sehr. Auch wenn wir uns oft gestritten haben, im Endeffekt war er immer für mich da und vor allem hat er mich, im Gegensatz zu meiner Mutter, so akzeptiert wie ich bin.

Brandon reißt mich aus meinen Gedanken. Er hat mich wohl schon zuvor irgendwas gefragt, denn er sieht mich abwartend an. "Sorry, was?" "Ob du Mittag essen möchtest." Ich nicke. "Gerne. Aber ich dachte, du kannst nicht kochen?" Er lacht. "Kann ich auch nicht. Nolan kocht manchmal vor. Und Essen warm machen krieg ich immerhin gerade so auf die Reihe."

Es ist inzwischen schon später Abend. Ich war nochmal bei Finn, dem es nicht wirklich besser ging, aber immerhin auch nicht schlechter. Ich wollte eigentlich doch lieber wieder da bleiben, aber Finn hat mich wegen meiner Rückenschmerzen gezwungen, nach Hause zu gehen. Das ist vermutlich auch vernünftiger. Eigentlich müsste ich sowieso deutlich mehr liegen. Mein Arzt war der Meinung, dass Risiko für einen Bandscheibenvorfall ist ziemlich hoch und ich soll es langsam angehen lassen. Also liege ich jetzt in unserm eigenen Bett und klammere mich an Finns Kopfkissen. Nichts in den Armen zu haben, fühlt sich zu seltsam an. Meine Augen fallen immer wieder zu, bis ich letztendlich einschlafe.

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