Torn

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Er hatte ihn erstochen, durchstochen, ihm sein Leben genommen, ihm, ihm seinen Vater. Er hatte ihn getötet, ihn umgebracht, der Sohn hatte seinen Vater umgebracht. Der Sohn? Er war eines Sohnes nicht würdig, niemals war er es, er war ein Monster. Er begang etwas, dessen er sich nie überwunden hätte. Er wollte seinen Kopf gegen eine Wand schlagen, bis es vorbei sein würde, bis die Dunkelheit seinen Verstand wieder einnehmen würde. Doch das war vorbei, er war stärker als das, eigentlich überhaupt nicht, er war nichts, er war absolut nichts, doch es war seine Bürde, seine Bürde und seine Strafe. Seine Stafe seinen Taten direkt ins Gesicht blicken zu müssen, sie sehen zu müssen, wieder sehen zu müssen, seine Emotionen wieder fühlen zu müssen, bedauern zu müssen. Zu leiden, sich erinnern, das war das Einzige was er tun konnte, für all diese Seelen tun konnte, Seelen deren Leben er zerstört hatte und es war das Einzige, das Einzige was er noch für seinen Vater tun konnte, das Einzige.
Also zwang er sich hinzusehen und er würde niemals mehr wegsehen, niemehr seine Augen verschließen, vor sich selbst, seinen Taten und der Dunkelheit. Niemals.

Der Schleier hob sich. Er stand dort, dort auf einer Brücke der Starkiller Basis, ein einzelner Lichtstrahl von außen erhellte diese. Ein Mann stand vor ihm. Der Mann der ihn zuvor Ben genannt, gerufen hatte.
Der ihn mit dem Namen dessen rief, was schon lange tot war. So tot, dass er es sich seit dieser Ewigkeit noch einredete.
Und trotzdem hatte er ihn seit jener Ewigkeit nicht mehr gehört, diesen Namen gehört.
Und nun stand er dort, dort vor diesem Mann, mit leeren Phrasen, kalt, seinen Blick direkt auf seine Augen gerichtet. Er hatte sie lange nicht mehr gesehen, so unglaublich lange nicht mehr angeschaut, wirklich in sie hineingeschaut. Er stand dort unmaskiert. Unmaskiert weil der alte Schmuggler ihn darum gebeten hatte, ihn angewiesen hatte, und er kam dieser Bitte nach. Intuitiv. Vielleicht auch, weil er wusste dass es das letzte Mal sein würde.
Er hatte es das Gesicht seines Sohnes genannt und für einen Moment wollte er es glauben, wollte er es wirklich glauben bevor der Hass zurückkehrte, die Verachtung zurückkehrte, bevor er sich an die Gründe seines Zorns erinnerte, bevor er sich seiner Überzeugung erinnerte, bevor ihn die Dunkelheit einmal mehr verschlang und die Stimmen ihm einmal mehr sagten, nein, diesmal flüsterten sie was er tun sollte und es war etwas wozu er sich niemals bereit gefühlt hatte.

Sein Vater musterte sein Gesicht, sah es zum ersten Mal seit Jahren. Es sah so aus als würde er sich jeden Zentimeter einprägen wollen, sich jeden Makel in Erinnerung halten wollen, im Wissen es nie mehr wieder zu sehen.
Ben sah was sein Vater sah, wie er aussah. Sein Gesicht noch immer das seiner Eltern, mit dem Kinn seines Vaters und den Wangen seiner Mutter, welche nun aber schmaler waren, seine Wangenknochen traten mehr hervor und seine Haut war blasser, sehr viel blasser. Sein Haar war noch voll und dunkel, doch fahler.
Aber am Auffäligsten war die Veränderung seiner Augen. Sie waren alt. Menschen hatten in seiner Kindheit des Öfteren erwähnt wie alt seine Augen doch schon aussahen, doch nicht im negativen Sinne, sie sahen so alt aus als hätten sie schon viel erlebt, durchlebt, Weisheit gesehen, ganze Leben gesehen. Das war ihm damals egal doch genau jetzt erinnerte er sich daran.
Und dort auf der Brücke sah er in diesen Augen keine Weisheit mehr. Sie waren alt. Alt weil sie voller Kummer, voller Schmerz und voller Leid waren. Das volle Braun der Iris war matter und dunkler als es früher einmal gewesen war. Sie waren so voller Trauer, stiller Trauer und so trüb als wären sie schon viele Tode gestorben.
All das sah Ben erst jetzt, all das was er vor ihm sah als er in dieses Gesicht schaute, ihn sein Gesicht schaute, was ihm vielleicht irgendwo sein bereits zerbrochenes Herz gebrochen hatte, ihm jetzt und seinem Vater vielleicht zuvor schon.
Auch wenn Kylos Maske dieser Helm war, das darunter war nicht viel mehr. Dieses Gesicht war nicht mehr desseinen gewesen, es war eine Maske die er trug, eine weitere Maske, eine Maske unfähig Glück auszudrücken, eine Maske, welches das Produkt der Dunkelheit war. Vielleicht auch eine leicht angekratzte Maske, weil eben diese Dunkelheit niemals perfekt gewesen war, doch das war immer die winselnde Hoffnung eines Verstorbenen gewesen.

Ben Solo: AftermathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt